Pro
oder Kontra:
Dichter oder Ja’alon?
Boas Ganor, stellvertretender Dekan und Terrorexperte am
IDC Herzlia, kommentiert in Jedioth achronoth
In der letzten Zeit wurde die Öffentlichkeit mit zwei
verschiedenen Einschätzungen im Zusammenhang mit der Frage konfrontiert, ob
nach dem Rückzug aus Gaza eine dritte Intifada ausbrechen wird.
Die Einschätzungen stammen von Mosche Ja’alon
und
Awi Dichter, die beide einen
beeindruckenden Erfolg bei dem Kampf gegen den palästinensischen Terror
vorweisen können.
Wie kann es sein, dass diese beiden Männer, die sich ja auf dieselben
geheindienstlichen Informationen stützen, innerhalb von einigen Tagen zwei
derart gegensätzliche Einschätzungen präsentieren? Und wer von den beiden
hat recht?
Ja’alon, der sagt, der Rückzug könnte eine dritte Intifada auslösen,
oder Dichter, der meint, die Loslösung würde den Terror dämpfen?
Sind
die unterschiedlichen Einschätzungen das Ergebnis unterschiedlicher
politischer Meinungen? Oder liegen ihnen geheimdienstliche Informationen
zugrunde?
In gewisser Weise lassen sich beide Einschätzungen begründen.
Um dies zu verstehen, muss man zu der prinzipiellen Definition des Terrors
zurückkehren: Terror ist das Resultat der Kombination aus der Motivation,
Anschläge zu verüben, und der operativen Fähigkeit, diese Motivation
umzusetzen.
Die Anschläge lassen sich deshalb durch eine Einschränkung der Motivation
der Terrororganisationen verhindern, z.B. durch eine Feuerpause mit ihnen-
oder durch eine
Beeinträchtigung ihrer operativen Fähigkeiten, oder einen Angriff auf
ihre Führer und Infrastrukturen.
Der Faktor, der die Terroranschläge gegen Israel in den letzten Jahren
begrenzt hat, waren die geringen operativen Fähigkeiten der Organisationen,
ein Ergebnis der guten Geheimdienstinformationen Israels, der Koordination
zwischen Sicherheitsapparat und Geheimdienst und des Baus des Trennzauns.
Die Motivation der Terrororganisationen war jedoch zumindest bis zum Tod
Arafats und nach der Liquidierung Jassins und Rantissis höher als jemals
zuvor. Die Loslösung wird wahrscheinlich die Motivation, Anschläge zu
verüben, noch steigern, da der Rückzug von den Organisationen als Erfolg des
Terror dargestellt werden wird.
Aber unter den jetzigen Umständen kommt dem nur wenig
Bedeutung zu. Solange der Faktor, der Anschläge verhindert, die geringen
operativen Fähigkeiten sind, die Motivation umzusetzen, ist keine
wesentliche Veränderung in den Ausmaßen des Terrors zu erwarten. Deshalb
haben Dichter und Ja’alon in gleichem Maße recht: Denn nicht die Loslösung
wird bestimmen, ob der Terror hier ab- oder zunehmen wird, sondern ob
Abu-Masen in den kommenden Wochen etwas unternimmt oder nicht. Wenn
Abu-Masen nicht schnellstens aufwacht, wenn er nicht versteht, dass der
Terror nicht nur die Sicherheit Israels gefährdet, sondern vor allem seine
Herrschaft und vielleicht sogar sein Leben, wenn er nicht versteht, dass
solange Hamas, Jihad und die El-Aksa Brigaden ihre Waffen nicht freiwillig
niederlegen, er gegen die operativen Fähigkeiten vorgehen muss, werden die
palästinensischen Organisationen immer stärker werden.
Ihr Appetit, seine Herrschaft herauszufordern und Anschläge gegen Israel zu
verüben, wird ständig zunehmen, und die Eskalation, vor der Ja’alon gewarnt
hat, könnte dann eintreffen. Und im Gegenteil.
Bugi Ja’alon:
Lass es endlich gut sein
Bugi J’alon, der ehemalige Generalstabschef, packt aus. Er
ist sauer und behauptet, Premier Scharon habe ihn, den damaligen Chef des
Generalstabs, erst über das Loslösungsprogramm informiert, als Amerikaner
und Ägypter schon Bescheid wussten...
Avi Dichter:
Vorwärts zum Rückzug
Das Gespräch mit Dichter macht eine Reihe von
vorgefassten Meinungen zunichte. Drei Wochen nach seiner Pensionierung als
Leiter des Geheimdienstes –einen Posten, den er 5 Jahre lang innehatte-,
zeigt Dichter eine Ansicht, die sich insgesamt von derjenigen Ya'alons
unterscheidet...
Juval Diskin, der neue Chef des Schin Beth (Scherutej haBitachon,
Israels Inlandsgeheimdienst) warnte im Außen- und Verteidigungsausschuss der
Kneseth vor einem "jüdischen Terrorismus, der sich gegen den geplanten
Gaza-Rückzug formieren könnte". Israel müsse nun das demokratische Recht auf
Protest bewahren, aber gleichzeitig jede Entstehung eines jüdischen
Terrorismus verhindern, so Diskin.
Aus dem Medienspiegel der Deutschen Botschaft Tel Aviv
hagalil.com 08-07-2005 |