
Ehrung für SS-Mann:
Ehrenwerte Traditionen
Auslöser für die Kampagne des Auswärtigen
Amtes gegen Außenminister Joseph Fischer war der Tod eines ehemaligen
SS-Manns.
Von Jörg Kronauer
Jungle World
14 v. 06.04.2005
Soll man einen ehemaligen SS-Mann ehren? Frank Elbe meint:
Ja. Um Franz Krapf dreht sich der Streit, den Elbe, der Botschafter
Deutschlands in der Schweiz, mit Außenminister Joseph Fischer austrägt.
Krapf habe wegen seiner langjährigen Arbeit für das Bonner Auswärtige Amt
ein würdiges Andenken verdient, erklärt der Diplomat Elbe und greift seinen
Chef scharf an. Denn der hat es per Erlass untersagt, ehrende Nachrufe auf
ehemalige NSDAP-Mitglieder im Hausblatt des Amtes zu veröffentlichen. Das
betraf auch den im Oktober 2004 verstorbenen Krapf.
Wie geplant kommt innerhalb kürzester Zeit die zweite Kampagne daher, die
direkt auf den Sturz des Außenministers zielt. Der Streit um das Gedenken
des Auswärtigen Amtes unterscheidet sich ideologisch kaum von der Affäre um
die Visavergabe in der Ukraine. Die vom seit Jahren beliebtesten und
wichtigsten grünen Politiker genehmigte vergleichsweise großzügige Erteilung
von Einreiseerlaubnissen habe Massen von kriminellen Ukrainern und
Zwangsprostituierten über Deutschland gebracht, hetzen Unionspolitiker. Auch
ehemalige NSDAP-Diplomaten soll Fischer gefälligst ehren, tönt es nunmehr
aus dem Auswärtigen Amt. Der rechten Propaganda der konkurrierenden Parteien
folgt die aus dem Staatsapparat.
Im Auswärtigen Amt deutete sich der Unmut über Fischer seit geraumer Zeit
an. Interne Informationen gelangten bereits zu Beginn der Visa-Affäre an die
Presse – ein Zeichen für tief greifende Unstimmigkeiten. In der vergangenen
Woche landete ein Brief des Diplomaten Elbe, der an den Außenminister
gerichtet war und heftige Vorwürfe enthielt, bei der Bild-Zeitung. Das sei,
"als ob jemand eine kleine diplomatische Atombombe zündet", erklärte der
Bonner Politikwissenschaftler Christian Hacke auf Spiegel online. Dahinter
stecke grundsätzliche Kritik: "Mangelnde Professionalität verbunden mit
Arroganz und einer in sich nicht stimmigen Außenpolitik, das ist es, was man
ihm vorwerfen muss."
Der aufgestaute Unmut entlädt sich nun in der Auseinandersetzung um das
Gedenken des Auswärtigen Amtes. Denn der Streit um den Erlass, ehemalige
NSDAP-Mitglieder nicht mehr zu ehren, rührt an den Korpsgeist der deutschen
Diplomatie. "Die 'corporate identity' reicht im Auswärtigen Amt weiter als
in einem auf Profit orientierten Wirtschaftsunternehmen", schreibt Elbe in
seinem Brief an Fischer. "Der Auswärtige Dienst verträgt keine Spaltung."
Man dürfe daher nach Ansicht des Diplomaten "nicht zwischen anständigen und
vermeintlich kompromittierten Mitarbeitern des Auswärtigen Dienstes
unterscheiden".
Vermeintlich kompromittiert? Der Historiker Hans-Jürgen Döscher hat Krapfs
NS-Biographie bereits vor Jahren öffentlich gemacht, in seinem Standardwerk
"Verschworene Gesellschaft" mit dem Untertitel: "Das Auswärtige Amt unter
Adenauer zwischen Neubeginn und Kontinuität". Demnach gehörte Krapf nicht
nur der NSDAP an (nach eigener Aussage seit 1. Juli 1936). Bereits im Mai
1933 wurde er in die SS aufgenommen, und am 1. Februar 1938, dem Tag seines
Eintritts in den Auswärtigen Dienst, beförderte man ihn zum
SS-Untersturmführer im Sicherheitsdienst-Hauptamt. Noch im Mai 1944,
schreibt Döscher, habe der Leiter der Sicherheitspolizei und des
Sicherheitsdienstes dem SS-Personalhauptamt mitgeteilt, "dass
SS-Untersturmführer Krapf neben vier weiteren Angehörigen des Auswärtigen
Amts ehrenamtlicher Mitarbeiter des Reichssicherheitshauptamtes sei und zur
Mitarbeit laufend herangezogen werde".
Krapf soll keinen ehrenden Nachruf erhalten, insistiert Außenminister
Fischer. "Wer eine Funktion im Nationalsozialismus hatte und bewusst oder
unbewusst dafür sorgte, dass dieses Räderwerk lief, der muss sich gefallen
lassen, dass seine Tätigkeit nach 1945 nicht lobend oder ehrend
herausgehoben wird", sagte auch der Vizepräsident des Zentralrats der Juden,
Salomon Korn, in der vergangenen Woche dem Tagesspiegel. Ein sympathischer
Wunsch, dessen Erfüllung eigentlich selbstverständlich wäre, es aber nicht
ist. Denn dem Verlangen, Krapf zu ehren, liegt die kontinuierliche Tätigkeit
des ehemaligen SS-Manns auf prominenten Posten des Auswärtigen Dienstes nach
dem Krieg zugrunde.
Krapf machte "nach 1950 eine beachtliche Karriere im Auswärtigen Dienst der
Bundesrepublik Deutschland", schreibt Döscher. Zunächst war er in der
Politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes beschäftigt, danach wurde er als
Ständiger Vertreter des deutschen Botschafters bei der Nato eingesetzt. Die
weiteren Stationen seiner Laufbahn waren folgende: Gesandter in der
Botschaft der BRD in Washington, Leiter der II. Politischen Abteilung im
Auswärtigen Amt, danach Botschafter in Tokio, wo er schon von 1940 bis 1945
als Diplomat tätig gewesen war. Von 1971 bis zu seiner Pensionierung im Jahr
1976 krönte Krapf schließlich seine Karriere mit dem Posten als Ständiger
Vertreter der BRD beim Nato-Rat in Brüssel.
Die Nachkriegskarriere des SS-Mannes Krapf ist beileibe kein Einzelfall. "Es
gibt kein Bundesministerium, das in dieser Weise die Kontinuität der
Berliner Tradition fortsetzt wie das Auswärtige Amt", stellte der
SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Erler im Februar 1952 fest. Das galt vor
allem für das Personal. Vor einer "Renaissance der Nazis" im Auswärtigen Amt
warnte die Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland bereits im
September 1951, berichtet Döscher. Im Jahr 1952 besetzten ehemalige
NSDAP-Mitglieder rund zwei Drittel aller leitenden Positionen im
Außenministerium. Und im Gegensatz zu sämtlichen anderen Ministerien behielt
das traditionsbewusste Auswärtige Amt nach dem Zweiten Weltkrieg seinen aus
dem Jahr 1870 stammenden Behördennamen bei. Sein Organisationsplan entsprach
Mitte 1951 mit nur kleinen Unterschieden demjenigen des Jahres 1936.
Angesichts der ungebrochenen Traditionen des Auswärtigen Amtes lässt sich
mit der Abschaffung ehrender Nachrufe für NSDAP-Mitglieder nicht mehr als
Kosmetik betreiben. Sie ist freilich hilfreich für einen Außenminister, der
gegen Jugoslawien Krieg führen ließ, den russischen Einfluss hinter die
Ukraine zurückdrängen, den deutschen dagegen gern auf den Kaukasus sowie
Zentralasien ausdehnen möchte. Ist es angesichts der neuen deutschen
Großmachtbestrebungen nicht besser, den Anschein zu erwecken, mit den alten
deutschen Expansionstraditionen nichts zu tun zu haben? Manche im
Auswärtigen Amt, Joseph Fischer eingeschlossen, sehen das offenbar so.
Damit riskieren sie, schreibt der Diplomat Elbe, eine "Spaltung unter den
Kollegen im Auswärtigen Dienst". Denn von denen wollen viele die
Nachkriegskarrieren weiterhin ehren, die so vielen ehemaligen
NSDAP-Mitgliedern im Bonner Amt ermöglicht wurden. Der Zuspruch für sie ist
groß, konstatiert Salomon Korn "mit Unbehagen". Ihm scheint die Debatte "nur
verständlich im Zusammenhang mit einer sich gegenwärtig abzeichnenden
Revision der Geschichte des 'Dritten Reiches'". Die aber resultiert nicht
allein aus einer Verschwörung übel wollender Reaktionäre im Auswärtigen Amt,
sondern begleitet und legitimiert den deutschen Griff nach immer mehr Macht.
Und dem dient, Gedenken hin oder her, immer noch der Außenminister.
hagalil.com 13-04-2005 |