NGO-Aktivitäten:
Reiseunternehmen im Dienst der Propaganda
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem
Im Nahen Osten laufen Email-Briefkästen schnell über.
Vor Allem "Nicht-Regierungs-Organisationen", so genannte NGO's, biedern sich
bei Botschaften und Journalisten an, ihre politischen Belange unter die
Menschheit zu streuen. Alle halten sich für "Friedensaktivisten". Ihr
Beitrag zur Konfliktlösung besteht vor Allem im Anschwärzen des Feindes oder
der eigenen Seite.
Frauen in Schwarz sehen das Heil Israels im Ende der
israelischen Besatzung. Frauen in Grün suchen die Erlösung mit noch mehr
Siedlungen. Al Awda propagiert das palästinensische Recht auf Rückkehr und
stellt Israels Existenzrecht in Frage. IMRA hinterfragt, ob die
Palästinenser ein Volk sind und ein Anrecht auf einen "Terrorstaat" haben.
Hoch im Kurs stehen die Menschenrechte. Jeder interpretiert sie, wie sie ihm
in den politischen Kram passen. Es werden jede Menge Erlebnistouren
angeboten. Für 50 Dollar kann man sich im gepanzerten Bus zu den
Rückzugsgegnern im Gazastreifen kutschieren lassen. "Schuvi" (Komm zurück)
bietet kostenlos die gleiche Tour zu Rückzugswilligen.
ICAHD, das "Israelische Komitee gegen Hauszerstörungen",
lud zu einem Spaziergang in Jerusalems Davidstadt ein. Wo vor dreitausend
Jahren König David die Stadt eroberte und "besetzte", erzählt der
linksgerichtete israelische Anthropologe Jeff Halper, wie rechtsgerichtete
Juden den "seit Jahrhunderten" hier lebenden Palästinensern die Häuser
abknüpfen. Hat einer eine Terrasse angebaut, informieren sie die
Stadtverwaltung. Dem Palästinenser wird der Anbau und das halbe Haus
abgerissen, oder aber die Siedler bieten sich an, die überhöhte Strafgebühr
zu begleichen und dafür das Haus einzukassieren.
Vor einem palästinensischen Garagentor mit demonstrativ
aufgemalter Kaaba von Mekka stehend zeigt Halper mit Abscheu "demonstrativ
aufgepflanzte" israelische Flaggen an jüdischen Siedlerhäusern. Fünfzig
Diplomaten und Journalisten aus aller Welt nicken erschüttert, darunter auch
die Chefs der deutschen und österreichischen Mission in Ramallah. "Das ist
für mich natürlich ein Privatausflug", sagt der Diplomat in Schlips und
Anzug, nachdem er seinem chromblitzenden gepanzerten Jeep entstiegen war. Im
israelisch annektierten Ostteil Jerusalems darf er keine offizielle Funktion
wahrnehmen.
Mit schwerem amerikanischen Akzent empört sich Jeff Halper
über die jüdischen Siedler in Silwan, "zumal viele aus New Jersey stammen".
Ohne den frisch entdeckten Siloah-Teich auch nur eines Blickes zu würdigen,
von König Herodes ausgebaut und wo der jüdische Jesus ein Wunder tat,
beklagt Halper den "politisch motivierten" Plan Scharons, 88 Häuser im
"Bustan" zu zerstören, 1000 Palästinenser rauszuwerfen und Jerusalem zu
"judaisieren". Scharon wolle eine durchgehende "Siedlungskette" zu einer
Großsiedlung vor Jerusalem zu schaffen.
Eifrig notieren japanische und koreanische Reporter das
neue Siedlungskonzept. Dass das "Bustan"-Viertel, arabisch für Garten, erst
in den achtziger Jahren in einer bewaldeten Oase entstand, exakt an der
Stelle des vom biblischen Propheten Nehemia (3,15) erwähnten "Gartens des
Königs" wurde unterschlagen. Kritische Fragen sind bei derartigen
Veranstaltungen "politisch nicht korrekt".
Ganz spontan und "in letzter Minute geplant" endet die
Tour der israelischen Nicht-Regierungs-Organisation, die auf das
unmoralische Verhalten ihrer Regierung hinweisen will, bei einer
Demonstration palästinensischer Kinder. Jedes hält ein Pappschild mit der
Nummer seines zur Zerstörung bestimmten Hauses. In einem grünen Festzelt mit
fünfzig Plastikhockern stehen schon Kannen mit arabischem Kaffee bereit (den
allerdings niemand ausschenkt). Und wie der Zufall so will, wartet die
palästinensische Ministerin für Jerusalem-Angelegenheiten, Hind Khouri, auf
die Gäste der israelischen Menschenrechtler. Die Politikerin im schwarzen
Kostüm mit knallroter Jacke hebt an: "Wir, die palästinensische Regierung,
können in Jerusalem nicht aktiv werden, solange wir nicht zu unserem Recht
gekommen sind in unserer Hauptstadt."
Ob denn eine Pressekonferenz keine "Aktivität" sei?
Irritiert redet sie weiter von palästinensischen Wurzeln in Silwan, vor 150
Jahren gegründet. Ob denn jemenitische Juden, Mitte des 19. Jahrhundert
eingewandert, aus ihrer Sicht "Palästinenser" seien? Khouri, in Jerusalem
geboren, wusste nicht, dass Juden 1882 zu Fuß vom Jemen nach Jerusalem kamen
und "Harat al-Yaman", das heutige Silwan, gründeten. 1938 wurden diese Juden
gewaltsam von palästinensischen Arabern vertrieben. Khouri verzweifelt:
"Wollen Sie etwa unsere angestammten Rechte absprechen?"
Salah Zuheika, "PLO-Chef in Jerusalem", wie ihn Halper
stolz vorstellt, ergreift das Wort: "Israel will die Bewohner des Bustan
entwurzeln. Das ist ethnische Säuberung, Deportation, Transfer." Ein
israelischer Reporter schmunzelt: "Zuheika sollte sich als Sprecher der
Siedler in Gaza bewerben. Die verwenden exakt die gleichen Worte..." Auch
Zuheikas Behauptung, im Bustan stünden "hundert Jahre alte Häuser", ist
Propaganda. In jenem "Garten des Königs" standen auf einer Luftaufnahme aus
den sechziger Jahren nur Bäume und kein einziges Haus. Jerusalems
Stadtverwaltung hat den Bustan 1977 zur "Grünfläche" bestimmt. Wie der
Zufall so will, siedelten die Palästinenser erst danach im biblischen
Garten. Ein palästinensischer Bustan-Siedler, Jumad, prophezeit: "Falls die
Israelis eintausend Palästinenser aus dem Bustan deportieren, wird es
eintausend Selbstmordattentäter geben."
Ein Schweizer Journalist kommentiert befremdet: "Wenn sich
eine israelische Nicht-Regierungs-Organisation von der palästinensischen
Regierung einspannen lässt, verliert sie jegliche Glaubwürdigkeit."
© Ulrich Sahm/haGalil.com
hagalil.com 06-06-2005 |