
Dietrich Bonhoeffer:
Ein leiser Nachruf
So viel Erinnerung muss sein:
Heute vor 60 Jahren wurde der Theologe Dietrich Bonhoeffer im KZ
ermordet.
Von Philipp Gessler
Harald Juhnke, Fürst Rainier und - Sie wissen
schon. Es gab in den vergangenen knapp acht Tagen ein bisschen viele
Tote zu beklagen, nicht wahr? Aber einen Verstorbenen müssen wir
dann doch noch nachholen, denn er ist es wert. Sorry, wenn es wieder
jemand aus der Kirche ist: der evangelische Theologe Dietrich
Bonhoeffer, der am 9. April vor 60 Jahren im Konzentrationslager
Flossenbürg erhängt wurde. Weniger als einen Monat vor Kriegsende.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland,
Wolfgang Huber, hat Bonhoeffer jetzt einen "evangelischen Heiligen"
genannt - was fraglich ist, denn der Protestantismus hat sich aus
gutem Grunde immer von der Heiligenverehrung fern gehalten. Aber
wenn man "Heilige" als Menschen definiert, die, unabhängig von
Konfession oder Religion, aufgrund ihres Glaubens etwas
Heilbringendes und Mutiges geleistet haben, dann stimmt das schon.
Bonhoeffer, der vielleicht bedeutendste protestantische Theologe des
20. Jahrhunderts, steht da auf einer Stufe mit Martin Luther King
oder Mahatma Gandhi.
Der Geist weht eben, wo er will, wie uns die Bibel sagt. Es ist
schade, dass die Scheinwerfer, die derzeit auf den Papst gerichtet
sind, alles andere umso mehr in den Schatten rücken, denn Bonhoeffer
hat uns mit seiner Theologie heute viel mehr zu sagen als die
Glaubens- und Morallehre eines Karol Wojtyla. Aber so ist es eben -
und man kann einigermaßen zuversichtlich sein, dass Bonhoeffer, wenn
der Hype um den Papst sehr schnell verflogen ist, wieder da ist mit
seinen Gedanken und seinem vorbildlich standhaften Leben im Zeichen
einer Diktatur.
"Von guten Mächten wunderbar geborgen", so lautet sein Gedicht, das
er 1944 in der Haft geschrieben hat, und es wird die Zeiten eher
überleben als die Poesie des Papstes. Es ist ein leises Gedicht, das
zu lesen in dieser Zeit überbordender Gefühle durchaus angemessen
wäre.
Der Papst-Biograf Jan Roß hat einmal geschrieben, dem Papst habe
eine Ökumene der Heiligen aller Konfessionen vorgeschwebt, zu der
auch Bonhoeffer gezählt hätte. Mag sein. Gern wäre man dabei, wenn
die beiden sich im Himmel "Grüß Gott" sagen.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der taz - die tageszeitung
taz muss sein:
Was ist Ihnen die
Internetausgabe der taz wert?
© Contrapress media GmbH
Vervielfältigung nur mit Genehmigung des taz-Verlags
haGalil onLine
11-04-2005 |