
Untätigkeit der universitären Gremien:
Hamburger Lektionen
In Hamburg blockierten Antifas die
Lehrveranstaltung eines Politikwissenschaftlers, der einen merkwürdigen
Umgang mit dem Staat Israel pflegt.
Von Olaf Kistenmacher
Jungle World
17 v. 27.04.2005
Ein Seminar an der Universität Hamburg über die
Hintergründe der zweiten Intifada, in dessen Titel "Krieg und Frieden in
Palästina" Israel nicht vorkommt? Dass der Politikwissenschaftler Rolf
Hanisch den Staat Israel nicht einfach nur vergessen hat, legt das Programm
seiner begleitenden Vorlesung zum "'neuen' Antisemitismus" nahe. Darin
kündigt er an, "das Lebensrecht Israels? Welches Israels?" zur Diskussion zu
stellen. Doch am Donnerstag vergangener Woche konnte nichts diskutiert
werden, weil Antifas die Vorlesung verhinderten.
Hanisch forschte bislang kaum zum Nahen Osten, sein
Spezialgebiet ist Südostasien. Aber etwas an den Antisemitismusdebatten der
vergangenen Jahre hat den deutschen Professor wohl aufgebracht. Nach dem
Ankündigungstext seiner Lehrveranstaltungen will er nun beweisen, dass es
keinen "relevanten" Antisemitismus in Deutschland und Europa mehr gebe.
Deshalb stelle sich "die Frage, warum diese hektische
Anti-Antisemitismusdebatte entfacht wurde". In diesem Zusammenhang
gebrauchte Formulierungen wie "die Palästina-Politik der USA und die
amerikanischen Juden" lassen nicht nur erahnen, unter wessen Einfluss die
US-amerikanische Politik nach Hanischs Ansicht steht. Sie legen auch nahe,
wer die Urheber der Debatte sein sollen und wem sie nütze. Dass Hanisch auch
hier nicht von einer "Israelpolitik", einer "Israel-Palästina-Politik" oder
einer "Nahost-Politik" schreibt, scheint zum Programm zu gehören.
Hanisch hält sich nicht für einen Antisemiten und distanziert
sich von Martin Hohmann und Jürgen W. Möllemann, allerdings nur, weil deren
Äußerungen unsachlich gewesen seien. Wie Möllemann glaubt Hanisch, eine
"Minderheitenposition" zu vertreten, wie er im Vorlesungsverzeichnis bereits
behauptet hat. Und nun, da zum ersten Mal öffentlich gegen seine
Lehrveranstaltungen protestiert wird, gibt sich Hanisch in der Jüdischen
Allgemeinen als unschuldiges Opfer einer "Rufmordkampagne".
Bereits vor zwei Jahren provozierten seine Äußerungen in
einem Seminar mit dem Thema "Antisemitismus, Diaspora und der
Palästina-Konflikt" Kritik. Damals sei noch versucht worden, andere
Professoren und Professorinnen für einen institutsinternen Protest zu
gewinnen, sagt eine Studentin der Jungle World, aber leider erfolglos.
In diesem Jahr forderte die Hamburger Studienbibliothek
(HSB), eine unabhängige Bibliothek für linke Theoriebildung, vor
Semesterbeginn den Universitätspräsidenten Jürgen Lüthje auf, Hanischs
Veranstaltungen ersatzlos zu streichen. Nachdem auch das bislang ohne Erfolg
blieb, kam es zu der Störung in der vorigen Woche.
In ihrem Brief verweist die HSB auf Hanischs Trick, scheinbar
nur Fragen zu stellen, wie man es spätestens seit Hohmann kennt. So sei nach
der Ankündigung im Vorlesungsplan zu klären, ob es möglicherweise eine
"jüdische Weltverschwörung" gebe oder ob die "Juden selbst Schuld am
Antisemitismus" sein könnten. Im Seminar wurden aus den Fragen Antworten,
wie von Studierenden zu erfahren ist. Als eine Studentin sich für ein
Referat zum Thema "die Palästina-Politik der USA und die amerikanischen
Juden" meldete, habe Hanisch sie aufgefordert, besonders die Rolle der
"jüdischen Lobby" herauszustellen. Darauf habe sie das Seminar verlassen.
Ein Brief, eine verhinderte Vorlesung – von einer größeren
Aufregung kann man noch nicht sprechen. Skandalös sind nicht nur die
tendenziell antisemitischen Aussagen eines deutschen Professors, sondern
auch die Untätigkeit der universitären Gremien. Die Antifas kündigten in dem
Flugblatt, das sie während der Störung der Vorlesung verteilten, jedoch an,
"Hanisch und jenen, die ihm gerne zuhören, nicht einmal an der Uni Raum zu
gewähren". Hanisch dagegen will in der nächsten Woche sein Seminar unbedingt
fortführen.
hagalil.com
29-04-2005 |