Speer und Er:
Ein Meister der Verdrängung
Von Stefan Reinecke
Es gibt in dem viereinhalbstündigen Film "Speer
und Er" eine kleine Schlüsselszene. Sie spielt im Gerichtssaal in
Nürnberg. Den Angeklagten werden Bilder aus KZ gezeigt: Albert Speer
(von Sebastian Koch etwas zu glatt gespielt) weint, hemmungslos und
aufrichtig erschüttert. So aufrichtig wie dies jemand tun kann, der
zuvor den Bau der Krematorien in Auschwitz bewilligt hatte. Die
Deutschen waren nach 1945 Verdrängungskünstler - niemand beherrschte
diese Disziplin so perfekt wie Speer.
"Speer und Er" ist ein solider Film. Breloer verwebt gewohnt elegant
Spiel- und Dokumentarszenen. Ein "Meilenstein", eine Offenbarung,
wie Frank Schirrmacher in der FAZ leicht delirierend schrieb, ist
dieser Film nicht. Der angestrengt hohe Ton, mit dem "Speer und Er"
zu einem nationalen, staatsbürgerlichen Erbauungsprojekt stilisiert
wird, ist Teil des Problems, als dessen Lösung Breloer empfohlen
wird.
Der erste Teil macht uns mit Speers Aufstieg und seiner Beziehung zu
Hitler bekannt. Der zweite und dichteste zeigt, was Speer im
NS-System tat, der dritte und schwächste Speers Haft in Spandau. In
den Spielfilmszenen rückt Speers Beziehung zu Hitler ins Zentrum.
Das glückt, weil Tobias Moretti etwas Unwahrscheinliches gelingt. Er
spielt Hitler nicht als brüllendes Monster, nicht als Karikatur,
sondern leicht entrückt, wie jemand, bei dem nie zu ahnen ist, wann
das Sentimentale ins Brutale kippt. Diese Szenen sind das
Kraftzentrum des Films. Darin schimmert durchaus die Legende vom
faustischen Pakt, den Speer mit Hitler einging. Breloer inszeniert
diese Legende - und bricht sie an der erdrückenden historischen
Beweislast. Dass Breloer dafür keine Bilder findet, die ähnlich
wuchtig wären wie die Moretti/Koch-Szenen, liegt nicht an einem
Mangel an filmischer Fantasie. Es liegt am Genre der Biografie, in
dem die Erzählung stets an die Perspektive des Porträtierten
gekoppelt bleibt.
"Speer und Er" hat eine paar Längen und einige berührende
dokumentarische Szenen. Im Gedächtnis bleibt das beherrschte Gesicht
von Hilde Schramm, der Tochter, die kaum glauben kann, dass ihr
Vater ganz profan von Arisierungen profitierte. Darin spiegelt sich
das Drama der Kinder, die allen Mühen zum Trotz die ganze Wahrheit
nicht ertragen können und noch mit 70 Jahren den Vater schützen
wollen. Im Gedächtnis bleibt das Lachen von Albert Speer jr.,
Architekt wie sein Vater. Ein Lachen, das entsteht, wenn ohnehin
nichts mehr zu retten ist.
"Speer und Er" zeigt die ARD am 9., 11. und 12.
Mai jeweils um 20.15 Uhr. Am 12. Mai sendet die ARD außerdem um 23
Uhr die Dokumentation "Nachspiel - Die Täuschung"
320.000.000.000 Dollar:
Geraubtes
jüdisches Eigentum
In der Studie wird festgestellt, dass in der Nazizeit etwa 9
Millionen Juden ihr Eigentum verloren hätten. Allein das geraubte
Gold wird mit 2 Milliarden Dollar beziffert...
Breloer-Dreiteiler in der ARD:
'Entlastungs-Nazi' Speer
wird enttarnt
Hitlers ehemaliger Rüstungsminister Albert Speer geht
in seiner Nürnberger Zelle auf und ab. Er liest, was die Ankläger im
Kriegsverbrecherprozess ihm vorwerfen...
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09-05-2005 |