"Österreichpatriotismus":
Das Dritte Lager und die Nazis
Die FPÖ gründete sich aus dem Verband der
Unabhängigen, einem Sammelbecken alter Nazis.
Von Thomas Schmidinger, Wien
Jungle World 11 v.
16.03.2005
Wo so vieler gedacht wird, da will Andreas Khol, der
österreichische Nationalratspräsident, auch die Verdienste des "Dritten
Lagers" gewürdigt wissen. Auch der Vorgänger der FPÖ, der "Verband der
Unabhängigen" (VdU), sagte er im österreichischen Fernsehen, habe seine
Verdienste für die Zweite Republik.
Dabei stehen gerade der VdU und die Geschichte des "Dritten Lagers" für die
Kontinuität von der Ersten Republik über den Nationalsozialismus bis zur
Zweiten Republik nach 1945. Als "Drittes Lager" wurde und wird das
deutschnationale und antisemitische Parteienspektrum bezeichnet, das sich
seit der Habsburger Monarchie neben den Christlichsozialen und den
Sozialdemokraten etabliert hatte und dessen Anhänger in den dreißiger Jahren
in die NSDAP strömten.
Zum Zeitpunkt der militärischen Niederlage des Deutschen Reiches war das
"Dritte Lager" zwar identisch mit den österreichischen Nazis. Doch nachdem
den rund 700 000 ehemaligen NSDAP-Mitgliedern das aktive Wahlrecht wieder
zuerkannt worden war, versuchten die Nazis, mit dem VdU an die weniger
belasteten Teile des "Dritten Lagers" anzuknüpfen. Die Gründung des VdU im
Jahr 1949 überließ man daher einigen Liberalen wie dem nationalliberal,
nicht nationalsozialistisch gesinnten ersten Parteiobmann, Herbert Kraus.
Nach der Unterzeichnung des Staatsvertrag und dem Abzug der Alliierten im
Jahr 1955 sahen die alten Nazikader in der zweiten Reihe jedoch keine
Notwendigkeit mehr für Versteckspiele. Der VdU spaltete sich. Die
überwiegende Mehrheit der Mitglieder und Funktionäre gründete die nunmehr
von strammen alten Kameraden geleitete FPÖ.
Mit Anton Reinthaller übernahm ein hoher NS-Funktionär die Führung der FPÖ.
Reinthaller war Mitglied der Landesleitung der NSDAP in Österreich, gehörte
1938 dem nationalsozialistischen Kabinett von Arthur Seyss-Inquart an und
wurde schließlich Brigadeführer der SS. Nach seinem Tod wurde mit Friedrich
Peter erneut ein früherer führender Nazi und Kriegsverbrecher
Parteivorsitzender. Peter, vor 1938 bereits in der illegalen HJ aktiv, war
Mitglied der 1. SS-Infanteriebrigade, einer der schlimmsten
Kriegsverbrecherbanden NS-Deutschlands, und stand auch nach 1945 stolz zu
seiner NS-Vergangenheit. Selbst der Kanzler Bruno Kreisky (SPÖ) verteidigte
den Vorsitzenden jener Partei, die 1983 die erste SPÖ-Minderheitsregierung
stützte, gegen die Kritik Simon Wiesenthals.
In der FPÖ dominierten jedoch nicht nur in der obersten Riege die alten
Nazis. Erst in der Ära des Vorsitzenden Norbert Steger (1980 bis 1986)
gelang es einem jüngeren liberalen Flügel, in die Parteiführung
vorzudringen. Der Versuch, die FPÖ von oben herab zu einer liberalen Partei
umzugestalten, scheiterte nicht nur an den schlechten Wahlergebnissen
Stegers, sondern auch am Unwillen der Basis. Spätestens mit dem
innerparteilichen Putsch Jörg Haiders im Jahr 1986 und der Abspaltung des
Liberalen Forums 1993 ist die FPÖ zu einer Partei der Neuen Rechten mutiert,
die trotz aller Bekenntnisse Haiders und der ihm folgenden Vorsitzenden zum
"Österreichpatriotismus" weiterhin einen klar deutschnationalen Flügel
besitzt. Der wurde in Person Ewald Stadlers und des EU-Abgeordneten Andreas
Mölzer erst in der vergangenen Woche aus dem Parteivorstand gedrängt.
Wer sich allerdings Jörg Haiders "Österreichpatriotismus" genauer ansieht,
wird nicht umhin kommen, diesen in einer postnationalsozialistischen
Tradition zu verorten. Rassismus, autoritäres und männerbündisches Denken,
Antisemitismus und gegen die slowenische Minderheit Kärntens gerichtete
antislawische Ressentiments verbinden den "Österreichpatriotismus" der
heutigen FPÖ mit dem Nationalsozialismus ihrer Gründerväter.
hagalil.com
21-03-2005 |