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    Man wird stärker, wenn 
	man sich stellt 
    
    
    Ein Interview mit 
	Beate Niemann über ihren Vater, den Polizisten und NS-Massenmörder Bruno 
	Sattler aus Berlin und die Reaktionen, die sie hervorruft, wenn sie von ihm 
	erzählt. 
    
    
    Interview: Martin Jander 
    
    Beate Niemann (1) 
	forscht über ihren Vater Bruno Sattler (2), der 
	während des Nationalsozialismus als Angehöriger der Gestapo Zehntausende 
	Menschen umgebracht hat. Lange Zeit wurde Frau Niemann diese Wahrheit 
	vorenthalten. Lange Zeit hat sie selbst diese Wahrheit von sich fern 
	gehalten und versuchte ihren in der DDR inhaftierten Vater frei zu bekommen 
	und – nach seinem Tod in einem DDR-Zuchthaus – zu rehabilitieren. Seit der 
	Öffnung der Akten des Ministeriums für Staatssicherheit begann sie genauer 
	nachzuforschen und sich der Geschichte zu stellen. 2002 und 2003 erschienen 
	zwei weithin gelobte Dokumentarfilme von Yoash Tatari über Beate Niemann und 
	ihre Recherchen. Inzwischen hat sie selbst die Verbrechen ihres Vaters 
	minutiös erforscht und dokumentiert. Der 
    Verlag
    Hentrich & Hentrich wird das Manuskript unter dem Titel Der gute 
	Vater – Bruno Sattler im kommenden Herbst veröffentlichen. Das Interview 
	erscheint wesentlich gekürzt in die tageszeitung (12.3.2005). 
     
    
    Frau Niemann, Sie 
	forschen über einen Mann, über den in Deutschland niemand etwas wissen will. 
	Wer ist das? 
    
    Das ist mein Vater 
	Bruno Sattler, der 1898 in Berlin in einer bürgerlichen Familie geboren 
	wurde und der zunächst eine ganz normale Karriere als Schüler und Student 
	machte. Durch den Zusammenbruch der Weltwirtschaft verlor er sein Vermögen. 
	Er machte dann Karriere in der politischen Polizei und in der Gestapo (3). 
	Ich bin die dritte Tochter von Bruno Sattler und wurde 1942 in Berlin 
	geboren. In diesem Jahr leitete mein Vater gerade in Belgrad einen Mord an 
	etwa 8.500 Frauen und Kindern in Gaswagen. Kennen gelernt habe ich ihn 
	eigentlich ausschließlich aus Erzählungen. Später in den 60er/70er Jahren 
	auch bei drei bis vier halbstündigen Besuchen in DDR-Zuchthäusern, wo er 
	seit 1947 inhaftiert war. 
    
    Seit wann forschen 
	Sie über Ihren Vater? 
    
    Als ich mit meinem 
	Mann 1992 aus Indien wiederkam, die DDR untergegangen und ihre Archive sich 
	geöffnet hatten, stellte ich den Antrag, die Stasi-Unterlagen einzusehen. 
	Ich wollte herausfinden, warum mein Vater niemals freigekauft werden konnte. 
	Ich sah zu Beginn meiner Recherche meinen Vater noch als unschuldig an. 
    
    Bruno Sattler 
    
    Was haben Sie 
	seither über Ihren Vater herausgefunden? 
    
    Mein Vater ist noch 
	als Schüler in den ersten Weltkrieg gezogen und hat erst danach sein Abitur 
	machen können. Er ist nach dem Krieg zum Freikorps Brigade Ehrhardt (4) 
	gekommen, das am Kapp-Putsch beteiligt war. Dann hat er noch sechs Semester 
	studiert - Botanik und Nationalökonomie. Das Studium musste er nach dem Tod 
	seines Vaters abbrechen, weil er seine Mutter ernähren musste. Er war dann 
	als Verkäufer bei Wertheim in der Uhren- oder Silberabteilung 
	beschäftigt und hat sich immer aufgeregt, dass er in einem jüdischen 
	Kaufhaus arbeitete. 1927 ist er von einem Freikorps-Kameraden angesprochen 
	worden: "Komm doch zu mir in die Polizei." Er ist 1928 in die Berliner 
	Polizei eingetreten, hat eine Kommissariatsausbildung durchlaufen und 
	gehörte danach zur Politischen Polizei. 1931 trat er in die NSDAP ein. 1933 
	wurden sie gefragt, ob sie in die normale Kriminalpolizei wollten oder in 
	die Gestapo. Er wollte in die Gestapo. 
    
    Was war sein 
	Aufgabenbereich in der Gestapo? 
    
    Sein Aufgabenbereich 
	war die Bekämpfung des Kommunismus. 1934 wurde er Referatsleiter für 
	Sozialdemokratie und sozialdemokratische Gewerkschaften. Später hat man 
	diese Begriffe zusammengeführt. Er war nun insgesamt für die Bekämpfung des 
	"Marxismus" zuständig. Nach der Besetzung Belgiens war er in Brüssel und hat 
	dort die Akten der 2. Internationale sichergestellt. Er ist außerdem nach 
	Paris geschickt worden. Von Paris aus ging er zum so genannten 
    Vorkommando Moskau, das der Einsatzgruppe B (5) 
	angeschlossen war. Er ist später nach Smolensk und von dort aus nach Belgrad 
	gekommen, wo er Chef der Gestapo wurde. Er hat die Gestapo-Dienstelle im 
	Oktober 1944 aufgelöst und ging nach Wien, für eine "ungarische 
	Rückführungsaktion", die mir bislang kein Wissenschaftler oder Historiker 
	genau erklären konnte. 
    
    Welche Verbrechen 
	waren mit diesen Karriere-Stationen verbunden? 
    
    Das erste Verbrechen 
	ist 1934 die Ermordung von John Schehr (6) und 
	drei seiner Genossen - angeblich "auf der Flucht erschossen" - auf der 
	Königstraße in Berlin-Wannsee. Es waren Schüsse in den Rücken. Die 
	Verbrechen des Vorkommandos Moskau sind ausgewiesen in den geheimen 
	Protokollen der Einsatzgruppen. Auch seine Verbrechen in Jugoslawien sind 
	dokumentiert. Ich habe die Dokumente dort selber eingesehen. Noch nicht 
	greifbar ist für mich die Sonderaktion "Ungarische Rückführung". Die 
	Wissenschaftler, die ich bis jetzt gefragt habe, sind sich aber darüber 
	einig, dass er dabei auch mit der Ermordung der ungarischen Juden zu tun 
	hatte. 
    
    Wie viele Menschen 
	hat ihr Vater getötet? 
    
    Aus der 
	Zentralstelle 
    der Landesjustizverwaltungen zur Verfolgung nationalsozialistischer 
	Gewaltverbrechen in Ludwigsburg weiß ich, dass 
    die Zahlen des 
    Vorkommandos Moskau zum Teil erhalten sind. Es handelt sich um über 
	10.000 Tote. In Belgrad steht er für den Gaswageneinsatz, bei dem in einer 
	sechswöchigen Aktion bis zu 8.500, hauptsächlich Frauen und Kinder, 
	umgebracht worden sind. Ich selber habe außerdem Erschießungsanordnungen in 
	den Archiven in Belgrad gefunden. Das sind Hunderte. Er stand dort auch für 
	Geiselerschießungen und für die so genannte "Partisanenbekämpfung". Er hat 
	die Menschen nach Auschwitz geschickt, er hat sie zu Arbeitseinsätzen, die 
	ja auch einer Vernichtung gleichkamen, bis nach Norwegen geschickt. Ich 
	denke es sind Zehntausende. Und er hat bei Aktionen dreimal selber mit 
	geschossen. 
    
    Welches Bild haben 
	Sie von ihrem Vater? Warum tat er was er tat? 
    
    In den Erzählungen aus 
	der Familie heißt es, dass er sehr charmant, sehr fröhlich und liebenswürdig 
	gewesen ist. Aufgrund dieser Liebenswürdigkeit hat er angeblich sogar seine 
	Cousinen immer dazu gebracht, ihn zu bedienen. Dann gibt es da noch den 
	aufopferungsvollen Sohn. Mein Vater hat sich um seine Mutter gekümmert und 
	sein Studium abgebrochen als sie in Not geriet. Das haben seine beiden 
	Brüder nicht getan. Und dann ist da eben diese steile Karriere in der 
	Nazizeit. Es hat ihn niemand gezwungen, schon 1931 in die NSDAP einzutreten. 
	Und in all den Unterlagen, die ich in der Stasi-Behörde gefunden habe, habe 
	ich nicht einen einzigen Satz gefunden, dass es ihm Leid getan hat. Es ist 
	da nicht ein einziges Mal eine Einsicht da, dass er Verbrechen begangen hat. 
	Seine Eltern dachten deutsch-national, waren sehr streng und der Zeitgeist 
	war antisemitisch. Er ist in diesem Geist aufgewachsen, hat ihn bis zum 
	Schluss vertreten und bis in die mörderischen Aktionen hinein umgesetzt. In 
	meinen Augen war er ein überzeugter Nationalsozialist. 
    
    "Serbien ist judenfrei" 
    
    Sie sind an einigen 
	der Orte gewesen, an denen Ihr Vater "gewirkt" hat. Was war Ihr Eindruck? 
    
    Ich war im September 
	2001 eine ganze Woche in Belgrad. Ich war die erste Privatperson, die in den 
	Belgrader Archiven arbeiten durfte. Ich habe auch Überlebende der Verbrechen 
	meines Vaters getroffen. Ich habe einfach nur gedacht, warum tut sich nicht 
	die Erde auf und ich verschwinde? Wie ist es möglich durch eine Stadt zu 
	gehen, in der mein Vater Tausende von Menschen umgebracht hat, die er nie 
	gesehen hat, die er nicht kannte, zu denen er keine Verbindung hatte, 
	einfach nur, weil sie einen anderen Glauben hatten? Ich habe es auch nicht 
	für möglich gehalten, dass ich es aushalten würde Überlebende zu treffen. 
    
    Als Sie mit der 
	Recherche zu Ihrem Vater begannen, wollten Sie da alles ganz genau wissen? 
    
    Ich habe noch 1991, 
	nach der Wende, die ich mit meinem Mann in Bombay erlebt habe, einen 
	Rehabilitierungsantrag an die Staatsanwaltschaft Schwerin geschickt. Ich 
	hielt meinen Vater ja noch für unschuldig. Inzwischen kann ich mich dafür 
	nur schämen. Ich bin sehr dankbar und sehr froh, dass er abgelehnt wurde, 
	wenn auch ich auch damals die Begründung nicht verstanden habe und mich 
	dagegen heftig gewehrt habe. Plötzlich wurden Urteile der DDR als 
	rechtsstaatlich dargestellt. Das sind sie in meinen Augen bis heute nicht. 
	Aber ich wollte seine Geschichte schon sehr genau erkunden. Als sich im 
	Laufe der Recherche etwas herausstellte, was ich nicht vermutet hatte, 
	wollte ich es unbedingt ganz genau wissen. 
    
    Als Sie anfingen, 
	diese Akten zu sichten, nach Belgrad zu fahren, um sich mit eigenen Augen 
	von den Verbrechen Ihres Vaters zu überzeugen, haben Sie mit dieser 
	Geschichte nicht gerechnet? 
    
    Als ich nach Belgrad 
	fuhr, wusste ich es schon. Ich habe im Januar 1997 angefangen in den 
	Stasi-Unterlagen zu lesen. Die Anklagepunkte die da gegen meinen Vater 
	genannt wurden, nämlich "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" begangen in 
	Jugoslawien, waren in meinen Augen durch die bundesrepublikanische 
	Gesetzgebung und Prozesse längst widerlegt. 1998 habe ich allerdings das 
	Buch "Serbien ist judenfrei" von Walter Manoschek gefunden. Da war 
	der Gaswageneinsatz und die Verantwortung meines Vaters für ihn explizit 
	erwähnt. Ich habe mich mit dem Autor in Verbindung gesetzt und den Antrag 
	gestellt, nach Jugoslawien reisen zu dürfen. Nach dem NATO-Bombardement 
	konnte ich fahren. 
    
    Liliane Djordjevic 
    
    Sie haben schon 
	erwähnt, dass Sie überlebende Opfer der Verbrechen Ihres Vaters getroffen 
	haben. Wie war das genau? 
    
    Ich habe in Belgrad 
	die einzige Überlebende des Gaswageneinsatzes getroffen, Liliane Djordjevic, 
	die zur Zeit des Einsatzes 13 Jahre alt gewesen ist. Sie war mit ihrer 
	christlichen Mutter aus der Schweiz inhaftiert. Ihr Vater war in diesem 
    Lager Semlin (7) bei Belgrad Lagerarzt. Ihre 
	Mutter ist irgendwann nach dem Krieg gestorben, ihr Vater wurde auf den 
	allerletzten Gaswagentransport geschickt und umgebracht. Sie und ihre Mutter 
	wurden eigentlich vergessen. Es waren noch zwei nichtserbische Frauen und 
	ein Kind da, die haben einfach in den letzten Gaswagen nicht hineingepasst. 
	Liliane Djordjevic wusste von mir und wir haben uns auf diesem 
	Gelände getroffen. Sie kam etwas später und ich sollte auf sie zugehen. Ich 
	dachte, ich kriege kein Bein vor das andere. Ich wollte eigentlich nur von 
	diesem Grundstück verschwinden. Nur durch die Freundlichkeit, mit der sie 
	auf mich zukam und mir die Hand gab und – ja – ein perfektes Deutsch sprach, 
	war es überhaupt möglich, dass ich mich soweit in den Griff bekam, mit ihr 
	sprechen zu können. Das war für uns beide zuerst ziemlich schwierig, aber 
	wir haben uns tagelang immer wieder getroffen. Zum Abschied hat sie mir eine 
	rote Rose geschenkt. Wir stehen noch heute miteinander in Verbindung. 
    
    Familie Leon 
    
    Sie haben auch 
	andere Menschen getroffen, die nicht selbst, aber mittelbar, von den 
	Verbrechen Ihres Vaters berührt sind. 
    
    
    Sattlers DDR-Haft 
    
    Nach dem Krieg ist 
	Ihr Vater inhaftiert worden. Wie genau ging das vor sich? 
    
    Mein Vater ist 
	offenbar nach Ende des Krieges über Linz nach Deutschland gekommen, hat sich 
	anderthalb Jahre versteckt gehalten und ist im Frühsommer 1947 nach 
	Berlin-West gekommen und hat sich immer wieder mit meiner Mutter getroffen. 
	Sie stand unter Beobachtung der Abteilung K 5 - aus der später das 
	Staatssicherheitsministerium wurde - einer Ost-Berliner Behörde und unter 
	Beobachtung der Amerikaner. Mein Vater ist am 11. August 1947 aus 
	West-Berlin verschleppt worden. Es war eine Gruppe sowjetischer Soldaten 
	unter der Anwesenheit von Erich Mielke. Er verschwand und ist 1949 für tot 
	erklärt und entnazifiziert worden. Meine Mutter hat eine Witwenpension 
	bekommen, wir Kinder haben die Halbwaisenrente bekommen. Dass mein Vater 
	lebt, haben wir erst zufällig 1953 erfahren. Außerdem hörten wir, dass er 
	1952 in einem Geheimprozess in Greifswald  zu lebenslänglichem 
	Zuchthaus verurteilt worden war.  
    
    Inzwischen wissen 
	Sie schon mehr, weil Sie die Akten des Ministeriums für Staatssicherheit 
	angesehen haben? 
    
    Das Urteil in 
	Greifswald sagt: "Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen in 
	Jugoslawien aufgrund eigener Angaben." Sie hatten nichts gegen ihn in der 
	Hand, sondern er hat seine Tätigkeit in Belgrad beschrieben. Den 
	Gaswageneinsatz hat er verneint. Er habe nur davon gewusst. Die meisten 
	hätten ja davon gewusst. Aber er hatte angeblich damit nichts zu tun. Also 
	man hat ihm direkt nichts nachweisen können. Sie haben ihm seine Tätigkeit 
	als Gestapo-Mann von vor dem Krieg vorgehalten, dass er aufgrund seiner 
	Tätigkeit in der Gestapo und seines Spitzelsystems die Arbeit der KPD zum 
	Erliegen gebracht hat und auch die Tätigkeit der SPD. Auch sie hatte von 
	Prag aus nicht mehr tätig sein können. Aber eigentlich war es nicht das, was 
	sie wollten. Es sollte 1950 ein Schauprozess gegen ihn veranstaltet werden. 
	Die Unterlagen habe ich zufällig im Bundesarchiv gefunden. Dieser 
	Schauprozess hat nie stattgefunden, stattdessen hatte er einen 
	Geheimprozess. Ich bin den Weg der DDR-Rechtsanwälte, die für meinen Vater 
	tätig waren, nachgegangen. Er endete für diese DDR-Anwälte zum Teil sehr 
	unerfreulich. Das Ganze ist in unseren Augen immer – und das hat sich 
	eigentlich auch beim Lesen der Akten bestätigt – eine Abrechnung zwischen 
	Mielke und meinem Vater gewesen. 
    
    Wie lange saß Ihr 
	Vater in der DDR im Gefängnis? 
    
    25 Jahre. Er starb 
	1972 in Leipzig-Meusdorf im Zuchthaus. 
    
    Sie haben ihn in 
	dieser Zeit ein paar Mal besucht. Was war Ihr Eindruck? 
    
    Ich habe ihn drei oder 
	vier Mal gesehen, weil man nach den damaligen DDR-Gesetzen ab 16 Jahren in 
	Zuchthäusern Besuche machen durfte. Mein zweiter Besuch war eine 
	Verschleppungsaktion gegen meine Mutter, die dann aber nicht stattfand. Die 
	anderen drei halben Stunden, in denen ich ihn sehen durfte, waren erfüllt 
	mit Angst. Es ging ja darum, den Weg in das Gefängnis überhaupt zu schaffen. 
	Dann kam die Leibesvisitation und dann saß man mit drei oder vier 
	Stasi-Offizieren an einem Tisch. Dann kam ein Mann herein, von dem gesagt 
	wurde: "Das ist Ihr Vater." Meine Mutter hat uns immer eine DIN A 4-Seite 
	mit Fragen notiert, das reichte grade für 25 Minuten. Dann kam immer die 
	Stimme: "Noch 5 Minuten!" Dann war er auch schon wieder weg. Das einzige 
	Bild, das sich mir eingeprägt hat, ist ein gebeugter, großer Mensch, kahl 
	geschoren, in Anstaltskleidung mit den Streifen auf den Armen. Das ist mein 
	Vater gewesen. 
    
    Sattlers Kollegen 
    
    Sie lebten in 
	West-Berlin. Da muss es doch auch noch Kollegen Ihres Vaters gegeben haben. 
	Haben Sie die nie kennen gelernt? 
    
    Ich weiß heute, dass 
	ich einige kennen gelernt habe, denn meine Mutter hat – etwa ab 1949 – als 
	Geschäftsführerin einen Polizeibeamtenverband, den Schrader-Verband (8) 
	geleitet, der später im Bund Deutscher Polizeibeamten aufgegangen 
	ist. Wie ich erst seit ein paar Wochen weiß, gehörten zwei Männer dem 
	Verbandsvorstand an, von denen der eine einer Einsatzgruppe (auch in der 
	Nähe von Smolensk) angehörte und der andere ein Einsatzkommando in Riga 
	führte. Aber ich habe natürlich auch andere kennen gelernt, die nun nicht 
	gerade in Berlin waren. Der eine wurde Ministerpräsident des Landes 
	Niedersachsen, der andere leitete die Polizei eben dieses Landes, wieder ein 
	anderer leitete die Polizei des Landkreises Hameln-Pyrmont. Meine Mutter 
	wurde da immer mit Kusshand begrüßt. Ich bekam meine erste Schokolade z.B. 
	von Rudolph Diels (9) und Walter Zirpins (10). 
	Ich denke auch an Herrn Best (11). Best war 
	später Sachverständiger für die Prozesse gegen Mitarbeiter des 
	Reichssicherheitshauptamtes. Herr Best hat meiner Mutter die besten Tipps 
	gegeben, an wen sie sich wenden kann, um meinen Vater vielleicht doch noch 
	aus dem DDR-Gefängnis herauszukriegen. 
    
    Was war Ihr 
	Eindruck, als Sie diese Männer damals kennen lernten? 
    
    Ich fühlte mich immer 
	bestraft. Mein unschuldiger Vater sitzt im Knast und sie hier sind 
	Ministerpräsidenten, sie sind Männer der Wirtschaft, sie sind 
	Bundesjustizminister, sie sind Landesjustizminister, sie schreiben rührende 
	Briefe an meine Mutter. Und wir? 
    
    Familie Sattler 
    
    Wie hat Ihre 
	Familie darauf reagiert, dass Sie direkt nach der Wende der DDR intensiver 
	begannen, sich mit der Geschichte ihres Vaters auseinander zu setzen? 
    
    Meine Mutter ist 1984 
	gestorben. Ich hatte die letzten 6 Jahre vor ihrem Tod keine Verbindung mehr 
	zu ihr. Wir haben uns nie verstanden. Was uns auseinander gebracht hat, ist 
	eine rein persönliche Angelegenheit. Was meine Mutter nie ausgehalten hat, 
	waren eigentlich schon meine Fragen. Man musste in der Schule ja immer den 
	Beruf des Vaters angeben. Mein Vater war Regierungs- und Kriminaldirektor 
	oder dann Regierungs- und Kriminalrat. Das war ja nun ziemlich hoch 
	angesiedelt. Ich war sehr stolz drauf. Irgendwann ging mir dann aber auf, 
	dass er in dieser Funktion doch etwas gewusst haben muss. Schon diese Frage 
	war in meiner Familie absolut unanständig und nicht gewünscht und ich habe 
	mich gefügt. Ich habe auch als Angehörige der so genannten "68er"- 
	Generation nicht gefragt. Mit meinen Schwestern kam das Zerwürfnis zur 
	selben Zeit wie mit meiner Mutter. Die Reaktionen meiner Schwestern kenne 
	ich nur aus zweiter Hand. Sie sind offenbar schockiert und schweigen. Mein 
	Mann hatte mich zuerst hier noch sehr unterstützt. Er ist aber 1994 
	gestorben. Meine Kinder stehen hinter mir. Sie sind stolz auf mich, wie sie 
	sagen. 
    
    Sie sind öfter bei 
	Veranstaltungen. Sie sprechen über Ihren Vater. Welche öffentlichen 
	Reaktionen hat es auf Ihre Arbeit gegeben? 
    
    Es hat Reaktionen 
	gegeben. Was mich sehr erstaunt, zum überwiegenden Teil von der Opferseite. 
	Die ersten Reaktionen auch nach den Filmen kamen von Opferfamilien. In den 
	Veranstaltungen kommt mir die ganze Bandbreite von eisigem Schweigen über 
	Hochachtung und Missachtung entgegen. Mein Freundeskreis hat sich sehr stark 
	verändert. Ich habe mich von einem großen Teil meiner Freunde getrennt, weil 
	es sie einfach nicht interessiert, was ich mache. Aber ich lerne auch immer 
	wieder neue Menschen kennen. Ich habe mich seither sehr verändert. 
    
    Sie haben am Anfang 
	des Interviews gesagt, dass Sie bei der ersten Begegnung mit überlebenden 
	Opfern Ihres Vaters gedacht haben, der Boden tut sich auf. Fühlen Sie sich 
	schuldig? 
    
    Einmal denkt man ja 
	immer, man ist ein Teil seiner Eltern. Natürlich stehe ich mit meinem 
	Mädchennamen für das, was mein Vater getan hat. Wobei ich mich aber nie 
	schuldig gefühlt habe, nie. Aber ich fühle mich schuldig, was in unser aller 
	Namen mit den Opfern, mit den Überlebenden und auch mit den Toten nach Ende 
	des Krieges passiert ist. Dass man sie negiert hat, tot geschwiegen hat, 
	dass man sie verleugnet hat und  dass man ihnen Pfennige von Entschädigung 
	hingeworfen hat oder oft nicht einmal das. Daran fühle ich mich mitschuldig. 
	Das lasse ich für mich nicht mehr zu. Mein Wirken gilt ja hauptsächlich auch 
	meiner Familie. Es geht mir darum, ein Beispiel zu schaffen dafür, dass man 
	es auch anders machen kann, dass man an einer solchen Aufarbeitung nicht 
	zerbricht, dass man im Gegenteil sogar stärker wird, wenn man sich stellt. 
    
    Das Interview 
	führte Martin Jander, Historiker und Journalist. Über ihn kann man auch 
	Kontakt zu Beate Niemann herstellen:
    
    martinjander@t-online.de. Letzte Veröffentlichung:
    Berlin (DDR) – Ein 
	politischer Stadtspaziergang, Berlin 2003 
    
    Eine Täterbiographie: 
    
    Die guten Eltern 
    Beate Niemanns Ausbruch aus der verdrehten deutschen Familien-Erinnerung: 
	Opferschaft und Heldentum... 
    
    Anmerkungen: 
    (1) Beate 
	Niemann,  geb. 6.6.42 in Berlin, 1960 Abbruch der Schule, 
	Aufenthalte in England und Frankreich, 1962-63 Ausbildung zur 
	Auslandskorrespondentin, Arbeit bei Amnesty International und als 
	freie Vollzugshelferin in der Strafanstalt Berlin-Tegel. Berufliche 
	Tätigkeiten beim Diakonischen Werk und der Evangelischen 
	Kirchengemeinde Berlin-Schlachtensee. 1997 Beginn des Aktenstudiums in 
	der "Gauck-Behörde". 2002 erschienen zwei Dokumentarfilme von Yoash Tatari 
	("Mein Vater, der Mörder – eine Tochter klagt an"; "Der gute Vater – eine 
	Tochter klagt an") über Frau Niemann. Das Buch über ihren Vater B. Sattler 
	wird im Herbst 2005 im Verlag Hentrich & Hentrich in Berlin erscheinen. Die 
	Filme können über den Mitschnittservice des WDR bestellt werden. 
    (2) Bruno Sattler, geb. 1898 in Berlin,  als 
	Schüler Teilnahme am I. Weltkrieg; 1919 Abitur; Studium der Nationalökonomie 
	und Botanik; 1920 Mitglied des Freikorps Brigade Ehrhardt und 
	Teilnahme am Kapp-Putsch; 1922 Tod des Vaters, Aufgabe des Studiums, 
	Verlust des Vermögens; 1928 Eintritt in die Berliner Kriminalpolizei, 1931 
	Eintritt in die NSDAP; seit 1933 Leiter des Referats "Sozialdemokratie und 
	sozialdemokratische Gewerkschaften", des Reichssicherheitshauptamtes 
    (RSHA); 1934 Übernahme des Dezernats für SPD, SAP, Reichsbanner, Freie 
	Gewerkschaften und Sportverbände in der Gestapo; 1937 Leiter der Abt. la 
	(politische Polizei), zuständig für Sozialdemokratie und sozialdemokratische 
	Gewerkschaften; 1938 Wechsel zur SS-Einheit der Gestapo, Zuteilung zum 
	Sicherheitsdienst Himmlers; 1939 Leiter Abt. IV A 2, zuständig Kampf gegen 
	sozialdemokratische Kräfte in Deutschland und der Emigration; 1940 einige 
	Wochen in Brüssel zur Sicherstellung der Akten der 2. Internationale, 
	anschließend in Paris; Oktober 1941 bis Januar 1942 Ordonnanzoffizier im 
    Vorkommando Moskau (Teil der Einsatzgruppe B); Januar 1942 bis 
	Oktober 1944 Chef der Gestapo in Belgrad; vom 18.12.1944 bis zum 9. 5.1945 
	mit dem Sonderstab für ungarische Rückführungsaktion in Wien; Flucht 
	über Linz nach Deutschland; kehrt 1947 mit falschem Namen nach Berlin 
	zurück; seit 11.8.1947 verhaftet und verschiedene Aufenthalte in NKWD 
	Gefängnissen in Berlin und Moskau, später in Zuchthäusern der DDR; stirbt am 
	15.10.1972 in der Strafvollzugsanstalt Leipzig-Meusdorf; genaue Umstände des 
	Todes sind nicht geklärt. 
    (3) Gestapo: Abkürzung für "Geheime Staatspolizei", 
	politische Polizei im NS-Deutschland. Sie wurde 1933 gegründet, zählte bis 
	1944 30.000 Mitglieder und war zuständig für den organisierten Terror in 
	Deutschland und in den besetzten Gebieten. Ihre wesentliche Aufgabe bestand 
	in der Erforschung und Bekämpfung aller "staatsgefährdenden Bestrebungen", 
	in der Wahl der Mittel waren ihr keine Grenzen gesetzt. 1936 wurde Himmler 
	zum Chef der gesamten deutschen Polizei ernannt und gleichzeitig die Gestapo 
	der SS unterstellt und somit in die NSDAP eingegliedert. Seit 1936 waren 
	Gestapo, Kriminalpolizei und Grenzpolizei als Sicherheitspolizei zusammen 
	gefasst. 1939 wurden sie mit dem SD im Reichssicherheitshauptamt vereinigt. 
	Viele Gestapo-Beamte begleiteten in den Reihen der SS und der Einsatzgruppen 
	die deutsche Armee bei ihren Eroberungsfeldzügen und organisierten die 
	Verschleppung der Juden in Vernichtungslager. In den Nürnberger Prozessen 
	wurde die Gestapo 1946 zu einer verbrecherischen Organisation erklärt. 
    (4) Während der 
    Novemberrevolution in Deutschland bildet Hermann Ehrhardt aus 
	300 jungen Marineoffizieren einen Stoßtrupp, aus dem das
    Freikorps Brigade Ehrhardt 
    hervorging. Sie wurde im Auftrag der Weimarer Regierung im Kampf gegen die
    Münchener Räterepublik und zur 
	Niederschlagung anderer kommunistischer Aufstände eingesetzt.
    Unter der Führung von General Walther Freiherr 
	von Lüttwitz besetzte 1920 die Marinebrigade Ehrhardt das Berliner 
	Regierungsviertel. Damit begann der Putsch von Lüttwitz und Wolfgang Kapp (Kapp-Putsch). 
	Nach dem Scheitern des Umsturzes wurde Ehrhardt kurzzeitig von General Hans 
	von Seeckt zur Niederschlagung kommunistischer Aufruhrversuche in das 
	Ruhrgebiet berufen. Wegen Beteiligung am Putsch erging gegen Kapp und 
	Ehrhardt Haftbefehl. Wolfgang Kapp starb in der Untersuchungshaft in 
	Leipzig an einer Krebserkrankung. 
    Ehrhardt konnte nach Bayern flüchten und wurde 
	dort nicht verfolgt. Ehrhardt ließ sich in München nieder und wandelte den 
	Teil seiner aufgelösten Brigade, der nicht in die Reichsmarine überführt 
	wurde, in die geheime Organisation Consul (OC) um, den späteren 
    Wiking-Bund. Seine Mitglieder waren für die Ermordung von Finanzminister
    Matthias Erzberger, Außenminister Walther Rathenau und für 
	zahlreiche andere politische Morde verantwortlich. Nach der Machtübernahme 
	der Nationalsozialisten unterstellte er den Bund dem Reichsführer der SS, 
    Heinrich Himmler. 
    (5) 
    Einsatzgruppe B: Einen Tag nach dem Beginn des Angriffs auf die 
	Sowjetunion fielen die so genannten Einsatzgruppen - eine von ihnen war die
    Einsatzgruppe B unter Arthur Nebe, der auch das Vorkommando Moskau 
    zugeordnet war - in Russland ein. Ihr Auftrag, vor dem Krieg auch der 
	Wehrmachtsführung bekannt, war die "Beseitigung der
    
    jüdisch-bolschewistischen 
    Intelligenz", und die "Vernichtung von Bolschewistenhäuptlingen und 
	Kommissaren, sowie aller Juden, die die Sicherheit der kämpfenden Truppe 
	gefährden." Die Einsatzgruppen ermordeten faktisch die gesamte jüdische 
	Bevölkerung, einschließlich Kinder, Frauen und Greise der Gebiete, in die 
	die Wehrmacht vorgedrungen war. Die Einsatzgruppen wetteiferten 
	untereinander um die höchsten Mordzahlen, die sie in so genannten 
	Ereignismeldungen an das Reichssicherheitshauptamt nach Berlin meldeten. 
    (6) John Schehr: geboren am 30.10.1898 in Altona, 
	Familienstand unbekannt. Seit 1930 Leiter der KPD-Bezirksorganisation 
	Niedersachsen. Am 6.6.1932 wurde er auf Beschluß des Sekretariats der KPD in 
	eine Kommission zur Vorbereitung der Illegalität der KPD berufen. Mitglieder 
	dieser Kommission waren: W. Ulbricht, J. Schehr, H. Kippenberger. Nach der 
	Verhaftung Ernst Thälmanns am 3. März 1933, führte Schehr die KPD in der 
	Illegalität. Schehr wurde durch das Parteimitglied Kattner, in der 
	Illegalität technische Hilfskraft des ZK der KPD, nach schweren Folterungen 
	durch die Gestapo, verraten. Er wurde am 9.11.1933 in einer Privatwohnung 
	während einer Sitzung zur Bildung der 1. Landesleitung der KPD verhaftet. Am 
	1.2.1934 wurde Kattner von der Gestapo ermordet, der Mord wurde als 
	"Fememord" dargestellt. Am 2.2.1934 wurde John Schehr auf einer 
	Transportfahrt in die Strafanstalt Brandenburg-Görden auf der Königstraße in 
	Berlin Wannsee "auf der Flucht erschossen". Mit ihm umgebracht wurden: 
	Rudolf Schwarz (Leiter des Abwehrressorts), Eugen Schönhaar (ehemals 
	technischer Leiter des Sekretariats des ZK der KPD) und Erich Steinfurth 
	(früherer Landtagsabgeordneter der KPD. Bruno Sattler leitete die Ermordung 
	der vier Kommunisten. 
    (7) Lager Semlin: Gegenüber der Festung von 
	Belgrad, auf dem anderen Ufer der Save lag der Ort Zemun. Er gehörte zu 
	Kroatien. 1938 fand hier eine Weltausstellung statt, an der auch Deutschland 
	beteiligt war. Nach dem Einmarsch der Deutschen wurden die noch von der 
	Ausstellung vorhandenen Gebäude in das Konzentrationslager Semlin 
	umgewandelt. Für den 1942 für einige Wochen täglich verkehrenden Gaswagen 
	gab es eine Sondergenehmigung zum Passieren der Brücke über die Save in die 
	Stadt Belgrad. Die Papiere hatte der täglich in einem PKW vorausfahrende 
	Lagerleiter Andorfer bei sich. Der Gaswagen und der folgende LKW mit den 
	Koffern der Opfer werden ohne Kontrolle durchgeleitet. Nach 
	Kriegsende lebten Bauarbeiter in den Resten der Gebäude, es wurden kleine 
	Häuser dazu gebaut. Die Bauarbeiter waren für den Wiederaufbau Belgrads 
	eingestellt. Heute stehen noch 2 der Weltausstellungspavillons, in den noch 
	vorhandenen Häusern wohnen Künstler, es gibt einen kleinen Platz mit einem 
	Denkmal für die Ermordeten. 
    (8) Der Schrader-Verband wurde 13.12.1915 in Berlin 
	unter dem Namen "Verband der Kameradenvereine" gegründet und hatte damals 
	6.000 Polizisten als Mitglieder. Ernst Schrader wurde zum 1. Vorsitzenden 
	gewählt, das blieb er auch bei den Zusammenschlüssen mit anderen 
	Polizeiverbänden. Am 20.21.02.1923 kam es in Berlin zur endgültigen 
	Einheitsorganisation der Polizei in Preußen mit 60.000 Mitgliedern: "Verband 
	Preußischer Polizeibeamter e.V". Am 2.5.1933 wurden die Gewerkschaften 
	zerschlagen, und am 24.6.1933 wurden alle Arbeitnehmerorganisationen in die 
	"Deutsche Arbeitsfront", DAF, unter Führung von Robert Ley überführt. Am 
	8.9.1933 wurde Ernst Schrader in das Konzentrationslager Oranienburg 
	gesperrt. Am 17.5.1935 wurde der Verband vor dem Amtsgericht Berlin 
	aufgelöst. Am 13.7.1936 starb E. Schrader an den Folgen des KZ-Aufenthaltes. 
	Bruno Sattler war Mitglied des Verbandes, wann er austrat, ist nicht 
	bekannt. 1948/49 Neugründung des "Verband der Polizeibeamten e.V. (ehemals 
	Schrader-Verband)." Geschäftsführerin wurde die Frau von Bruno Sattler. Sie 
	blieb es bis zu Auflösung des Verbandes etwa 1964.  
    (9) Rudolf Diels (16.12.1900 – 18.11.1957), Gründer 
	und Chef der Gestapo, war 1900 im Taunus geboren worden und hatte 
	Rechtswissenschaften studiert. Er wurde bald nach der Gründung in einen 
	Machtkampf zwischen Göring und Himmler verwickelt, musste deshalb auf den 
	Posten des stellvertretenden Polizeipräsidenten von Berlin wechseln. Im 
	April 1934 musste er seinen Posten endgültig verlassen und wurde zum 
	Regierungspräsidenten Kölns, später von Hannover. Im Zusammenhang des 20. 
	Juli 1944 war er ins Gestapo-Gefängnis gekommen, von dort aber von seinem 
	Förderer Göring befreit worden. Nach dem Krieg arbeitete er in der Regierung 
	und im Innenministerium Niedersachsens.    
    (10) Walter Zirpins war Sachverständiger im
    
    Reichstagsbrandprozess
    
    1933 und sagte 
	zu demselben Komplex sowohl
    
    1948 in
    
    Nürnberg als 
	auch
    
    1961 vor einem 
	ordentlichen deutschen Gericht aus. SS-Sturmbannführer und Kriminaldirektor 
	im Amt IV (Gestapo) des Reichssicherheitshauptamtes. Im
    
    Zweiten Weltkrieg 
    Einsatz Zirpins' bei der "Endlösung der Judenfrage" in den Ghettos Warschau 
	und Litzmannstadt. Nach 1945 Oberregierungsrat und Leiter des 
	Landeskriminalamtes Niedersachsen. Dr. Walter Zirpins war Fritz Tobias' 
	Kronzeuge im Historikerstreit um die These zur Alleinschuld
    
    Marinus van der Lubbes. 
	Somit ist er einziger Bürge für die zumindest in der Geschichtsschreibung 
	feststehende These von der Alleinschuld van der Lubbes am Reichstagsbrand in 
	der Nacht vom
    
    27. Februar auf 
	den 28. Februar1933. 
    (11) Werner Best (1903 – 1989) wurde in Darmstadt 
	geboren und gründet 1919 in Mainz die Gruppe des "Deutschnationalen 
	Jugendbunds". Best studiert Rechtswissenschaften in Frankfurt a. M., 
	Freiburg und Giessen und machte mit verschiedenen Aufsätzen bei der völkisch 
	ausgerichteten Intelligenz auf sich aufmerksam. Nach Abschluss des 
	Referendardienstes arbeitete er als Amtsrichter an verschiedenen Gerichten. 
	Er trat NSDAP und SS bei. 1935 wurde er stellvertretender Leiter der Gestapo 
	in Berlin. Innerhalb des Reichssicherheitshauptamtes war er später 
	verantwortlich für Personalfragen. Er lenkte die Einsatzgruppen, die 
	unmittelbar nach dem Überfall auf Polen die polnische Intelligenz umbrachten 
	und dann in SS-Dienststellen transformiert wurden. Er entwarf eine erste 
	"Judenverordnung" für das besetzte Frankreich, die Vorbildcharakter für die 
	anderen von Deutschland besetzten Länder hatte. Er wurde 
	Reichsbevollmächtigter im besetzten Dänemark, forderte dort die "Lösung der 
	Judenfrage", scheiterte jedoch am Widerstand der dänischen Bevölkerung, die 
	die dänischen Juden rettete. Nach der Kapitulation wurde er verhaftet und 
	zum Tode verurteilt, in einem Revisionsprozess jedoch nur zu 12 Jahren Haft 
	verurteilt. 1951 wurde er begnadigt, trat in eine Rechtsanwaltskanzlei ein, 
	war führend an Kampagnen zur Freilassung von NS-Tätern beteiligt. Später 
	wurde Best zwar häufiger angeklagt, kam jedoch meist mit geringen Strafen 
	davon. Für die Morde der Einsatzgruppen in Polen, wurde er erst kurz nach 
	seinem Tod angeklagt. 
    
    hagalil.com 13-03-2005  |