Adolf Frankl:
Visionen und ein Stückchen Brot
"Der Krieg ist aus": Adolf Frankl
überlebte die Hölle von Auschwitz und malte das Inferno
Von Anne Goebel
Erschienen in: Süddeutsche Zeitung, 11. Juli 2005
Zum 60. Jahrestag des Kriegsendes ist im Münchner
Stadtmuseum (bis zum 31. Juli) die Ausstellung "Der Krieg ist aus" zu sehen.
Gezeigt werden dort Fundstücke von Münchner Bürgerinnen und Bürgern, die an
1945 erinnern. Die SZ stellt 30 dieser Fundstücke und die jeweilige
Geschichte dahinter in einer Serie vor, die auch als Buch erhältlich ist.
Der biografische Abriss, den Thomas Frankl über seinen Vater Adolf Frankl
geschrieben hat, kommt nicht ohne Merkwürdigkeiten aus. Es findet sich am
Ende eine lange Liste von Menschen, denen gedankt wird. "Herrn Gross: Er
versteckte Vater in der Tischlerwerkstätte von Sered. Frau Walter: Sie
arbeitete in der SS-Küche von Birkenau und gab Vater ein Stückchen Salat.
Herr Kalmár: Er war Elektriker in Birkenau und gab Vater vor dem Todesmarsch
ein bisschen Marmelade." Ein Versteck, ein Bissen zu essen, das konnte
lebensrettend sein in den Zeiten des Mordens, als die
Vernichtungsmaschinerie der Nazis ihr entsetzliches Werk tat. Auch in
Bratislava, der slowakischen Geburtsstadt des Malers Adolf Frankl. Dass er
die Internierung im nahe gelegenen Zwischenlager Sered überstand, das Grauen
von Auschwitz, den Todesmarsch im Januar des Kriegsjahres 1945, verdankt er
vielen Glücksfällen und mutigen Helfern. Er hat überlebt, ist zu seiner
jüdischen Familie nach Bratislava heimgekehrt, und wenn man seinen Sohn
fragt, wie er war, der Moment, in dem sie den Totgeglaubten wiedersahen,
beginnt Thomas Frankl zu weinen. Man habe sich gefreut, sagt er leise. "Ja,
man hat sich eigentlich gefreut."
Besuch bei den Frankls in ihrer Wohnung nahe der Theresienwiese. Der Sohn
des Malers lebt mit seiner Frau Inge in lichtdurchfluteten, mit hellen
Möbeln eingerichteten Räumen. Auch Adolf Frankl hat, nach dem Ende des
Krieges und der Übersiedelung aus der kommunistischen Tschechoslowakei in
den Westen, das Land der Täter nicht gemieden. Er wohnte bis zu seinem Tod
1983 in Bad Homburg, Frankfurt, München und Umgebung, aber auch in New York
und Wien. Es war eine ruhelose Existenz, die auf die Hölle des Holocaust
folgte. Und es ist deshalb nicht einfach so, dass man mit Thomas Frankl über
das Kriegsende, die ersehnte Befreiung sprechen kann, über die Erlösung von
den Schrecken, für die symbolisch das Stück Brot steht, das der Vater vom
Todesmarsch mitbrachte. Natürlich hat der 70-Jährige das Brot hergerichtet
für den Besuch, ein haselnussgroßes, steinhartes Bröcklein. Frankl nimmt es
behutsam aus dem durchsichtigen Acrylwürfel, wickelt es aus der schützenden
Plastikfolie. Eine profane Hülle für ein Stück Hoffnung und
Überlebenswillen, das porös, federleicht geworden ist mit der Zeit. Aber da
liegt eben auch die Biografie des Vaters auf dem Tisch und das Buch "Visionen
aus dem Inferno" mit seinen nervösen, expressiven Bildern, in denen
er noch Jahrzehnte nach den Geschehnissen im Lager das Unsagbare
verarbeitete.
"Der Krieg ist aus": Um zu ermessen, was das für eine Familie wie die
Frankls bedeutete, muss man weiter zurückgehen als in die Apriltage des
Jahres 1945, in denen Thomas Frankl und seine Schwester Erika in einem
Luftschutzkeller Bratislavas den ersten sowjetischen Soldaten sahen...
>>
Fortsetzung...
Mit freundlicher Genehmigung der
Süddeutsche Zeitung und der
DIZ München GmbH.
DER GEMÄLDEZYKLUS

hagalil.com 21-08-2005 |