Gudenus, Freunschlag und Kampl:
Wohlfühlen im braunen Sumpf
Von Bernhard Torsch
Ich hege persönliche Zweifel daran, dass irgendetwas
Holocaustrelativierer weißer waschen könnte als eine weisungsgebundene
Staatsanwaltschaft unter dem Kommando einer als Justizministerin
fungierenden Kärntner Wasserrechtsexpertin. Bundesrat John Gudenus weiß das
auch. Er hat "eigentlich erwartet", dass man das Verfahren gegen ihn
einstellen würde.
Nun, da das Erwartete wie erwartet eingetroffen ist und
die Staatsanwaltschaft Wien ihm offiziell attestiert, nicht die Existenz von
Gaskammern geleugnet, sondern bloß völlig straffreie "persönliche Zweifel"
daran angemeldet zu haben, fühlt sich der Offizier des österreichischen
Bundesheeres ermutigt und räumt in einem Interview mit dem "standard"
jegliche persönliche Zweifel, die man an der Farbe seiner Gesinnung hegen
könnte, aus. "Es gab Gaskammern, aber nicht im Dritten Reich, sondern in
Polen".
Leider steht zu bezweifeln, dass diese offene Leugnung von
NS-Gaskammern strafrechtliche Konsequenzen haben wird. Wir leben schließlich
in Österreich und schreiben das Jahr 2005. Seit fünf Jahren regiert
Bundeskanzler Schüssel mit der Partei der Gudenuse, Kampls und Freunschlags.
Dass Gudenus im April zum Austritt aus der FPÖ bewogen wurde, zählt
angesichts der bizarren Metamorphosen dieser Gruppierung, die sich kürzlich
in zwei Parteien aufgespalten hat, nicht viel. Ob FPÖ oder BZÖ: Diese Leute
können und wollen nicht verleugnen, dass sie aus dem Naziauffangbecken VDU
herausgekrochen sind.
So wie Herr Gudenus sich auf die Justiz verlassen kann,
kann der freiheitliche Präsident des Kärntner Landtages, Jörg Freunschlag,
auf die Abgestumpftheit der Medien und die Großherzigkeit der politischen
Konkurrenz zählen. Der Mann mag mit dem Satz "die größten Verlierer der
NS-Herrschaft waren die schlagenden Burschenschaften" Millionen Nazi-Opfer
verhöhnt haben, Konsequenzen braucht er nicht zu fürchten. "Er hat sich ja
entschuldigt", liest man sogar in Zeitungskommentaren, als sei diese von
Jörg Haider stets erfolgreich angewandte Vorgehensweise, zunächst
Unsägliches zu sagen, um dann, nachdem das Tabu erfolgreich gebrochen wurde,
augenzwinkernd den Rückzug anzutreten, außerhalb von Kindergärten
akzeptabel.
Dass Politik und Medien das dumme Geschwätz des Gurker
Bürgermeisters Siegfried Kampl, wonach Wehrmachtsdeserteure
"Kameradenmörder" gewesen seien und es nach dem Zweiten Weltkrieg eine
"Naziverfolgung" gegeben hätte, zur Staatsaffäre machen und die perfide
Leugnung des NS-Massenmordes, den der Satz von Freunschlag beinhaltet, zur
Nebensache erklären, lässt nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder ist man
nicht in der Lage, Naziverharmlosung zu erkennen, wenn man sie sieht, oder
man verhält sich berechnend, da man weiß, dass Jörg Haider einen Freunschlag
im Gegensatz zu einem Kampl niemals fallen lassen und eher die Koalition in
Wien sprengen würde, als seinen persönlichen Freund zu opfern.
Die Kärntner Grünen und die ÖVP haben sich bereits mit
Freunschlags "Entschuldigung" abspeisen lassen, die Sozialdemokraten, die,
was in Kärnten doch überrascht, ein bisschen konsequenter waren, werden nach
der Erklärung des Landtagspräsidenten, zu einem natürlich von ihm selbst zu
bestimmenden Zeitpunkt zurücktreten zu wollen, die Sache ebenfalls auf sich
beruhen lassen. Ist ja alles wieder gut, wir haben es ja alle nicht so
gemeint, trinken wir halt ein Bier zusammen bei der nächsten Vollversammlung
des Kärntner Heimatdienstes. Kärnten, mach Urlaub bei Freunderln!
Dank Gudenus, Freunschlag und Kampl weiß man wenigstens,
was Österreich im "Gedenkjahr" 2005 so denkt, wessen da gedacht wird und was
unsere Spitzenexemplare der politischen Klasse darüber denken. Es ist
traurig. Das gesamte Elend der österreichischen Beziehung zur
Nazivergangenheit ist in Stein gemeißelt am Klagenfurter Domplatz zu
besichtigen. Dort steht ein Marmorbrocken, auf dem man lesen kann: "Zum
Gedenken an die von den Partisanen ermordeten Kinder". Hier hat man den
Widerstandskämpfern gegen die tatsächlich kindermordenden Nazis einfach die
Verbrechen, die sie verhindern oder zumindest rächen wollten, in die Schuhe
geschoben. Die Opfer und die Bekämpfer der Täter werden zu Verbrechern
gemacht, damit die wahren Verbrecher und deren Kinder nachts ruhig schlafen
können. Das ist an Verschlagenheit und Perfidie nicht mehr zu übertreffen.
Gedenksteine dieser Art findet man in Klagenfurt im Zentrum, das Mahnmal für
die Opfer des Faschismus wurde in den Friedhof am Stadtrand verbannt. Das
ist nicht nur in Kärnten so.
Der niemals trocken gelegte braune Sumpf hat im ganzen
Land überdauert, ja er breitet sich wieder aus, und die Österreicher und
ihre Politiker fühlen sich darin ungemein wohl. Sonst würden sie etwas
Substanzielles gegen Gudenus und Freunschlag unternehmen. Eine
Strafverfolgung von Gudenus, der diesmal objektiv die Existenz von
Gaskammern in Diensten der Nazis nicht persönlich angezweifelt, sondern in
Abrede gestellt hat, wäre ein guter Anfang.
hagalil.com 09-06-2005 |