Irans Atomprogramm:
Keine Militäroption für Israel
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Iran will die Atombombe besitzen, um seine
Überlebensfähigkeit gegenüber Feinden wie Pakistan, Israel und den USA zu
festigen. Es will seine Position als Regionalmacht klarstellen und seine
Abschreckungsfähigkeit stärken. So analysiert ein Israeli die Ziele des
Iran. Dessen Name und Funktion dürfen hier nicht preisgegeben werden. Er
sitzt in einem der bestgeschützten Büros mitten in Tel Aviv: "Die Iraner
wollen lieber ein Nordkorea und nicht ein Irak sein."
Für den Experten sei der Status und das Ausmaß des
militärischen Atomprogramms Teherans "unbekannt". Er behauptet, dass das
zivile Programm der Deckmantel für militärische Bestrebungen sei. Dabei
nennt er während des zweistündigen Gesprächs immer nur die Installationen in
Isfahan und Natanz, während der von Siemens aufgebaute und von den Russen
fertig gestellte Reaktor in Buscheir nur gestreift wird. "Wir verdächtigen
Iran, auch Produktionsstätten an geheimen Orten zu besitzen. Eine
Bombardierung von Isfahan oder Natanz hätte keine deterministische Wirkung,
das Programm zu stoppen." Der Israeli
erklärt drei handverlesenen Journalisten, dass Uranium für zivilen Gebrauch
nur auf zwei bis drei Prozent angereichert werden müsse. Der Rohstoff UF6
müsse jedoch auf 93 Prozent angereichert werden, um bombenfähig zu sein. Das
technische Know-how dazu könne man sich bei zivilen Atomanlagen aneignen.
Die wissenschaftlichen Experimente könnten mit einer Zentrifuge gemacht
werden, "die auf meinen Schreibtisch passt". Um jedoch ausreichend
spaltbares Material für den Bau einer Atombombe zu erhalten, benötige es
"eines Wasserfalls von dreitausend Zentrifugen".
Gemäß verfügbaren Informationen, deren Quellen er nicht
nennen wollte, verfüge Iran noch nicht über eine derartige Fabrik. Doch
seien die technischen und wissenschaftlichen Voraussetzungen dazu in Isfahan
und Natanz "bald abgeschlossen, zumal Iran nach gescheiterten Gesprächen mit
den Europäern im August die Anreicherung von Uran in Natanz erneuert hat".
Der "Flaschenhals" sei die Verfügbarkeit von bombenfähigem
Material. Die notwendigen Flugzeuge oder Raketen mit ausreichender
Tragfähigkeit und Reichweite könnte Iran innerhalb absehbarer entwickeln.
Eine Atombombe wiege zwischen 750 und 1000 Kilo und für die Strecke Iran-Tel
Aviv benötige Iran eine Rakete, die dieses Gewicht tragen und 1300 Kilometer
weit fliegen könne. Mit weiter entwickelten Raketen würde auch Zentraleuropa
zum potentiellen Ziel. Der Israeli
sagt, dass Iran "nicht suizidal" sei. Das Land habe finanzielle, politische
und technologische Interessen. Teheran wolle deshalb verhindern, dass der
mit den drei europäischen Ländern ausgetragene Streit, England, Deutschland
und Frankreich, nicht in den UNO-Sicherheitsrat gelange, wo eine
Verurteilung und Sanktionen drohen. "Iran scheiterte, Europa vom iranischen
Recht auf einen vollen Anreicherungszyklus zu überzeugen." Weil aber die
Europäer den Iran bei "Lügen" erwischt hätten und Teheran im Nachhinein
"verbotene Aktivitäten" eingestehen musste, wollte die EU dem Iran dieses
"Recht" nicht zugestehen. Trotz europäischen Einspruchs habe Teheran die
Uran-Anreicherung in in Natanz und Isfahan wieder aufgenommen.
"Wir glauben, dass der diplomatische Weg am attraktivsten
ist. Wir gehen nicht davon aus, dass Iran eine Konfrontation mit der
internationalen Gemeinschaft wünscht", sagt der Israeli. Voraussetzung sei
allerdings ein enges Zusammengehen der Europäer mit den Amerikanern, die im
schlimmsten Fall auch einen militärischen Schlag androhen könnten.
Die abweichenden Einschätzungen über den Zeitpunkt der
Bombenfähigkeit Irans liegen an unterschiedlichen Maßstäben der Berechnung.
Israels Geheimdienstchef Zeev Farkasch redet vom "Punkt ohne Rückkehr", den
Iran schon innerhalb von wenigen Monaten erreiche, nämlich sowie die
Fähigkeit zur Anreicherung von spaltbarem Material erreicht sei. Andere
Israelis reden von "zwei Jahren", wobei sie allein die kürzeste Zeit für die
rein technische Fähigkeit zum Bau einer A-Bombe in Betracht ziehen. Die
amerikanische Atombehörde nennt 2008 oder 2015 als Stichtag, weil sie neben
technologischen Hindernissen auch politische Verzögerungen einbezieht. Das
britische "International Institute for Strategic Studies" glaubt, dass Iran
in fünf Jahren ausreichend spaltbares Material für den Bau einer ersten
A-Bombe besitzen werde. Die Wahl von
Mahmoud Ahmadinejad zum Präsidenten bereitet den Israelis besondere Sorgen,
obgleich er nicht allein das Sagen im Iran habe: "Die Kombination einer
radikalen Ideologie und Atomwaffen ist sehr gefährlich." Iran sei ein
"aggressiver" Staat, der die Hisbollah im Libanon und extremistische
palästinensische Organisationen unterstütze, mit Waffen versorge und im
Terrorkampf gegen Israel ausbilde. ©
Ulrich Sahm / haGalil.com
hagalil.com 09-09-2005 |