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Rosh haShana in Berlin:
Auch das Jahr 5766 beginnt mit Rück- und Ausblick

Von Irene Runge, Jüdische Korrespondenz 10/2005

Die Feiertage fallen spät in diesem Jahr. Diesen Satz kenne ich aus "Die Gärten der Finzi Contini". Jemand fragte nach Pessach, etwas später wurden die Gäste fast alle deportiert. Als ich den Film sah, hatte ich gerade begonnen, mich mit der Erbschaft des Jüdischen vertrauter zu machen. In der Ostberliner Gemeinde lebten einige wie Dr. Peter Kirchner, Familie Prof. Simon, Kantor Ingster, Herr Edel, David Lewin, Familie Cukermann, Herr Bendit das Erbe auf ihre Weise vor. So kam es auch, dass ich in den frühen 70er Jahren zum ersten Mal während der Hohen Feiertage in einer Synagoge war.

In der Rykestraße trafen sich festlich gekleidete Männer und Frauen, die ich nie zuvor gesehen hatte. Vorn saßen der Gemeindevorstand und die Gattin des jeweiligen Rabbiners, dahinter Mitglieder, auch je nach Sympathie. Man hatte den Platz gekauft, Männer rechts, Frauen links vom Gang. Manche zogen die Ruhe der letzten Reihen vor. Dr. Leo Scheuer beispielsweise. Kantor Ingster arrangierte sich jedes Jahr aufs Neue mit gastierenden Rabbinern aus den USA, Ungarn oder Kanada, die nichts über Gemeinde und Mitglieder wussten, dafür gelehrig, aber ohne Beziehung zu uns predigten. Das hat sich leider kaum geändert.

Am Jom Kippur war die Zahl der Fastenden überschaubar. Dem langen Tag folgte das gemeinsame "Anbeißen", manchmal im fernen Restaurant Moskau in der Karl-Marx-Allee, irgendwann wurde das Fastenbrechen in den Kidduschraum, später in den Aufgang zur Empore der Synagoge verlegt. Die Rykestraße ist bei diesem Brauch geblieben.

Heute gibt es in Berlin Synagogen für alle, nur nicht für englischsprachige Rekonstruktionalisten, von denen es offenbar einige nach Berlin verschlagen hat. Sie werden sich ihre eigene Synagoge gründen müssen, falls ihnen die vorhandenen nicht gefallen. Das wäre auf Jüdisch das Normalste.

Kurz vor den Hohen Feiertagen bin ich aufgeregt. Immerhin geht es um unsere Zeit der Besinnung, der Entschuldung, was auch Ent-Schuldigung bedeutet. Die Synagogenkarte will rechtzeitig gekauft sein. Ich schwanke aus alter Anhänglichkeit. Rykestraße, oder - um der räumlichen Nähe willen - Oranienburger? Die Münstersche steht mir auch nahe. Die Chabadniks ziehen in diesen Tagen sogar in die Fasanenstraße. Meine Entscheidung hat aber wenig mit dem Ritus, mehr mit Gefühlen zu tun. Das anregende Hopping von Bethaus zu Bethaus habe ich in Manhattan erlebt. Die Sicherheitsleute in Berlin dürften wenig Spaß daran haben.

Die Neue Synagoge ist bei mir um die Ecke. Auch am Erew Schabbat höre ich hier kaum Russisch, dafür Hebräisch und viel Englisch. Der Synagogenvorstand ist stets präsent und gibt mir das Gefühl, willkommen zu sein. Die Gemeinschaft in der Oranienburger Straße erinnert mich an den Kulturverein. Einige haben begonnen, andere durchgehalten. Wenn Kantor Scheffer vorbetet, beginnt für mich ein Feiertag. Bei Chabad wiederum fühle ich mich manchmal fast wie zu Hause. Genaugenommen ist mir keine Berliner Synagoge fremd.

In aller Welt ist es üblich, vor den Hohen Feiertagen Synagogenkarten zu kaufen. Warum wird in Berlin um Preise, nicht um Traditionen diskutiert? Will, wer am Erew in letzter Minute kommt, das Geld sparen? Ich will positiv denken, dass der kleine Betrug an der Kehilla aus Unvertrautheit mit jüdischen Bräuchen, aus Unwissenheit folgt.

Ein schlechtes Omen? Dann gilt es, den Brauch besser zu vermitteln. In der DDR-Zeit war der Kartenkauf eine jüdische Normalität, ebenso wie die Kleiderordnung zu den Feiertagen. Damals gab es noch die Alten, die darüber wachten, dass wir Nachzügler uns in der Synagoge zu benehmen lernten. An den mit Nelken gespickten Äpfeln wurde am Jom Kippur nur gerochen, sollte jemand heimlich geraucht haben, ging er weit weg, um von niemandem gesehen zu werden. Frau Professor Marie Simon lobte mich nachdrücklich, als ich eine weiße Bluse zum dunklen Kostüm trug. Da war ich endlich angekommen.

Für das Jahr 5766 wünsche ich mir solche Wunder und Erkenntnisse, Einsicht, Rückkehr und Respekt vor dem, was wir nur gemeinsam befestigen können: Unsere jüdische Identität, die von Säkularität bis Ultraorthodoxie reicht. Das sollte uns nicht trennen, sondern neugieriger machen.

Shana Tova! Mögen wir alle eingetragen, und der Eintrag am Jom Kippur versiegelt sein.

hagalil.com 29-09-2005

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