NPD und DVU:
Die braune Schar
Trotz der Niederlagen in den letzten
beiden Landtagswahlen und der Rivalität der beiden Parteien um die
Führungsrolle wollen die NPD und die DVU mit einer offenen Liste zur
Bundestagswahl antreten.
Von Arne Norden
Jungle World 23 v.
08.06.2005
Nicht nur die SPD und die Grünen nahmen die Ankündigung
vorgezogener Bundestagswahlen zum Anlass, um von ihrer schweren Niederlage
bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen abzulenken. Auch die extreme
Rechte ist bemüht, ihr Wahldebakel vergessen zu machen. Unisono begrüßen die
NPD, die DVU und die Republikaner die Neuwahlen mit Häme und
völkisch-nationaler "Systemkritik".
Besonders die NPD war in Nordrhein-Westfalen, im bevölkerungsreichsten
Bundesland, mit großen Erwartungen angetreten. Sie wollte an ihre Erfolge
bei den Landtagswahlen vom September 2004 im Saarland, wo sie vier Prozent
der Stimmen erhielt, und in Sachsen, wo sie 9,2 Prozent errang, anschließen.
Sie erhielt schließlich aber nur 73 000 Stimmen und blieb unter einem
Prozent. Wie zuvor bei der Wahl in Schleswig-Holstein im Februar brachte der
Verzicht der DVU auf eine Kandidatur nicht den erhofften Erfolg für die NPD.
Bei der Bundestagswahl will die NPD diesen Rückschlag wettmachen. Ihr
"Bundeswahlkampfleiter" Peter Marx erhob die Teilnahme zur "obersten
Priorität für die Gesamtpartei". Die NPD will sowohl Landeslisten als auch
Direktkandidaten aufstellen. Die Nominierung der Kandidaten dürfte
angesichts von 299 Wahlkreisen ein schwer zu bewerkstelligendes Vorhaben für
die Partei werden, die bundesweit etwa 5 300 Mitglieder hat. Auch finanziell
ist die NPD nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen gebeutelt, da sie den
Anspruch auf Wahlkampfkostenerstattung knapp verfehlte.
Am Konzept eines völkischen Sammelbeckens (Jungle World 2/05) hält die NPD
dennoch fest. Die "Volksfront der Nationalen mit NPD, DVU und
parteiungebunden Kräften" habe sich zu einer "deutschen Volksbewegung"
entwickelt und werde weiteren Zulauf erhalten, glaubt ihr Pressesprecher,
Klaus Beier. Der Parteivorsitzende, Udo Voigt, beansprucht die
Schirmherrschaft der NPD über das "nationale Lager", eine Führungsrolle, die
ihr derzeit vor allem von der DVU zugestanden wird.
Von ihr heißt es, der "Deutschland-Pakt" mit der NPD werde durch die
Neuwahlen nicht berührt. Auf ihrer Internetseite verkündet der Vorsitzende
Gerhard Frey, man wolle mithilfe der "Hochburgen beider Parteien vor allem
im Osten" in die Parlamente einziehen. Die Abmachung mit der NPD sehe vor,
dass diese zur Bundestagswahl kandidiere, während die DVU zur nächsten
Europawahl antrete. Für die NPD sollen 15 Kandidaten der DVU oder ihr nahe
stehende Personen aufgestellt werden (darunter Frey selbst), während im
Gegenzug Mitglieder der NPD für die DVU antreten sollen. Möglich wären diese
Kandidaturen auf offenen Listen.
In diesem Gespann läuft vor allem die DVU Gefahr, von der agileren NPD
dominiert zu werden, zumal diese bereits begonnen hat, in Brandenburg, der
Hochburg der DVU, lokale Gruppen zu gründen. Innenminister Jörg Schönbohm
(CDU) zufolge versucht die NPD in Brandenburg inzwischen, die DVU "zu
überflügeln". Im Unterschied zur NPD fehlt der DVU auch der Anschluss ans
Kameradschaftsspektrum.
Auf eine substanzielle Erweiterung der braunen "Volksfront" deutet derzeit
wenig hin. Die Republikaner wollen die ihnen zugedachte Rolle als Dritte im
Bunde weiterhin nicht spielen. Dafür müssen sie sich Vorwürfe gefallen
lassen. So sei nicht zuletzt die Kandidatur der "vom Ausgrenzungswahn
besessenen Republikaner" verantwortlich für das schlechte Ergebnis der NPD
in Nordrhein-Westfalen, heißt es auf der Homepage der NPD. Die
National-Zeitung schreibt vom "Harakiri-Gegenantritt der Rep". Trotzdem
bleibe "unsere Hand offen, um die wieder einmal enttäuschten Republikaner
endlich zu einer Zusammenarbeit mit der ganzen nationalen Volksfront bewegen
zu können", meint der NPD-Vorsitzende von Baden-Württemberg, Janus Nowak.
Peter Marx hofft sogar darauf, dass die Reps diesmal nicht antreten; er bot
an, im Gegenzug bei einigen Landtagswahlen auf eine Teilnahme der NPD zu
verzichten.
Bislang blieben diese Offerten unerhört. Der Vorsitzende der Republikaner,
Rolf Schlierer, sieht die Stunde seiner Partei erst nach einem Wahlsieg der
CDU/CSU herannahen, wenn die "Wechseleuphorie" verflogen sei. Obwohl die
Reps ihre Niederlage in Nordrhein-Westfalen als einen Rückschlag ansehen,
wollen sie an den Bundestagswahlen teilnehmen.
Von einer Teilnahme der Republikaner am Volksfrontprojekt kann derzeit also
keine Rede sein. Die Strategie der NPD zielt auch eher darauf, deren
"nationalen, volkstreuen Flügel" abzuwerben und sich als stärkste Kraft
durchzusetzen. Die NPD ahnt, dass ihre Erfolgsgeschichte schnell enden
könnte. Ohne weitere spektakuläre Erfolge droht sie aus der öffentlichen
Wahrnehmung zu verschwinden. Die aber braucht sie, um ihre Parolen gegen den
rot-grünen "Politkompost" und die christdemokratischen "Steigbügelhalter des
Kapitals und der multikulturellen Globalisierung" wirkungsvoll zu
verbreiten.
Der Lagerwahlkampf zwischen den großen Parteien bringt die NPD in
Bedrängnis, denn für die Ablösung der Regierungskoalition durch die CDU/FDP
ist das rechtsextreme Bündnis eher schädlich. Die sich formierende
Zusammenarbeit zwischen der PDS und der Wasg verringert zudem die Aussicht
auf "Proteststimmen" von Hartz-IV-Gegnern.
So kann die NPD nur auf polarisierende Wahlkampfthemen der großen Parteien
hoffen, die ihr eine Wirkung jenseits rechtsextremer Überzeugungswähler
erlauben. Auf diese ist sie ohnehin stärker denn je angewiesen, seitdem sie
sich für die Kameradschaftsszene geöffnet hat. Das Image der NPD hat nicht
zuletzt durch den missglückten Aufmarsch am 8. Mai in Berlin gelitten.
Die Partei spekuliert aber auch noch auf eine andere Möglichkeit. Sie will
in Sachsen drei Direktmandate erringen, um die Fünfprozenthürde zu umgehen.
Vorbild für diesen Plan ist die PDS, der 1994 der Einzug in den Bundestag
mit vier Direktmandaten in Ost-Berlin gelang. Peter Marx geht davon aus,
dass die Partei drei Prozent der Zweitstimmen gewinnt, so dass sie mit 18
Abgeordneten ins Parlament einziehen könnte, wenn sie mindestens drei
Direktmandate erhielte. Ihre Hochburgen hat die Partei vor allem in den
sächsischen Grenzregionenund in der Sächsischen Schweiz. In manchen
Wahlkreisen erhielt sie dort 20 bis 25 Prozent der Stimmen.
hagalil.com 10-06-2005 |