Warschau:
Parade der Verbotenen
Warschaus
Schwulen-und-Lesben-Bewegung ließ sich nicht vom Verbot der "Parade
der Gleichheit" abhalten. Am Samstag feierten tausende ihren CSD.
Ein Erfolg - trotz rechtsextremistischer Attacken
Aus Warschau Gabriele Lesser
Als die ersten Eier fliegen, lachen die Warschauer
Schwulen, Lesben und ihre Freunde noch. Sie spannen bunte
Regenschirme auf und skandieren gut gelaunt "Kaczor-Jugend!
Hitler-Jugend". Die Polizei hat einen engen Schutzring um sie
gezogen. "Kaczor" - "Enterich" ist der Spitzname des Warschauer
Oberbürgermeisters Lech Kaczynski, der die "Parade der Gleichheit"
verboten hat. Rund viertausend Demonstranten ließen sich davon
jedoch nicht abhalten und gingen am Samstag auf die Straße.
Die meist kahl geschorenen jungen Männer von der rechtsradikalen
"Allpolnischen Jugend" und Kaczynskis Parteijugend "Junges Forum
Recht und Gerechtigkeit" skandierten Parolen wie "Mörder,
Kinderschänder, Abartige". Für sie steht die Ehre Polens auf dem
Spiel. Kurz vor dem Ende der Parade flogen vor dem Warschauer
Kulturpalast die ersten Steine. Drei Verletzte müssten ins
Krankenhaus gebracht werden. Die Polizei verhaftete rund zwanzig
Rädelsführer.
Statt sich über den glimpflichen Ausgang der Rechtsradikalenattacke
zu freuen, kritisierte Warschaus Oberbürgermeister Lech Kaczynski am
Samstagabend die Verhaftung der Steinewerfer. Die Polizei hätte die
von ihm verbotene "Parade der Gleichheit" beschützt, zugleich aber
die ebenfalls illegale Gegendemonstration der Allpolnischen Jugend
attackiert. Es dürfe nicht sein, dass die Polizei die einen
Demonstranten schütze, die anderen aber in Handschellen abführen.
Die Steine-Attacke ist für Kaczynski der "Zusammenstoß der Kultur
einer normalen Gesellschaft, die natürlich ihre Fehler hat, mit
einer Kultur, in der absolut alles erlaubt ist". Als
Oberbürgermeister sei er empört darüber, dass sich
Regierungsmitglieder wie die stellvertretende Premierministerin
Izabela Jaruga-Nowacka über sein Verbot hinweggesetzt hätten und an
der Spitze der illegalen Parade mitgelaufen seien. Ebenso im Übrigen
wie ausländische Politiker und Menschenrechtler, darunter Volker
Beck und Claudia Roth von den Grünen. Roth kritisierte vor allem den
Einsatz der Polizei. Diese hätte die Demonstranten zu wenig
geschützt und sei zu spät gegen Eier- und Steinewerfer vorgegangen.
Der CSD hatte im christlich-traditionellen Polen eine heftige
Debatte ausgelöst. Gegner der Parade sprachen Homosexuellen das
Recht ab, sich öffentlich zu zeigen, und forderten ein Verbot der
Warschauer Gleichheitsparade, weil sie eine Provokation der
heterosexuellen Mehrheit darstellte. In Polens katholischer
Gesellschaft ist Sex ein Dauerthema. Was ist erlaubt, was verboten?
Die Kirche hat noch immer ein wichtiges Wort mitzureden. "Sünde" ist
demnach nicht nur Verhütung mit Pille und Kondom, sondern erst recht
Schwulen- und Lesbensex. Die einzige Opfergruppe, die zum 60.
Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz nicht eingeladen wurde,
waren die Häftlinge mit dem rosa Winkel.
Unlängst wies ein polnisches Gericht sogar die Beleidigungsklage
eines Schwulen zurück, da die meisten Polen die Worte
"Kinderschänder" und "Schwuler" angeblich nicht auseinander halten
könnten und sie für sie bedeutungsgleich seien. Ausgerechnet die
liberale Gazeta Wyborcza räumte aber wiederum dem Priester Dariusz
Oko Platz für seinen Hassartikel ein, Titel: "Zehn Gegenargumente.
Warum für den gesunden Menschenverstand Homosexualität nicht zu
akzeptieren ist". Dies brachte das Fass zum Überlaufen. Es hagelte
Proteste. Eine Umfrage zeigte, dass die Warschauer viel toleranter
sind als ihr Oberbürgermeister. Möglicherweise ist das auch auf die
einflussreiche Hauptstadtzeitung Zycie Warszawy (Leben Warschaus)
zurückzuführen, die sich von Anbeginn für das Rechte der Schwulen
und Lesben auf ihre Parade stark machte.
Die Organisatoren waren dennoch zufrieden mit dem Verlauf der
Parade. "Es sind ein paar tausend Leute gekommen, obwohl die
Demonstration verboten war. Von uns war niemand aggressiv oder
ordinär", sagte Hagen Eichhorn vom Vorstand der Warschauer "Stiftung
Gleichheit". Das sei ein guter Start.
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14-06-2005 |