Vatikan-Israel:
Offene Krise
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Der deutsche Papst wird von den Israelis mit Argusaugen
beobachtet und zugleich reagiert der Heilige Stuhl überempfindlich, wenn
Israel dem Vertreter Gottes auf Erden "Vorschriften macht".
Am Sonntag, beim Angelus-Gebet, verurteilte Papst
Benediktus XVI. den Terror in London, Türkei, Irak und Ägypten. Erst am Tag
zuvor waren drei Bomben im ägyptischen Scharm A Scheich explodiert. War es
"Vergesslichkeit" oder eine bewusste Auslassung, dass der Papst nicht auch
den Terror in Israel verurteilte?
Am 12. Juli, zwischen den Anschlägen in London und der
Bombe in einem türkischen Bus hatte ein palästinensischer
Selbstmordattentäter in Netanja fünf Israelis in den Tod gerissen. Wenige
Stunden vor dem Angelus-Gebet wurde zudem ein israelisches Ehepaar aus dem
Hinterhalt von Palästinensern erschossen.
Obgleich daran gewöhnt, bei der Verurteilung von
Terroranschlägen übergangen zu werden, wollte Israel diese "Auslassung" beim
neuen Papst nicht durchgehen lassen.
Am Montag wurde der Vatikanbotschafter, Nuntius Pietro
Sambi, ins Jerusalemer Außenministerium einbestellt. Der Verantwortliche für
Diasporafragen, Nimrod Barkan, las dem Botschafter im schwarzen Gewand mit
goldenem Kreuz an der Brust die Leviten. Der Vatikan reagierte mit dem
Hinweis, dass der Papst nur Anschläge "dieser Tage" aufgezählt habe.
Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls fügte hinzu, "dass
die Kirche und der Heilige Stuhl in zahlreichen Interventionen jede Form des
Terrorismus verurteilte, von welcher Seite er auch kommt und gegen wen er
auch immer gerichtet ist". Zu den terroristischen Taten, die der Vatikan
"vorbehaltslos" verurteile, gehöre auch der Anschlag in Netanja. Die
Papstrede sei von Israel "grundlos fehlinterpretiert" worden. Wieso dann
Natanja vom Papst "vergessen" worden ist, verriet Navarro-Valls nicht.
Israel wolle auf die Vatikan-Antwort nicht weiter
reagieren, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Mark Regev: "Wir haben
gesagt, was wir zu sagen hatten." Doch Nimrod Barkan, der dem Nuntius die
Leviten gelesen hatte, war anderer Ansicht. Gegenüber der "Jerusalem Post"
zog er ein langes Südenregister des Vatikans hervor. Auch unter Johannes
Paul II. seien Terroranschläge in Israel nicht verurteilt worden.
Solche Vorhaltungen wollte sich der Vatikan nicht bieten
lassen und eskalierte die Krise mit weiteren Erklärungen. Vatikan Sprecher
Joaquin Navarro-Valls äußerte sich "überrascht, dass jemand die Gelegenheit
sucht, die Absichten des Heiligen Vaters zu verdrehen." Der frühere
Vatikan-Außenminister Kardinal Achille Silvestrini sagte: "Es gibt keine
palästinenserfreundliche Haltung, die den Heiligen Stuhl daran hindern
würde, die terroristische Bedrohung für Israel zu erkennen." Dabei hatte
Israel gar keinen derartigen Vorwurf geäußert, sondern lediglich moniert,
dass ein Terroranschlag gegen Israelis in dem vom Papst gesteckten Zeitraum
zwischen London und Ägypten unerwähnt blieb.
Der Pressesaal des Vatikans verschärfte den Streit mit der
Behauptung: Nicht immer habe der Vatikan den Terror gegen Israel rechtzeitig
verurteilen können, weil Israel doch "Vergeltung" verübt habe, die nicht
immer mit dem "internationalen Recht" in Einklang stehe. Dazu haben sich
offizielle israelische Sprecher noch nicht geäußert. Kommentatoren sehen
darin eine Gleichstellung israelischer Präventivmaßnahmen gegen den Terror
mit gezielten palästinensischen Bombenanschlägen auf Zivilisten in Bussen
und Restaurants. "Können die Londoner Anschläge etwa auch nicht verurteilt
werden, weil die Polizei jetzt gegen die Attentäter vorgeht und dabei einen
unschuldigen Brasilianer mit gezielten Kopfschüssen niedergestreckt hat",
fragte angewidert der Vatikan-Experte Jitzhak Minerbi.
Inzwischen zauberten päpstliche Presseleute eine lange
Liste von Terror-Verurteilungen des vorigen Papstes aus ihren Archiven
hervor und übermittelten sie israelischen Journalisten in Rom. Verärgert
sagte Minerbi am Freitag im Rundfunk: "Ja, der Vatikan verurteilte
palästinensischen Terror gegen Israel, aber stets verbunden mit Verständnis
für die Not der Palästinenser unter israelischer Besatzung."
Inzwischen griff auch der Vorsitzende des Zentralrats der
Juden in Deutschland, Paul Spiegel, in die Diskussion ein. In einem
Interview in "Die Welt" rechtfertige er die israelische Kritik. Angesichts
des geplanten Besuchs des Papstes in der Kölner Synagoge, dürfte diese Krise
Schatten werfen, zumal der Papst auf Druck von Moslems jetzt auch einen
Besuch in einer Moschee plant.
Den vorläufigen Höhepunkt erreichte die Krise mit dem
Vorwurf des päpstlichen Presseamtes: "So wie die israelische Regierung sich
von Anderen nicht vorschreiben lässt, was sie sagen sollte, so kann der
Heilige Stuhl keine Belehrungen und keine Direktiven anderer Mächte zu
seiner Haltung und dem Inhalt seiner Erklärungen hinnehmen."
© Ulrich Sahm/haGalil.com
hagalil.com 29-07-2005 |