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Die Protestaktionen der Gegner des Gaza-Räumungsplans werden immer umfangreicher. Gestern wurden nach landesweiten Straßenblockaden fast 500 Demonstranten festgenommen. Die 40 wichtigsten Straßenkreuzungen Israels waren mit brennenden Reifen blockiert worden.
Neun Rechtsextremisten wurden festgenommen, nachdem sie versucht hatten panzerbrechende Raketen und Granaten für den Beschuss der Jerusalemer El-Aksa-Moschee, dem dritthöchsten Heiligtum des Islams zu kaufen.

Abzug aus Gaza:
Erschießt nicht den Croupier!

Uri Avnery

Als einer anständigen Person erwartet man von mir, dass ich mit den Siedlern von Gush Kativ Mitleid empfinde, dass ich sie umarme und ihr Leid mich zu Tränen rühre. Und, ja, es gibt tatsächlich Gründe für Mitgefühl. Es ist nicht einfach, wenn Menschen aus ihrer Umgebung, in der sie seit Jahrzehnten gelebt haben, herausgerissen werden.

Es ist traurig, wenn Leute mittleren Alters gezwungen sind, ihr Leben neu zu ordnen. Wenn Kinder, die an einem Ort geboren wurden, gezwungen werden, in Schulen anderer Orte zu wechseln. Wenn Leute mit blühenden, außerordentlich großzügig subventionierten Geschäften sich an einem neuen Arbeitsplatz einrichten müssen.

Mitgefühl ja, aber Mitleid im eigentlichen Sinne kann ich nicht empfinden, wenn die Siedler immer wieder vom Trauma sprechen.

Zunächst einmal ist es eine Sache der Proportion. Ich selbst habe solch ein Trauma erfahren. Und mit mir Millionen anderer Immigranten, die in den letzten Hundert Jahren in dieses Land gekommen sind – Immigranten aus Russland, Polen, Deutschland, den arabischen Ländern, der früheren Sowjetunion. Sie alle haben diese Erfahrung gemacht – und die meisten unter viel, viel schwierigeren Bedingungen.

Mein Vater war 45 Jahre alt, als er mit seiner 39 Jahre alten Frau und vier Kindern aus Deutschland floh. Sie wurden von ihren Familien und Freunden abgeschnitten, siedelten sich in einem weit entfernten Land an, mussten sich an eine andere Sprache, eine fremde Landschaft, ein sehr unterschiedliches Klima, an eine andere Kultur, eine andere Gesellschaft, andere Sitten und Gebräuche gewöhnen. Keiner gab ihnen einen Cent, weder als Kompensation noch als Unterstützung. Beide, Vater und Mutter, waren in ihrer Heimat wohlsituierte Leute. Hier mussten sie uns mit schwerer körperlicher Arbeit, an die sie nicht gewöhnt waren, durchbringen. Wir lebten in tiefster Armut.

Im Vergleich dazu, stellt sich das "grauenhafte Leiden" der Siedler wie ein Picknick dar. Die herzzerreißenden Schreie vom "Herausreißen, vom Entwurzeln von Juden im Lande Israel" sind verlogene Slogans. Nehmen wir mal an, dass Gush Kativ tatsächlich ein Teil von Eretz Israel ist - was ja nicht unumstritten ist, dann liegen doch die Orte, in die sie umziehen sollen, innerhalb des modernen Staates Israel. Ashkalon ist eine israelische Stadt, auch Ashdod und Tel Aviv. Die Weiten Galiläas und des Negev rufen sie – es gibt keine israelischeren Landschaften als diese.

Wenn man ihre erschütternden Appelle hört, könnte man meinen, man wolle sie in entlegene Länder jenseits der Berge der Finsternis verbannen. Aber die Entfernung von der bald zu evakuierenden Westbanksiedlung Ganim zur israelischen Stadt Afula ist wie die zwischen Manhattan und Queens, beide in New York City. Die Entfernung zwischen Berlin und Hamburg ist um ein vielfaches größer, ebenso die Entfernung von Liverpool nach London. Wie viele Leute machen jedes Jahr solch einen Umzug?

Vielleicht ist es nicht schön, vielleicht aber notwendig, daran zu erinnern, dass die heutigen Siedler diese Entfernungen schon einmal mit Freude und Begeisterung überwunden haben, als sie Herzlia, Jerusalem, Beit Alpha und andere Orte verließen, um in die Siedlungen zu gehen.

"Juden vertreiben Juden!", plakatieren die Siedler im ganzen Land. Sie werden nicht müde den Zuschauern der talkshows einzuhämmern, "in keinem demokratischen Land werden Bürger gezwungen, ihre Häuser zu verlassen".
Stimmt das denn?

Wie viele Dörfer wurden in Ägypten umgesiedelt, um den Assuan-Damm zu bauen? Nun gut - Ägypten ist keine Demokratie. Aber wie viele Städte und Dörfer mussten in den demokratischen USA für den Tennessee-Damm Platz machen? Jede Regierung verlegt Stadt- und Dorfgemeinden, wenn es das öffentliche Interesse verlangt.

Was mich aber ganz besonders stört an dieser Kampagne, ist die Heuchelei. Die Selbstgerechtigkeit.
Jeder Siedler, ohne Ausnahme, wusste, dass er oder sie in ein Gebiet ziehen, das erobert wurde, das aber niemals von Israel annektiert wurde (wenn man von Jerusalem und den Golanhöhen absieht). Ein Gebiet, in dem ein anderes Volk lebt. Mit der Niederlassung in diesem Gebiet hat jeder ein Risiko auf sich genommen. Es war ein Abenteuer, ein Spiel.
Deshalb weisen Anwälte der Regierung im Obersten Gerichtshof heute darauf hin, dass jeder Kauf- oder Pachtvertrag von Land in den besetzten Gebieten eine Klausel enthielt, die explizit feststellte, dass der Vertrag provisorisch sei. Es ist selbstverständlich: Nach Internationalem Recht hält Israel diese Gebiete mit einer "kriegerischen Besatzung" besetzt. Diese Besatzung ist als vorübergehend definiert. Sie kann nur so lange bestehen, wie die Militärherrschaft. Wenn der Frieden kommt, verschwindet die Militärherrschaft mit all ihren Gesetzen und Entscheidungen.

Was nun die Siedler betrifft, so sind sie alle im Gazastreifen und in der Westbank wie in einem großen Las Vegas. Sie können nicht sagen, dass sie nicht vorgewarnt waren: meine Freunde und ich sagten es ihnen von Anfang der Besatzung an - in der Knesset und in den Medien.

Für viele, die kamen, und denen es um "Lebensqualität" ging, war es eine sehr attraktive Wette. Junge Paare, ohne Mittel, um ein Haus in Israel zu erwerben, konnten eine Traumvilla auf ihrem "eigenen" Stück Land in den "Gebieten" bauen, fast ohne Kapitalanlage oder mit einer Summe, die für zwei Zimmer in einem israelischen Slum kaum genug gewesen wäre. Alles war fast umsonst: großzügige Infrastruktur, geräumige Gärten für die Kinder, wunderschöne Landschaft (mit Blick auf malerische arabische Dörfer oder das Meer). Lebensqualität!

Unternehmer, die nicht das Geld hatten, sich in Israel ein Geschäft aufzubauen, konnten dies in Gush Kativ tun. Es gab genug Land für Gewächshäuser. Palästinensische Arbeiter, die für einen Hungerlohn schufteten, weil ihnen die Besatzung alle anderen Möglichkeiten, einen Lebensunterhalt für ihre Familien zu verdienen, abgeblockt hatte. Später wurden Thai-Gastarbeiter aus dem Ausland importiert, die bereit sind, 12 Stunden am Tag für niedrigen Lohn zu arbeiten. Da das israelische Gesetz in Gush Kativ nicht gilt, gab es auch den "Unsinn" von Mindestlöhnen, jährlichem Urlaub, Krankengeld und Entlassungsabfindungen nicht.

Es ist wunderbar, israelischer Patriot an einem Ort zu sein, an dem die israelischen Gesetze keine Gültigkeit haben!

Aber natürlich gibt es auch den harten Kern nationalistisch-messianischer Ideologen. Sie siedelten dort, um Ganz-Erez-Israel in Beschlag (oder wörtlich "das ganze Land Israel" auf hebräisch) zu nehmen. Sie wollten verhindern, dass das palästinensische Volk jemals einem eigenen Staat in Palästina erreichen würde. Ihre Absicht, die palästinensische Bevölkerung zu entfernen, verbargen sie nicht.

"Dies ist keine Evakuierung, dies ist Transfer!" schreien sie jetzt schamlos und verwenden das Kodewort für ethnische Säuberung.
"Transfer"? - Aber von Anfang an war der Transfer der Palästinenser ihr eigenes Ziel!
"Entfernen"? - Aber sie wollten doch die Palästinenser entfernen - und sie arbeiteten unermüdlich daran. Viele von ihnen halten dies sogar für ein religiöses Gebot.

"Die Regierung hat uns hierher geschickt – und nun will sie uns von hier vertreiben!", lautet der nächste Slogan.
Nun, zunächst mal hörten wir nie, dass jemand gezwungen wurde, in die besetzten Gebiete zu ziehen. Die verschiedenen Regierungen ermunterten sie, verletzten das Gesetz, drückten ein Auge zu, beraubten die Allgemeinheit, um Gelder in die Siedlungen zu schütten. Ja, stimmt. Aber keiner wurde gezwungen, dorthin zu gehen. Soldaten erhalten Befehle und haben keine Alternative außer zu gehorchen. Jeder Siedler hat eine Alternative.
Zweitens, derjenige, der ernennt, hat auch das Recht, zu entlassen. Derjenige, der jemanden schickt, hat auch das Recht, zurückzurufen. Wenn die Siedler nur geschickt sind, können sie auch hier und dorthin geschickt werden.

Und was das menschliche Mitleid betrifft – so verlangen es die Siedler zwar von uns – schienen es aber selbst nie jemand anderem gegenüber praktiziert zu haben. Es ist etwas Widerliches in ihrer Unfähigkeit, den Anderen zu sehen. Es ist eine Art gefühlsbehindert zu sein.
Die Massenvertreibung der Araber ist in Ordnung, nicht der Erwähnung wert. Die Umsiedlung von ein paar tausend Juden innerhalb des Landes ist ein "Zweiter Holocaust".
Das "Entfernen von Juden" aus 20-30 Jahre alten Siedlungen ist ein schreckliches Verbrechen. Das Vertreiben von 750.000 Palästinensern, die seit Hunderten oder Tausenden von Jahren auf ihrem Land gelebt haben, war ein gerechter Akt der "moralischsten Armee der Welt", jeder der davon spricht wird als Verräter diffamiert. Ein jüdisches Kind muss bemitleidet werden, da es gezwungen wird, sich mit seinen Freunden an eine neue Schule zu gewöhnen – aber warum sollte man Mitleid mit einem arabischen Kind haben, das in einem verkommenen, armseligen Flüchtlingslager geboren und aufgewachsen ist.

Ganz zu schweigen von den Akten der Siedler in Hebron, Yitzhar, Tapuah und vielen anderen Orten, wo die Bewohner beschossen, Pogrome in Dörfern ausgeführt werden, das Land mit Gewalt geraubt, Brunnen zugeschüttet, die Olivenbäume ausgerissen oder ihre Früchte gestohlen werden usw...

Aus all diesen Gründen ist es sehr schwierig, mit ihnen Mitleid zu haben. Sowohl die "Lebensqualitäts-Siedler" als auch jene mit messianisch-nationalistischer Vision haben mit großen Wetteinsätzen gespielt. Sie haben mit ihrer Zukunft gespielt. Sie wetteten und haben verloren.

So wie die Million französischer Siedler in Algerien, die innerhalb weniger Wochen, als das Land die Unabhängigkeit erhielt, rausgeschmissen wurden und nach Frankreich zurückkehrten.

Wir müssen ihnen helfen nicht bitter zu werden. Ich war nie dagegen, sie großzügig zu entschädigen. Im Gegenteil. Unmittelbar nach dem Oslo-Abkommen beteiligte ich mich an einem öffentlichen Appell von Gush Shalom an den damaligen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin, in dem dazu aufgerufen wurde, den Siedlern, die bereit waren, freiwillig zu gehen, sofort großzügige Entschädigungen zu zahlen.

Rabin weigerte sich. Ja, es kam noch schlimmer: er fuhr fort, die Siedlungen mit großer Geschwindigkeit zu vergrößern, so wie es auch seine Nachfolger taten. Selbst die Siedler, die bereit gewesen wären, zu gehen, konnten nicht und waren praktisch in ihren Siedlungen gefangen, da sie ihre Häuser nicht verkaufen und wo anders ein neues Leben beginnen konnten.
Tatsache ist: das ist ihre Situation bis zum heutigen Tag.

Ich sprach von "großzügigen Kompensationen". Sind wir ihnen gegenüber denn etwas "schuldig"? Einer, der beim Roulette all sein Geld verloren hat, kann Kompensationen erwarten?

Als eine Maßnahme der Großzügigkeit, und um ihre Rückkehr zu beschleunigen, würde es weise sein, den Siedlern das Geld zu zahlen, das sie investiert haben – doch das ist äußerst wenig. Deshalb bin ich dafür, aus Großzügigkeit, genug zu bezahlen, damit sie in Israel ein gutes neues Leben beginnen können. Als humanitäre Geste und auch als Wink gegenüber den Westbanksiedlern, dass es sich lohnt, so bald wie möglich heimzugehen.

Für Ariel Sharon, der die Siedler geschubst, verwöhnt und ihnen den Weg bereitet hat, muss es schwierig sein die Worte zu äußern. Aber wir, die Bürger Israels, können sagen: Kameraden, Ihr habt gewettet und habt verloren.
Es ist menschlich, wenn ihr schreit und euch die Haare rauft. Aber es gibt keinen Grund, den Croupier zu erschießen. Ihr müsst eure zwangsneurotische Spielsucht überwinden.

Und wenn wir, die Bürger Israels, bereit sind, euch aus unseren Geldbeuteln großzügige Kompensationen für die Spielmarken, die ihr verloren habt, zu zahlen, dann solltet ihr wenigstens den Anstand haben, "Danke!" zu sagen.

Am kommenden Mittwoch, 18.05.2005, um 23.00 Uhr im ZDF:
Uri Avnery zu Gast bei J.B.Kerner.

Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs,
vom Verfasser autorisiert, erstellt am 09.04.2005

[FORUM]

hagalil.com 17-05-2005

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