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Marignane/Südfrankreich:
Bürgermeister weiht Denkmal für tote Rechtsterroristen ein

Von Bernhard Schmid, Paris

Daniel Simonpieri ist seit 1995 Bürgermeister von Marignane, der Trabantenstadt der südfranzösischen Metropole Marseille, auf deren Gebiet u.a. der Flughafen von Marseille und das Luftfahrt- und Rüstungsunternehmen Eurocopter angesiedelt sind. Von 1974 bis 1999 gehörte Simonpieri dem rechtsextremen Front National (FN) unter Jean-Marie Le Pen an. Nach dessen Spaltung aufgrund des Machtkampfs zwischen Le Pen und seinem ehemaligen Chefideologen Bruno Mégret verließ Simonpieri die Partei zusammen mit der Mégret-Fraktion.

Von 1999 bis 2002 war Simonpieri eine, anfänglich noch führende, Figur der aus der Spaltung hervor gegangenen Mégret-Partei MNR (Mouvement national républicain, National-republikanische Bewegung), die übrigens im Januar 1999 in einem städtisches Saal in "seiner" Stadt Marignane gegründet worden ist. Doch mangels Erfolgs der neuen Partei, die inzwischen den Status einer Splittergruppe hat, kehrte Simonpieri (der bei den Kommunalwahlen im März 2001 triumphal wiedergewählt worden war: 65 Prozent der Stimmen in der Stichwahl) sich von dieser ab. Nach einer vorübergehenden Wiederannäherung an Le Pen heuerte Simonpieri daraufhin bei der bürgerlich-konservativen Rechten an.

Seit dem 31. März 2004 gehört Daniel Simonpieri jetzt (als parteiloser Abgeordneter) der gemeinsamen Fraktion der bürgerlichen Rechtsparteien, der konservativen Regierungspartei UMP und der christdemokratischen UDF, im Bezirksparlament von Marseille an.

An seinen politischen Auffassungen dürfte das insgesamt wenig geändert haben, auch wenn er sie heute mit weniger kriegerischer Rhetorik vortragen muss.

Ein Denkmal für die rechtsterroristische OAS

Jüngst machten die politischen Verhältnisse in Marignane, die seit der Aufgabe seiner FN/MNR-Mitgliedschaft durch den Bürgermeisters in den Medien keine Beachtung mehr finden, jedoch erneut Schlagzeilen. Anlass war die für den 6. Juli geplante Einweihung eines Denkmals, die nicht nur in der französischen, sondern auch in der algerischen Presse sehr viel Aufmerksamkeit auf sich zog.

Die Aufschrift des umstrittenen Denkmals lautet: "Im Gedenken an die 113 Kämpfer und die Erschossenen, die fielen, damit L'Algérie française (das französische Algerien) lebe." Die Rede ist unzweifelhaft von den zu Tode gekommenen Aktivisten der rechtsterroristischen OAS (Organisation Armée Secrète, "Organisation geheime Armee" oder auch "Bewaffnete Geheimorganisation"). Die OAS bombte und mordete 1961/62 gegen den französischen Rückzug aus Algerien, während der dort seit November 1954 geführte Kolonialkrieg seinem Ende entgegen ging. Damals hatte Frankreichs Präsident Charles de Gaulle aus realpolitischer Erkenntnis heraus, und um die Rohstoffinteressen französischer Konzerne in Algerien zu wahren (indem man die Interessen der Siedler und Kolonialfanatiker opferte, sollte die französische Wirtschaft in Algerien präsent bleiben können) schließlich doch noch die algerische Unabhängigkeit akzeptiert. Während die OAS unter der kolonialen Siedlerbevölkerung im französischen Algerien ein bedeutendes Rekrutierungspotenzial vorfand, wurde sie in der französischen "Metropole" vor allem durch dezidierte Aktivisten der extremen Rechten unterstützt. In Algerien ist die OAS u.a. für Bombenanschläge und Mörserbeschuss auf arabische Märkte und andere Menschenansammlungen, aber auch für gezielte Morde an französischen "Verrätern" (die die Entkolonialisierung akzeptierten) verantwortlich.

Das Denkmal von Marignane trägt das Bild eines Erschossenen am Exekutionspfahl, darunter die Aufschrift "Erde Algeriens" und die Namen von vier angeblichen Märtyrern der national-kolonialistischen "Sache". Es handelt sich um Roger Degueldre, den Chef der terroristischen Aktionskommandos "Commandos Deltas"; um Albert Dovecar und Claude Piegts, die in seinem Auftrag den Polizeikommissar Gavoury getötet hatten; und Jean-Marie Bastien-Thiry, den Haupturheber des "Attentats von Petit-Clamart", bei dem die OAS Präsident de Gaulle zu ermorden versucht hatte. Alle vier waren durch die französische Justiz zum Tode verurteilt und 1962/63 in der Festung von Ivry (einem Pariser Vorort) hingerichtet worden. Um der Situation am Ende des algerischen Unabhängigkeitskrieges Herr zu werden, hatten die französischen Behörden durch Anwendung des Kriegsrechts eine Eskalation des OAS-Terrors (mit potenziell unübersehbaren politischen Folgen) eingedämmt und hart durchgegriffen.

Der oberste der vier kolonialistischen Kriminellen, Roger Degueldre, war am 6. Juli 1962 hingerichtet worden. Also an jenem Tag, der auf die Ausrufung der Unabhängigkeit Algeriens am 5. Juli 1962 folgte ­ eine angenehme Ironie der Geschichte, auch wenn man vom Prinzip her die Todesstrafe ablehnen muss. Es war der 43. Jahrestag dieses Datums, der zur geplanten Einweihung des Denkmals im Friedhof Saint-Laurent-Imbert von Marignane gewählt worden war.

Verantwortlich für die Aufstellung des Denkmals war die "Freundschaftsgesellschaft für die Verteidigung der Interessen der ehemaligen Häftlinge und politischen Exilanten der Algérie française" (ADIMAD). Die Häftlinge und politischen Exilanten, deren Exilort in aller Regel das damalige Franco-Spanien war, sind niemand anders als die ehemaligen Rechtsterroristen, die sich dem Rückzug aus Algerien widersetzt hatten. Präsident der ADIMAD ist Jean-François Collin, Kommunalparlamentarier des Front National im südfranzösischen Hyères (Côte d'Azur).

Leicht verpatzte Feier für die extreme Rechte

Doch die Einweihung des Denkmals für die ultrakolonialistischen Rechtsterroristen wurde in Paris als nicht opportun betrachtet. Ohnehin sind die Beziehungen zwischen Frankreich und Algerien im Moment angespannt, seitdem das französische Parlament am 23. Februar 2005 ein in Algier (zu Recht) als "geschichtsrevionistisch" bezeichnetes Gesetz verabschiedet. Dieses Gesetz, das auf den kolonial-nostalgischen Flügel der konservativen Rechten zurück geht, soll zukünftig LehrerInnen und ForscherInnen verpflichten, den "positiven Beitrag der französischen Präsenz in Nordafrika" in ihrem Unterricht und in ihren Arbeiten hervorzuheben. In Wirklichkeit hat die Kolonisierung, und vor allem der in Algerien praktizierte Siedlungskolonialismus, die betroffenen Länder und insbesondere Algeriens in ihrer Entwicklung weit zurückgeworfen. In der "Algérie française" herrschte ein nach konfessionellen Kategorien aufgebautes Apartheidsystem, und von 1881 bis 1944 wurde die Mehrheit der Bevölkerung durch das "Eingeborenen-Gesetzbuch" (Code de l'indégenat) regiert. Ihm zufolge konnten alle "Eingeborenen" für einen Gesetzesverstoß eines der Ihren strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, egal, wer ihn begangen hatte. Das nennt man das Prinzip der "kollektiven Verantwortung" (responsabilité collective). Die Zerschlagung der französischen Kolonialherrschaft, die von 1830 bis 1962 über Algerien regierte, war also historisch unabdingbar.

Der Minister für Kriegsveteranen, Hamlaoui Mékachera (ein ehemaliger Infanterieoffizier der französischen Armee in Algerien, der nach der Unabhängigkeit des Landes nach Frankreich ging) sprach sich gegen das Denkmal von Marignane aus. Er erklärte: "Es schockiert legitimer Weise all jene, die sich dem historischen Werk des Generals de Gaulle und dem Respekt für die Institutionen der Republik verbunden fühlen", da die OAS den früheren Präsidenten zu ermorden versuchte, und drohe neue Gräben aufzuwerfen. Der Regionalpräfekt (juristischer Vertreter des Zentralstaats bei der Region) in Marseille, Christian Frémont, erklärte sich am 21. Juni bereit, die geplante Einweihungszeremonie "zu verbieten".

Das vom Präfekten Frémont am 4. Juli ausgesprochene Verbot wurde am Abend des 5. Juli gegen 21 Uhr gerichtlich bestätigt. Deswegen konnten am nächste Vormittag die rund 400 (laut 'Libération' und dem Informationsdienst Algerie-dz.com) bis 600 (laut dem 'Nouvel Observateur' und der Webpage Afrik.com) OAS-Anhänger, Rechtsextremen und Kolonialnostalgiker den Friedhof nicht betreten, der durch die Bereitschaftspolizei CRS abgeschirmt wurde. Vielmehr mussten sie vor den verschlossenen Friedhofsgittern bleiben, mit Ausnahme des Abbé Philippe Guépin. Der katholische Kleriker durfte, allein in Begleitung seines Messdieners, am frühen Morgen eintreten und eine Messe (im Gedenken an die rechten Mörder) in der Friedhofskapelle zelebrieren. Der Abbé Philippe Guépin fungiert als "Aumônier" - eine Art Militärgeistlicher, Feldpriester - beim Cercle national des combattants (CNC, Nationaler Zirkel der Kämpfer und Veteranen). Diese Veteranenorganisation ist formell dem Front National angegliedert.

Die übrigen OAS-Sympathisanten mussten sich auf der Außenseite des Friedhofstors versammeln. Gegen 10 Uhr wurden mehrere Kränze herantransportiert, die im Namen des CNC am Denkmal niedergelegt werden sollten. Die Uniformierten im blauen Blazer der FN-Satellitenorganisation durften aber nicht hinein. Der CNC-Chef, Uralt-Veteran Roger Holeindre (Spitzname "Popeye", Mitglied im obersten Führungsgremium des Front National), hielt eine kurze Agitationsrede vor dem verschlossenen Friedhofstor: "Hätte die französische Regierung damals ihren Job verrichtet", also Algerien unter der Knute des Kolonialismus gehalten, "dann hätte es die OAS nicht zu geben brauchen".

In den darauffolgenden Tagen durften die Beteiligten dann, einzeln, ihr "persönliches Gedenken" an dem Monument verrichten.

Der Front National ist zwar dem Bürgermeister von Marignane, Daniel Simonpieri, als "Abgefallenem" eigentlich nicht richtig grün (und bei den Regional- und Bezirksparlamentswahlen 2004 hatte der FN einen Gegenkandidaten gegen Simonpieri aufgestellt). Doch zu der Denkmalseinweihung, die Simonpieris Stadtregierung zu "verdenken" ist, hatte der Front National aktiv mobilisiert. Neben dem FN-Führungsmitglied Roger Holeindre nahmen auch andere Politiker und Aktivisten des Front National wie Ronald Perdomo (Marseille, Rechtsanwalt und Regionalparlamentarier), Stéphane Durbec (Regionalparlamentarier in Marseille), Thibaut de la Tocnaye (langjähriger Aktivist und Kandidat in Avignon), Marie-France Stirbois (Witwe eines ehemaligen FN-Generalsekretärs, früher Kandidatin in Dreux westlich von Paris, jetzt in Nizza ansässig), Marie-Claude Bompard (die Ehefrau des Bürgermeister von Orange, Jacques Bompard, der1962 aktiv beim OAS-Ableger im französischen "Mutterland" mitarbeitete) und Bernard Antony (aus dem Raum Toulouse, Chef des katholischen Fundamentalistenflügels innerhalb des FN) an dem Aufzug teil. Auch Pierre Sidos, der während des Algerienkriegs die rechtsextreme Aktivistengruppe "Jeune Nation" an der französischen Heimatfront anführte, war anwesend. (Informationen laut der Homepage der FN-Jugend im Département von Toulon: fnjvar.hautetfort.com/archive/2005/07/)

Jean-Marie Le Pen höchstpersönlich hatte ein Kommuniqué geschickt, im dem vor allem von den "Verbrechen der Kommunisten" die Rede war, die jetzt "die Algerienfranzosen daran hindern wollen, ihre Toten zu ehren"; der Vorsitzende der rechtsextremen Partei war aber nicht leiblich präsent.

Proteste

Am Vorabend, dem 5. Juli hatten rund 100 Personen vor dem Rathaus von Marignane gegen die Einweihung des so genannten Denkmals demonstriert. Aufgerufen dazu hatten u.a. die Liga für Menschenrechte LDH ("Mörder zu verehren bedeutet ihre Taten zu feiern"), die Antirassismusbewegung MRAP ( "Bewegung gegen Rassismus und für Völkerfreundschaft", ehemals KP-nahe) und eine Veteranenvereinigung von Soldaten der französischen Armee aus Marokko, Algerien und Tunesien (Fnaca). Sowohl die LDH, mit ihrem Vizepräsidenten und Historiker Gilles Manceron, als auch der MRAP mit seinem Generalsekretär Mouloud Aounit waren mit Prominenten vor Ort vertreten.

Das landesweite antifaschistische Netzwerk "Ras le front", RLF (Schnauze voll vom FN) seinerzeit war am Vormittag des 6. Juli während des Auflaufs vor den Friedhofstoren präsent und versuchte zu stören. Das behauptet zumindest die o.g. Homepage der FN-Jugend im Bezirk von Toulon.

Der MRAP hat an den französischen Premierminister Dominique de Villepin appelliert, "die Denkmäler der Schande abzubauen", dabei auch auf die sonstigen Pro-Kolonial-Monumente in Südfrankreich anspielend.

Das so genannte Denkmal von Marignane ist nicht das allererste seiner Art, wenngleich von seinen Dimensionen her wohl das Aufsehen erregendste. Am 14. Juni 1980 wurde in Toulon ein Denkmal für die toten OAS-Mörder durch bürgerlich-konservative Politiker eingeweiht, unter ihnen Jean-Claude Gaudin, der heutige UMP-Bürgermeister von Marseille. Ebenfalls in der Hafenstadt Toulon, deren Rathaus von 1995 bis 2001 vom Front National regiert wurde, weihte die damals noch rechtsextreme Stadtverwaltung am 4. März 2001 ­ eine Woche vor den landesweit stattfindenden Kommunalwahlen ­ eine Kreuzung mit dem Namen des Generals Raoul Salan ein. Salan war einer vier Armeegenerälen, die 1961 von Algier aus einen Putsch gegen die gaullistische Führung und gegen den französischen Rückzug aus Algerien versuchten. Damit wurde er zu einem der "Helden" der OAS, die vor allem nach dem Scheitern des Putschs aktiv wurde.

In Théoule-sur-Mer, in der Nähe von Nizza, fand eine ähnliche Denkmalseinweihung am 1. November 2002 zum Totengedenktag statt. Am 5. Juli 2003 spielte sich eine ähnliche Szene vor 1.500 Anwesenden in Perpignan ab. Eine weitere Denkmals-Enthüllung folgte am 6. Dezember 2003 im südwestfranzösischen Béziers.

Die ultrarechte Lobby der Kolonialnostalgiker konnte zwar mit dem geschichtsrevisionistischen Gesetz vom 23. Februar 2005 einen wichtigen Erfolg verbuchen. Dennoch spricht sie heute beileibe nicht mehr im Namen aller ehemaligen Algerienfranzosen und ihrer Nachfahren. (Rund 900.000 von 1,2 Millionen Europäern verließen Algerien kurz nach der Unabhängigkeit, eher aus rassistisch aufgeladener Angst vor einem "Leben unter den Wilden" denn aus wirklichem Zwang. Zumindest der linke und der liberale Flügel der algerischen "Nationalen Befreiungsfront" FLN waren bereit, sie als vollwertige Bürger zu akzeptieren, sofern sie die Unabhängigkeit des Landes annahmen.) Vor allem seit ein bis zwei Jahren ist zu beobachten, dass eine wachsende Zahl von "Pieds Noirs" ­ so nennt man die ehemaligen Algerienfranzosen - zu Besuchsreisen nach Algerien fährt und dort in der Regel auch gut aufgenommen wird.

hagalil.com 11-07-2005

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