Nach dem Holocaust:
40 Jahre diplomatische Beziehungen Deutschland Israel
Eine Tagung der Heinrich Böll Stiftung
Mecklenburg-Vorpommern, 26./27. Mai 2005, Rostock, Haus Böll, Mühlenstr. 9
Am 12. Mai 2005 jährt sich zum 40. Mal die Aufnahme
diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Beziehungen
zwischen dem Land der Täter und der neuen Heimstatt der überlebenden
Holocaust-Opfer waren keineswegs selbstverständlich. Sowohl in Deutschland
als auch in Israel waren heftige Vorbehalte zu überwinden. Die DDR
entwickelte - trotz mancher Initiativen - erst gar keine diplomatischen
Beziehungen. Bis heute steht das Verhältnis der nunmehr vereinigten
Bundesrepublik zu Israel im Schatten des deutschen Judenmords.
Mit der Tagung "Nach dem Holocaust. Beziehungen zwischen
Israel, der Bundesrepublik Deutschland und der DDR" will die Heinrich Böll
Stiftung M-V allen Interessierten die Möglichkeit geben, sich zu
wesentlichen Fragen des deutsch-israelischen Verhältnisses zu informieren
und zu diskutieren. Experten und Zeitzeugen referieren über die
verschiedenen Außenpolitiken der Bundesrepublik und der DDR, die ganz
verschiedenen Herangehensweisen an Entschädigung und Restitution, das sehr
verschiedene Leben von Überlebenden des Holocaust in beiden deutschen
Staaten, die antizionistische Politik der DDR und den neuen Antisemitismus
in der vereinigten Bundesrepublik.
Daran anschließend zeigen wir im Lichtspieltheater
Wundervoll eine Auswahl von israelischen Kurzfilmen, eine Retrospektive der
besten Studierendenfilme der Sam Spiegel Film & Television School in
Jerusalem.
Nach dem Holocaust
Die (Nicht-)Beziehungen zwischen beiden deutschen Nachkriegsstaaten und
Israel
Tagungskonzeption: Dr. Martin Jander, Susan Schulz
Donnerstag, 26.05.2005 – Freitag, 27.05.2005
Heinrich Böll Stiftung M-V
Mühlenstraße 9/Ecke Grubenstraße, 18055 Rostock
Donnerstag, 26.5.2005
Begrüßungskaffe: (13 – 13.30 Uhr)
Begrüßung: (13.30 – 14 Uhr)
Susan Schulz, Heinrich Böll Stiftung M-V
William Wolff, Landesrabbiner, M-V
Deutsche Außenpolitiken und Israel (14 – 15.30 Uhr)
Bereits 1949 bemühte sich die Bundesrepublik Deutschland um erste
Beziehungen zu Israel. Bundeskanzler Adenauer erklärte öffentlich, dass die
moralische Wiedergutmachung an Israel und den Juden Teil des
rechtsstaatlichen Wiederaufbaus von Deutschland sei. Kontakte wurden jedoch
vorsichtig aufgebaut, denn unmittelbar nach dem Krieg war Westdeutschland
bestrebt, eine öffentliche Debatte über die Verantwortung der Deutschen an
den nationalsozialistischen Verbrechen zu vermeiden. In Israel lehnte man
direkte Verhandlungen mit den Deutschen ab, man befürchtete starke
Vorbehalte der eigenen Öffentlichkeit. Diplomatische Beziehungen
entwickelten sich erst ab 1965.
Die DDR unterstützte zunächst 1948 die Gründung des Staates Israel,
wechselte jedoch – im Gefolge sowjetischer Politik – ihre Position und
favorisierte dann, bis zu ihrem Ende, die Politik der arabischen Staaten und
der Palästinenser. Als antifaschistischer Staat sah man sich nicht in der
Pflicht, besondere Beziehungen zu Israel zu entwickeln, man unterstützte
stattdessen den "antiimperialistischen Kampf" nationaler
Befreiungsbewegungen. Erst in den letzten Jahren der DDR, insbesondere
während ihres Umbruchs 1989/90, trat hier eine entscheidende Wandlung ein.
Experten: Ilan Mor, Gesandter der Botschaft des Staates Israel in
Berlin, Dr. Martin W. Kloke, Publizist und Redakteur (Moderation:
Dr. Martin Jander)
Kaffeepause: (15.30 – 16.00 Uhr)
Unterstützung, Entschädigung, Rückgabe in BRD und DDR (16.00 – 17.00
Uhr)
Die Unterstützung des neuen Staates Israel und die Debatte um Hilfe und
Entschädigung für überlebende NS-Opfer, bzw. die Rückgabe des geraubten
Eigentums, standen in den deutschen Nachfolgestaaten des Nationalsozialismus
einem engen Zusammenhang. Während in den westlichen Besatzungszonen und der
späteren Bundesrepublik Unterstützung, Entschädigung und Rückgabe des
geraubten Eigentums bereits durch die Alliierten angeregt und durchgesetzt
wurden, blieb – trotz anfänglicher Initiativen – eine generelle
Unterstützung und Entschädigung aller NS-Opfer in der DDR aus. Erst im
Zusammenhang mit dem politischen Umbruch in der DDR 1989/90 wurde dieser
Prozess in der DDR nachvollzogen. Mit dem deutschen Einigungsvertrag wurden
die Regelungen aus der Bundesrepublik auch in die DDR übertragen.
Experte: Peter Heuss, Mitarbeiter der Jewish Claims Conference in
Frankfurt (Moderation: Dr. Martin Jander)
(Kaffee-)pause: (17 – 18 Uhr)
Aufwachsen mit dem Antifaschismus (18 – 20 Uhr)
Wer in der DDR groß wurde, erfuhr in der Regel vom Holocaust nur wenig und
von Israel wurde ein negatives Bild gezeichnet. Nicht alle ließen sich
jedoch von der antifaschistischen Propaganda der SED verwirren. Einige, wie
z.B. der Bürgerrechtler und Filmemacher Konrad Weiß, fanden ihren eigenen
Weg sich mit der Geschichte ihrer Vorfahren und ihrer Verantwortung für die
Überlebenden Opfer des Nationalsozialismus auseinander zu setzen. Konrad
Weiß, im Herbst 1989 Mitbegründer der Gruppe „Demokratie Jetzt“ wird einige
seiner Filme zum Thema zeigen und über seine Sozialisation in der
antifaschistischen DDR sprechen.
Experte: Konrad Weiß, Filmemacher und Buchautor (Moderation: Dr.
Martin Jander)
Freitag, 27.5.2005
Linker Antisemitismus in DDR und BRD (10 – 11.30 Uhr)
Eines der besonders schlecht aufgearbeiteten Kapitel der untergegangenen DDR
ist ihre manifest antisemitische Politik zu Beginn der 50-er Jahre. Der
Soziologe Thomas Haury hat dieses dunkle Kapitel der SED-Politik in seinem
Buch "Antisemitismus von links" aufgearbeitet. Er beleuchtet nicht nur
antisemitische Ressentiments in der DDR-Politik sondern antisemitische
Bestandteile linker Politik in Deutschland allgemein. Er wird seine
Untersuchung vorstellen.
Experte: Dr. Thomas Haury, Soziologe aus Freiburg (Moderation: Dr.
Martin Jander)
Mittagspause: (11.30 – 13.00 Uhr)
Neuer Antisemitismus in der vereinigten Bundesrepublik? (13.00 – 15
Uhr)
Die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu Israel werden entscheidend
von der Haltung ihrer Bürger zu Juden und zum Staat Israel selbst
beeinflusst. Neuere Untersuchungen zeigen, dass der traditionelle
Antisemitismus, der sich aus christlichen und rassistischen Wurzeln speiste
im Rückgang begriffen ist, der sekundäre Antisemitismus jedoch nimmt zu,
darüber hinaus zeigt sich eine vorher so nicht gekannte Israelfeindschaft.
Untersuchungen zu diesem neuen Phänomen werden auf der Tagung von dem
Politologen Lars Rensmann aus Berlin vorgestellt. David Gall, Initiator und
Betreiber des Internetforums haGalil und Irene Runge, Vorsitzende des
Jüdischen Kulturvereins Berlin werden den Vortrag aus der Sicht ihrer
Erfahrungen kommentieren.
Experten: Dr. Lars Rensmann, Politologe aus Berlin, Dr. Irene
Runge, Vorsitzende des Jüdischen Kulturvereins Berlin, David Gall,
Journalist, Betreiber des Internetmagazins haGalil in München (Moderation:
Dr. Martin Jander)
Letzter Kaffee und Ende: (15 – 15.30 Uhr)
Teilnahmegebühr:
15,- EUR, ermäßigt: 10,- EUR
(für Verpflegung)
Information und Anmeldung:
Wir bitten um Ihre Anmeldung in der
Heinrich Böll Stiftung M-V
Mühlenstraße 9
18055 Rostock
fon: 0381-4922184
fax: 0381-4922156
email: post@boell-mv.de
Retrospektive der besten Studentenfilme der Sam Spiegel Film &
Television School, Jerusalem
Datum: Montag, 06.06.2005, 20 Uhr
Ort: Lichtspieltheater Wundervoll, Stephanstraße 7, Rostock
Mit dieser Retrospektive zeigen wir eine Auswahl von
Studentenfilmen der Jerusalemer Sam Spiegel & Television School, die im
letzten Jahr als beste unter 22 Filmschule ausgezeichnet wurde. Bei den
zumeist jungen israelischen Filmemachern rücken die ehemals grundlegenden
Themen wie Krieg, Ideologie, der Idee des Kibbutz oder dem Aufbau des
Staates in den Hintergrund. Zunehmend richten die Regisseure ihr Augenmerk
auf zwischenmenschliche Beziehungen, Geschichten von Liebe und Verlust wie
auch auf soziale Themen wie Drogensucht und Armut, Feminismus und
Homosexualität, ethnische Assimilation und Entfremdung.
Zwei der gezeigten Kurzfilme - "Sabbath Entertainment" von
Mihal Berzis und Oded Binnun sowie "Sliding Flora" von Talia Lavie –
erhielten im letzten Jahr zahlreiche Preise auf internationalen Festivals.
Eine Veranstaltung der Heinrich Böll Stiftung M-V in
Zusammenarbeit mit dem Max-Samuel-Haus Rostock.
Eintritt: 5,- EU
hagalil.com 23-05-2005 |