
Vertreibungszentrum:
Nicht in der Hauptstadt!
Kommentar von Philipp Gessler
In der Regel sollte man nicht begeistert darüber
sein, wenn sich ein Museum und Bildungszentrum nicht in Berlin
ansiedelt. Schließlich profitiert die arme und überschuldete
Metropole an der Spree von Touristen oder Wissbegierigen, die solche
Bildungsinstitutionen anlocken. Dass nun aber die rot-grüne
Bundesregierung in ihren voraussichtlich letzten Wochen versucht,
Fakten zu schaffen, die eine Ansiedlung eines "Zentrums gegen
Vertreibung" in Berlin verhindern - das ist durchaus zu begrüßen.
Wem an einer Aussöhnung mit den Völkern Ost- und
Mitteleuropas gelegen ist, die von Deutschen im Weltkrieg so arg
geschunden wurden, der sollte sich gegen ein solches Zentrum in
Berlin mit Händen und Füßen wehren. Auch nach Jahrzehnten sind die
Wunden des deutschen Völkermordens in Warschau, Prag, Budapest,
Bratislava und anderswo zu frisch, sind noch zu wenige klare Zeichen
der Reue getan, als dass ein "Zentrum gegen Vertreibung" in der
deutschen Hauptstadt nicht als revisionistisches Zeichen gedeutet
werden müsste. Hinzu kommt,
dass das "Zentrum gegen Vertreibung" die - sieht man von Peter Glotz
vielleicht ab - denkbar schlechtesten Anwälte hat, nämlich Gestalten
wie Erika Steinbach. Wer die Geschichte ihrer Organisation auch nur
ein wenig kennt, wird der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen
ihre Beteuerungen einfach nicht abnehmen können, dass sie doch die
deutsche Schuld als Ausgangspunkt für die Vertreibungen von
Deutschen nicht kleinreden oder relativieren wolle. Schlimm auch,
dass sich die Union laut ihrem Wahlprogramm nun zum Büttel dieser
Geschichtspolitik gemacht hat. Auch dies ist kein schlechter Grund,
sie nicht zu wählen. Abdruck
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02-08-2005 |