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Gaza-Rückzug:
Der ausgeträumte Traum einer Siedlerin

Von Ulrich W. Sahm, Peat Sadeh, Gazastreifen

"Es war ein Paradies. Das ist es jetzt nicht mehr. Jetzt im Moment ist der Traum vorbei. Ich gehör nicht mehr dazu. Alles was ich geträumt habe für diesen Ort, ist vorbei. Es hat keine Zukunft. Der Horizont ist nahe. Es ist nicht, was ich gewollt habe." Viki Sabach sitzt in einem ärmlich eingerichteten Wohnzimmer. Vor ihr auf dem Wohnzimmertisch steht ein wohlgefüllter Aschenbecher. Vor dem Computer steht ein billiger weißer Plastikstuhl. Der Fernseher läuft. Die Wienerin ist als junge Frau gleich nach dem israelischen Sieg 1967 eingewandert.

"Ich hatte so einen Traum von Siedlungen. Das war nicht wirklich klar in Österreich, aber irgend so was. Als ich das hier gefunden habe, wusste ich, dass es das war, was ich tun wollte: siedeln." Seit 15 Jahren lebt Viki Sabach mit ihrem Mann Carlos und drei erwachsenen Söhnen, von denen zwei beim Militär dienen, in Peat Sadeh. Zwischen sehr bescheidenen drei-Zimmer-Häuschen mit roten Dächern und zugenagelten Fenstern stehen protzige Villen mit kitschigen Säulen und anderen Geschmacksverirrungen. Peat Sadeh ist die einzige nicht-Fromme Siedlung im Siedlungsblock Gusch Katif im Süden des Gazastreifens. "Vielleicht ist das der Grund, weshalb einige Häuser nie bezogen wurden", sagt Viki. Es sei schwer, sich als weltlicher Mensch unter den ansonsten frommen Siedlern zu behaupten.

Viki wohnt am Ende der versandeten Straße, nahe dem Sicherheitszaun. Auf den Dächern ihrer Nachbarhäuser fehlen Ziegel und die Sonnenkollektoren für das Warmwasser sind verrostet. Vor ihrer Haustür kläffen zwei bissige Hunde. Die Hundehütte steht schief im Sand. Die schmuddelige Verwahrlosung entspricht ihrer pessimistischen Weltsicht: "Ja man träumt und träumt und dann ist es vorbei, wie beim Schlafen. Dann wacht man auf. Man sortiert aus, was geträumt war und was Wirklichkeit ist und die Wirklichkeit ist meistens stärker als der Traum." Sie trägt ein orangefarbenes Armband aus Plastik, Symbol der Rückzugsgegner. "Seit der Intifada ist das Leben hier teilweise zur Hölle geworden, aber ertragbar, weil ich gefunden habe, dass man ein Heim nicht verlässt, weil jemand auf mich schießt. Das war einfach. Das war wirklich einfach. Es war eine Frage von richtig und falsch. Der ganze Prozess, jetzt abzuziehen, nach der Intifada, macht es viel schwerer."

Wie etwa die Hälfte der Siedler, die sich bei den Behörden gemeldet haben, um Entschädigung zu erhalten, hat sich Viki mit ihrem Schicksal abgefunden. "Ich fühle mich betrogen. Im Moment fühle ich mich schon gar nicht mehr. Das ist vielleicht das Ärgste. Ich will das jetzt fertig machen und Schluss. Ich will weg, ich will weg, bevor die Soldaten kommen. Ich will das Schauspiel nicht sehen. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Das ist fürchterlich. Jeder Tag, den ich dasitze... Ich mag keine langen Abschiede. Es ist sinnlos, was ich hier tue. Ich sag das ganz klar: Wer will das letzte Opfer sein? Keiner will das letzte Opfer sein. Solange ich gewusst habe, dass hier eine Zukunft ist, dann schießt man, dann beschützt man sich, wie man kann. Aber nur so dasitzen, um die Zeit totzuschlagen..."

Ein Bewohner von Peat Sadeh ist während der Intifada von seinem palästinensischen Arbeiter im Gewächshaus ermordet worden. "Es hat fürchterlich gekracht. Ich habe das als Krieg angesehen. Es war nicht einfach, aber es war Feuer vom Feind. Was ich jetzt durchmache, ist Feuer von meinen Freunden. Ich will nicht sagen, dass Scharon mein Feind ist. Aber ich fürchte mich mehr vor ihm, als ich mich vor den Palästinensern gefürchtet habe."

Viki zündet sich eine neue Zigarette an: "Die schießen in ganz Israel. Wenn ich nach Tel Aviv gehe, dann fürchte ich mich fürchterlich. Ich sitze im Autobus und weiß nicht, ob er explodiert. Hier fürchte ich mich nicht. Jeder kennt seinen Teufel. Jeder weiß, wie er mit seinem Teufel fertig wird. Es ist gefährlich. Da kann man gar nichts tun. Das Leben ist gefährlich, hier, in Israel, überall, in der ganzen Welt. Der Terror ist so stark geworden. Es gibt Länder, die das noch nicht so stark spüren. Wenn man dem Terror so nachgibt, wird er noch weiter wachsen."

Viki bewundert die Rückzugsgegner. Sie glauben immer noch, den Abzug und die Zerstörung ihrer Häuser abwenden zu können: "Ich bewundere sie für ihren Glauben und für ihr Vertrauen in Gott. Ich bin nicht sicher, ob ich mich versündige. Vielleicht müsste ich mehr an Gott glauben und weniger an Scharon. Aber es scheint mir nicht so, als ob noch eine direkte Einmischung von Gott geschehen wird."

In ihrem unordentlichen Wohnzimmer steht noch kein Karton. In der Theorie sollte sie noch vor dem 15. August in ein Dorf bei Aschkelon umgezogen sein: "Die Behörden antworten: Es wird sein und es wird gut sein und es wird alles in Ordnung sein. In der Zwischenzeit verläuft die Zeit. Ich bin nicht sehr begütert, wie Sie sehen. So ein Umzug und ein neues Leben aufbauenkostet Geld. Und ich sehe noch keinen Groschen. Ich sehe noch nicht, wie ich das alles einpacke und die Übersiedlung zahlen soll, falls ich keinen Vorschuss bekomme."

Zum Abschied erbittet Viki eine Kopie dieses Berichts per Post: "Ach Gott, ich kann Ihnen ja nicht einmal eine Adresse geben."

© Ulrich Sahm/haGalil.com

hagalil.com 02-08-2005

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