
"Zentrum gegen Vertreibungen":
Merkel weiß, wer den Krieg verloren hat
Sie wirbt bei ihrem Besuch in
Polen dennoch für ein "Zentrum gegen Vertreibungen" in Berlin. Die
Unions-Kanzlerkandidatin verweist auf 15 Millionen Vertriebene. Und
verspricht allgemein, "nichts über die Köpfe der Polen" hinweg zu
entscheiden Aus Warschau
Gabriele Lesser Auf den
Besuch der Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel hatten viele Polen
mit Spannung gewartet. Würde sie das umstrittene Projekt eines
Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin unterstützen? Oder wären ihr
gutnachbarschaftliche Beziehungen zwischen Polen und Deutschland
wichtiger? Aleksander Kwásniewski, Polens Staatspräsident, erklärte
noch kurz vor seinem Treffen mit Angela Merkel im polnischen
Rundfunk, dass ein "Zentrum gegen Vertreibungen" in Berlin für Polen
nicht akzeptabel sei.
Merkel versuchte dennoch, in Polen für das Zentrum des Bundes der
Vertriebenen (BdV) zu werben. "Ich nehme die polnischen Ängste
ernst", versicherte sie ihren Gastgebern. Deutschland habe nicht
vor, die Geschichte umzuschreiben. Die 15 Millionen Vertriebenen
habe es aber nun mal gegeben und es müsse auch möglich sein, ihrer
zu gedenken. "Es gibt keine Aufrechnung von Leid", erklärte sie,
"und damit auch keine Relativierung der Geschichte. Die Deutschen
sind sich bewusst, dass sie den Krieg begonnen haben."
Kwásniewski begründet seine Opposition gegen das
Zentrum, dass es das Leid der Deutschen betone. "Das würde den
Polen, Tschechen und anderen Nationen, die unter dem
Nationalsozialismus gelitten haben, den Eindruck geben, dass es sich
um eine Art Geschichtsrevision handelt … der wir nicht zustimmen
können." Eine CDU-geführte
Regierung, versprach nun Angela Merkel, werde auch keine Eigentums-
oder Entschädigungsansprüche unterstützen, wie sie beispielsweise
die Preußische Treuhand von polnischen und internationalen Gerichten
einzuklagen versucht. Zu Befürchtungen, dass zu einer
"Sakralisierung der deutschen Opfer" kommen könne, wenn das Zentrum
in einer Kirche untergebracht werde, wollte Merkel sich nicht
äußern: "Die Diskussion ist noch im Gange. Da möchte ich mich nicht
einmischen." Donald Tusk,
Parteivorsitzender der liberalen Bürgerplattform (PO) und
aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat, versuchte Merkel bei
ihrer schwierigen Visite in Polen beizustehen. CDU und PO verstehen
sich als Schwesterparteien. Umfragen zufolge wird die PO gemeinsam
mit der konservativen "Recht und Gerechtigkeit" die nächste
Regierung in Polen stellen. Tusk betonte also immer wieder die "neue
Ostpolitik", die Deutschland unter einer CDU-geführten Regierung
einschlagen werde. "Wenn demnächst ein Flugzeug in Berlin mit Ziel
Moskau startet, wird es in Warschau zwischenlanden." Für Polen sei
es außerordentlich wichtig, dass Deutschland sich künftig um eine
Wiederannäherung an die USA bemühen werde, andererseits aber auch
klare und unterstützende Worte finde, wenn es um die Interessen
Polen gegenüber den Nachbarn Russland und Weißrussland gehe.
Merkel bekräftigte: "Im Falle eines Wahlsieges der
Union wird es keine 'Achse Paris-Berlin- Moskau' geben." Auch eine
Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland, die an Polen
vorbeiführe, müsse zumindest im Vorfeld intensiv mit den politischen
Partnern in Warschau beraten werden. "Über die Köpfe der Polen
hinweg wird nichts entschieden."
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der taz - die tageszeitung
taz muss sein:
Was ist Ihnen die
Internetausgabe der taz wert?
© Contrapress media GmbH
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags
haGalil onLine
18-08-2005 |