
Die Nichte - Hitlers verbotene Geliebte:
Onkel Adolf
Am Sonntag zeigte Sat.1 einen
verknallten Führer - und dass Faschismus nicht als Melodrama taugt:
"Die Nichte"
Von Stefan Reinecke
Sex sells, Hitler sells - beides müsste doch prima
funktionieren. Das mag die Idee für den britischen TV-Film "Uncle
Hitler" gewesen sein - von Sat.1 zutreffend mit dem Kitschtitel "Die
Nichte - Hitlers verbotene Geliebte" versehen. "Ich habe nur einmal
geliebt", sagt Adolf Hitler (dargestellt von Ken Scott) gleich in
der ersten Szene im April 1945 zu Eva Braun. Damit ist klar, worum
es geht: die Geburt des Faschismus aus dem Geist des Melodramas.
1931 hat sich Hitlers Nichte Geli Raubal umgebracht.
Warum sie dies tat, und ob die beiden eine sexuelle Beziehung
hatten, weiß man nicht. Aber wahrscheinlich ist, dass Onkel Adolf
sie mit Eifersucht und Vorschriften zur Verzweiflung getrieben hat.
Sicher ist, dass Hitler ein obsessives, auch zerstörerisches
Verhältnis zu ihr hatte.
Die beachtlichste Leistung von "Uncle Adolf" ist,
dass der Film es schafft, alle Gerüchte und Versionen über diese
Beziehung aneinander zu reihen. Zuerst erscheint Hitler als
Pädophiler, der das Mädchen liebt, nicht die junge Frau, dann als
tyrannischer Onkel, dann als Liebhaber, dann als impotenter
Neurotiker, am Ende als Perverser, der Pornobilder von seiner Nichte
machte.
Einen Film über Hitler und seine Frauenopfer (Eva
Braun hat zweimal versucht, sich umzubringen) zu machen, ist
legitim. Zumindest dann,wenn dieser Versuch nicht als eine
unzulässige Privatisierung des Faschismus endet. Genau das passiert
hier: Weil Geli nicht wollte, musste Onkel Adolf schreckliche
Hetzreden halten und am Ende doch leider die Welt vernichten.
Es ist auch selbstverständlich erlaubt, sich von den
Fakten zu entfernen, so wie es jeweils Syberberg, Schlingensief,
Sokurow oder Chaplin in ihren Hitler-Filmen getan haben. Aber es ist
eine grässlich verschmockte Idee, Geli einen ausgerechnet jüdischen
Liebhaber anzudichten, der von der SA erschlagen wird.
Furchtbar ist "Uncle Hitler" nicht, weil er etwas
erfindet, sondern weil man nie weiß, was er eigentlich will - außer,
natürlich, wichtig daherzukommen: Hitler! Sex! Gewalt!
Judenvernichtung!
Entsprechend spielt Ken Scott den Tyrannen mithilfe
der gewohnten Stereotypen: als Knallcharge, als Wüterich, als
dämonischen Redner und so weiter. Das alles ist bleiern uninspiriert
inszeniert, mit Walzern zugekleistert und von jener typisch
versteckten Lüsternheit, die alle "Sat.1 Film Film"-Melodramen
auszeichnet, in denen geweint, geliebt und gestorben wird.
Das Fernsehen wird aus Anlass des 60. Jahrestages des
Kriegsendes noch eine Menge Hitler zeigen. Das einzig Tröstliche an
"Uncle Adolf" ist, dass es noch schlimmer nicht mehr werden kann.
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27-04-2005 |