Raimund Löw vergleicht Äpfel mit Birnen:
Der gewandelte Sharon
Von Karl Pfeifer
In der Wiener Stadtzeitung "Falter" 34/05 publizierte
Raimund Löw seine Gedanken über den israelischen Abzug aus dem Gazastreifen
unter dem Titel "Der gewandelte Sharon".
Gleich am Beginn seines Artikels vergleicht er Äpfel mit Birnen: "Die
Streitkräfte demonstrierten selbst gegenüber gewalttätigen Aktivisten, wie
wirksam überlegte Zurückhaltung und hartnäckige Geduld sein können. Eine
Haltung, die der israelischen Besatzungsmacht in ähnlichen Situationen
gegenüber palästinensischen Jugendlichen so oft abgeht."
Man
lese und staune. Die gewalttätigen jüdischen Aktivisten haben nicht das
Leben der Ordnungskräfte gefährdet, Steine schleudernde palästinensische
Jugendliche tun aber genau das. Sehr oft, allzu oft wurden israelische
Soldaten verletzt und getötet, weil sie "überlegte Zurückhaltung und
hartnäckige Geduld" gegenüber Palästinensern demonstrierten. Zum Beispiel in
Jenin, als viele Medien hier von Massaker und ähnliches faselten. Hätte die
israelische Armee die Methoden der USA-Armee im Irak angewandt, dann hätte
man Jenin zuvor mit Bomben belegt und nicht 23 Soldaten im Straßenkampf
verloren.
Es
gehört auch eine schöne Portion historischer Sorglosigkeit dazu De Gaulles
Beendigung des Kolonialkriegs "selbst zum Preis der Aussiedlung von fast
eineinhalb Millionen französischer Bürger" mit dem Gazaabzug zu vergleichen,
um dann festzustellen, dieser "bleibt dagegen ein bescheidener Schritt mit
unklarer Perspektive".
Raimund Löw "vergisst" dabei zwei wichtige Tatsachen:
1) Die
Siedler können zwar zurückkehren hinter die Waffenstillstandslinien von 1949
aber die bis 1948 im Gazastreifen lebten können dort nicht bleiben, denn die
Palästinenser bestehen auf judenfreien Gebieten. Das haben sie ja schon seit
1948 praktiziert und zur Genüge bewiesen. Nicht einmal die antizionistischen
orthodoxen Juden durften damals in der Altstadt von Jerusalem und in Hebron
bleiben. In Israel leben – mit allen Problemen die von mir nicht verleugnet
werden – mehr als eine Million Araber. Man stelle sich die Entrüstung
derjenigen vor, die zur real existierenden ethnischen Säuberung in Syrien
und im Sudan schweigen, wenn die israelische Regierung im Gegenzug die Idee
einer ethnischen Säuberung propagieren würde.
2) Für
die meisten Palästinenser gibt es leider nur eine positive Perspektive, die
Rückkehr aller auch in dritter und vierter Generation im Ausland geborener
Flüchtlinge und damit die Liquidierung Israels. Das aber kann und wird auch
nicht von der israelischen Friedensbewegung toleriert werden.
Dem
von mir hochgeschätzten ORF-Kommentator Raimund Löw, der gelassen von der
"Westbank, die von vielen Nationalisten als Judäa und Samaria" gezählt wird,
schrieb, sei in Erinnerung gerufen, was diejenigen vor ungefähr zweittausend
Jahren u.a. schrieben, die nicht des jüdischen Nationalismus verdächtigt
werden können:
"Alsdann, wer in Judäa ist, der fliehe auf das Gebirge... " Lukas, 21.21
"...
und werdet meine Zeugen sein zu Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien..."
Apostelgeschichte 1.8
Es
ist leicht die "einseitigen Maßnahmen" von Ariel Sharon zu kritisieren und
vorauszusagen, "die palästinensische Irredenta würde weiterhin lichterloh
brennen, nicht nur in Palästina." Und da dürfen wir uns auch nicht wundern,
wenn er seinen Artikel so schließt: "Da werden die Wohnungen angezündet und
die Gewächshäuser niedergewalzt, damit sie nur nicht in die Hände der
feindlichen palästinensischen Nachbarn fallen."
Fakt
ist jedoch, dass dies mit der Palästinensischen Autonomiebehörde so
vereinbart wurde, aber die Fakten stören nur, wenn man seine ideologischen
Vorurteile in einer Wiener Stadtzeitung freien Lauf lassen darf.
hagalil.com 31-08-2005 |