
Gescheitertes Doku-Drama:
Ausgeschlachtet
Hitler im Hintergrund, vorn im
Bild das Volk: So versucht "Die letzte Schlacht" (So., 15.40 Uhr,
Arte) die Zeit rund um die Kapitulation des Dritten Reiches
darzustellen - und scheitert
Von Stefan Reinecke
In der ersten Szene schlurft Hitler am 20. April
durch ein unterirdisches Lazarett. Verletzte Kinder schwenken
zaghaft Hakenkreuzfähnchen, dann ist Hitler - ein seltsames, vages
Gespenst - wieder verschwunden. Hans-Christoph Blumenberg, Regisseur
des Doku-Dramas, will demonstrativ etwas anderes als Bernd Eichinger
mit dem "Untergang". Weniger Hitler, weniger Königsdrama, mehr
kleine Leute.
Das Personal reicht von deutschen Soldaten, die weder Lust zu
kämpfen noch Mut zu desertieren haben, über Krankenschwestern, einen
Juden, der rätselhafterweise aus dem Gestapokeller frei kommt, über
Rotarmisten bis zu Frauen, die von jenen Soldaten vergewaltigt
wurden. Dieser Blick ist eigentlich ganz angemessen, weil er die
mittlerweile weniger neurotische als nervtötende Hitler-Fixierung zu
vermeiden sucht. Und doch ist "Die letzte Schlacht" rundweg
gescheitert.
Als historische Korrekturzeichen gegen die mediale Hitlerei taugt er
nicht, weil Blumenberg doch Hitlers Entourage, vom Telefonisten bis
zum Adjudanten, sehr viel Raum lässt. Vor allem aber ist "Die letzte
Schlacht" als filmische Erzählung gescheitert. Die Machart ist
konventionell: Zeitzeugen erzählen, Schauspieler illustrieren, Musik
emotionalisiert. Dieses Arrangement will auf Authentizität hinaus:
Ja, so war es wirklich, verkündet jede Szene stolz, obwohl die
Spielszenen natürlich Erfindungen sind. Das Authentische ist eine
doppelte Falle - es imprägniert die von Zeitzeugen beglaubigten
Bilder gegen Kritik. Und es zerstört erzählerische Möglichkeiten.
In "Die letzte Schlacht" herrscht die trostlose Dramaturgie des "und
dann und dann". Blumenberg schaltet zwischen den Schauplätzen und
Akteuren hin und her - doch dabei entsteht keine Spannung, kein
Widerspruch, sondern nur eine seltsame Diffusität. Irgendwie kommen
alle möglichen Stimmen zu Wort, aber daraus wächst kein Gesamtbild,
keine Struktur. Hinzu kommt ästhetische Mutlosigkeit. Bei
Gewaltszenen folgt stets ein Schnitt. Manche Dialoge sind von schwer
erträglicher Überdeutlichkeit - etwa wenn der aus dem Gestapokeller
entkommene Jude seinen Nazionkel aufsucht und der - aha, ein
deutscher Opportunist - Stalin lobt und nahe legt, dass der Neffe
beim Russen ein gutes Wort für ihn einlegen wird.
Den entfesselten Irrsinn dieser Tage symbolisiert eine Orgie im
Rundfunk. Doch auch diese Orgie sieht einfach nur nett und
fernsehspielgerecht aus. "Die letzte Schlacht" findet weder Bilder
für die Todessehnsucht der Nazis noch für das Elend der Zivilisten.
Man kann auch abstürzen, wenn man immer nur auf der sicheren Seite
bleibt.
Wiederholung: 15. 3., 20.15 Uhr, ZDF
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29-01-2005 |