Wir wollen hier ein Wort der taz an den Pontifex
Maximus,
aus der Feder von PHILIPP GESSLER, zur Kenntnis bringen

Tue Buße, Benedikt!
Keine Bewegung hin zu den evangelischen Kirchen,
keine offene Diskussion gegenüber Muslimen, keine Entschuldigung bei
den Juden: Der Papst hat in Deutschland den geschichtlichen
Augenblick nicht genutzt Liebe
Gemeinde!
Wir sind heute hier zusammengekommen, um zu trauern. Zu trauern um
eine Gelegenheit, die unser Mitbruder in Christo, der Bischof von
Rom, Papst Benedikt XVI., hat verstreichen lassen. Er hat viele
junge Katholiken enttäuscht, die meisten Protestanten und einige
Muslime. Er hat den Kairos, den geschichtlichen Augenblick, leider
nicht genutzt. Geh in dich, Benedikt!
Unser erster Diener, der
Diener Gottes, ist in seine Heimat nördlich der Alpen gefahren, hat
zu über einer Million junger Menschen gesprochen - und hat ihre
Herzen nur selten erreicht. Bestenfalls ihre Köpfe.
Sicher, ihm ist die Gabe
des Menschenfischens, die sein Vorgänger besaß, einfach nicht
geschenkt. Aber auch dort, wo er zumindest die Köpfe hätte erhellen
können, blieb er hinter dem zurück, was wir erwartet, erhofft, ja
erbeten hatten - und was Gott wohlgefällig gewesen wäre:
Gegenüber den Muslimen
wenig mehr als das übliche Salbadern und der implizierte Vorwurf,
sie sollten mehr Distanz zum Terrorismus wahren. Den Vertretern
unserer evangelischen Schwesterkirchen schien er zunächst keine
Gesprächsmöglichkeit geben zu wollen. Dann deutete er an, dass sie
für ihn weiterhin nur Vertreter "kirchlicher Gemeinschaften", also
keine Kirchen seien. Schließlich erklärte er, theologisch verbrämt,
dass eine vollständige Ökumene nur auf dem Weg der Rückkehr der
Kirchen Luthers in den Schoß der römisch-katholischen Kirche möglich
sei. Ach, Bruder Benedikt, hast du unseren Brüdern und Schwestern
mit dem anderen Gebetbuch nicht mehr zu sagen?
Aber wir wollen nicht
ungerecht sein und sehen auch das Gute: Dein Auftritt in der Kölner
Synagoge war sicherlich richtig und wichtig: der zweite Besuch eines
Papstes bei unseren "älteren Brüdern" überhaupt - und das als
"deutscher" Papst im Land der Täter des Holocaust. Schade nur, dass
du nicht die Größe deines Vorgängers hattest, dich im Namen der
Kirche zu entschuldigen. Für das Schweigen von Pius XII. angesichts
des Judenmords. Du weißt, Unterlassungssünden sind auch Sünden.
Tue Buße, Benedikt!
Erwäge, welche Macht dir der HERR gegeben hat und was du damit Gutes
tun kannst. Tun könntest. Und dann, dann komm bald wieder nach
Deutschland. Mit mehr im Gepäck. Amen!
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der taz - die
tageszeitung
taz muss sein:
Was ist Ihnen die
Internetausgabe der taz wert?
© Contrapress media GmbH
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags
haGalil onLine
22-08-2005 |