peacecamp
2005:
Wenn du einen Fremden triffst, sprich mit ihm
Ein Hadassah Austria-Projekt, unterstützt von der Europäischen Gemeinschaft,
dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kunst sowie der Karl
Kahane-Stiftung
Von
Evelyn
Böhmer-Laufer
Vom
6. bis zum 15. Juli 2005 fand im Kärntner Ort Rechberg das dritte
peacecamp statt: diesmal vier Gruppen mit insgesamt 36 Jugendlichen -
arabische und jüdische Israelis, Österreicher und Slowenen. Zehn Tage lang
beschäftigten sich diese mit Fragen ihrer persönlichen und nationalen
Abstammung, Zugehörigkeit und Identität und lernten die unterschiedlichen
kulturellen, religiösen und nationalen Merkmale aller beteiligten Gruppen
kennen.
Schwerpunkte des peacecamps waren die noch vor der Anreise
erarbeiteten und in einem "Family Album" erfassten Familien- und
persönlichen Lebensgeschichten der Teilnehmer, die szenisch dargestellten
Charakteristika der jeweiligen Kultur, Religion und Geschichte jeder Gruppe
sowie tägliche Gesprächsrunden zu Themen der persönlichen Einstellungen,
Empfindungen und Gedanken der jungen TeilnehmerInnen im Rahmen einer
psychoanalytischen Großgruppe. Auch die erwachsenen TeilnehmerInnen, zwei
begleitende PädagogInnen pro Gruppe und vier Künstlerinnen, hatten
Gelegenheit, im Rahmen täglich stattfindender, von einem Gruppenanalytiker
geleiteten Gesprächsrunden ihre jeweiligen Gefühle und Einstellungen einer
kritischen Prüfung zu unterziehen.
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Schließlich boten gemeinsame kreative Tätigkeiten - Portrait-Zeichnen,
Malen, Basteln, Tanzen, Musizieren sowie spannende sportliche Bewerbe -
zahlreiche Gelegenheiten, mit Angehörigen der eigenen, aber auch der
anderen, "fremden", Gruppen zu kooperieren und sich gemeinsam mit sehr
unterschiedlichen Anderen diversen Aufgaben und Aktivitäten zu stellen.
Besonders
interessant waren Diskussionen über Religion und die damit verbundenen
unterschiedlichen Lebensformen und Traditionen. Die Frage, ob es für jede
der monotheistischen Religionen einen eigenen Gott oder eben nur
einen einzigen Gott für alle Menschen gäbe, beschäftigte die
Jugendlichen ebenso, wie die Frage, ob es zulässig sei, religiöse
Glaubensgrundsätze zu hinterfragen. "Wer hat die Bibel, den Koran
geschrieben, und wie kann man wissen, ob das, was in den Heiligen Schriften
steht, wahr ist?" wurde arglos gefragt, und schon war man in ein
Fettnäpfchen getreten und musste bei der streng gläubigen muslimischen
Kollegin Abbitte leisten. "Darf man überhaupt fragen oder sagen, was man
denkt?", wo Worte doch kränken und verletzten können, oder ist es besser,
die eigene Einstellung hinter höflicher Zurückhaltung zu tarnen? "Deine
Worte haben mich getötet!", empörte sich eine Teilnehmerin in
sehr lebhafter Weise - muss man also zustimmen und schweigen, oder ist es
zulässig, die von höflichem Quasi-Konsens geschaffene Distanz zugunsten der
Offenlegung der wahren Gedanken und Gefühle aufzuheben, eine Konfrontation
zu wagen und zu erleben, dass die Worte zwar gekränkt oder verärgert,
jedoch nicht getötet haben, und dass die entstandenen Affekte und
Gefühle ein besseres Verstehen und größere Nähe bewirken können?
Ob und
was diese Art, Fremden - auch unseren eigenen, fremden, ungeliebten und
verpönten Ansichten und Gefühlen - zu begegnen, bewirkte, wird das Ergebnis
einer Studie zeigen. Ein Forscher der Universität Wien hat das dritte
peacecamp-Projekt begleitet und wird ermitteln, wie sich die Begegnung
mit den Anderen, "Fremden", aber auch die Konfrontation mit den
eigenen befremdenden oder uns entfremdeten
Gefühlseinstellungen und Gedanken auf das Selbst- und Weltbild der am
Projekt beteiligten jungen Menschen und auf ihre Empathie anderen Menschen
und Gruppen gegenüber auswirkt.
Eine
umfangreiche Dokumentation über peacecamp 2005 finden Sie unter:
http://peacecamptalks.blogger.de/
hagalil.com 04-08-2005 |