Die lange Tradition der bedeutenden Wormser Jüdischen
Gemeinde spiegelt sich in den Beständen und dem bewegten Schicksal ihrer
Archivalien wieder. Die Unterlagen gelangten nach vielem Hin und Her im
Jahre 1957 in das 'Archiv für die Geschichte des Jüdisches Volkes' in
Jerusalem. Die am Ende des 19. Jahrhunderts auf dem Speicher der Synagoge
entdeckten Unterlagen aus mehreren Jahrhunderten wurden am Ende des 19.
Jahrhunderts verzeichnet und somit zugänglich und der Forschung bekannt
gemacht.
Die Schriftstücke spielten eine wichtige Rolle für das
historische Selbstverständnis der Wormser Juden und wurden nach dem
Novemberpogrom von1938 durch die Geheime Staatspolizei nach Darmstadt
verbracht, später durch den Stadtarchivar und Museumsleiter Dr. Friedrich M.
Illert wieder nach Worms zurückgeholt und überstanden hier fast völlig
unbeschadet die NS-Zeit und den Krieg. Danach kam es nach langen
Verhandlungen zu einer Abgabe der Akten an das Jerusalemer Zentralarchiv,
das für alle vormaligen deutsch-jüdischen Gemeindearchive zur neuen
Heimstatt werden sollte. Hier liegen die Papiere und Pergamente bis heute.
Vor der Abgabe nach Israel fertigte das Stadtarchiv 1956/57 Mikrofilme des
gesamten, sehr genau verzeichneten Bestandes an, der auch die beiden Bände
des Wormser Machsor von 1272/73 umfasste, eines der kostbarsten Teile der
Sammlung.

Schutzbrief des Mainzer Erzbischofs für den Juden Raphael Aron zu
Seligenstadt, 1695
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Die Filme konnten von Wissenschaftlern in der Vergangenheit
trotz ihrer großen Bedeutung wegen ihres nicht mehr gängigen, sehr
unhandlichen Formats kaum genutzt werden. Bereits seit langem bestand daher
die Absicht, die wertvollen Archivalien in verbesserter Form zugänglich zu
machen und ihren Bestand zu sichern. Infolge großzügiger finanzieller
Unterstützung durch den Altertumsverein anlässlich seines 125jährigen
Jubiläums im Umfang von 3000 Euro und unter zusätzlicher Aufbringung eigener
Finanzmittel in etwa gleicher Höhe war es dem Stadtarchiv in den letzten
Monaten nun möglich, die Mikrofilme auf heutiges Rollfilmformat umkopieren
zu lassen.
Die vom Archiv beauftragte niederländische Spezialfirma hat
darüber hinaus alle Unterlagen vollständig digitalisiert, d. h. aufwendig
und in sehr guter Qualität eingescannt und so in bequemer Form benutzbar
gemacht. Die Daten befinden sich jetzt auf nicht weniger als 56 CD-ROMs und
umfassen eine Datenmenge von insgesamt mehr als 30 Gigabyte. Vor allem für
die bislang nur wenig beachtete Zeit zwischen dem 16. und dem 18.
Jahrhundert enthält der Bestand sehr wertvolles Quellenmaterial. Zur Zeit
wird die spannende Geschichte des Materials und ihres Schicksals näher
aufgearbeitet; die Datenträger sind inzwischen über eine genaue
Bestandsliste benutzbar gemacht worden. Es handelt sich hiermit um den
ersten vollständig digital (und zusätzlich konventionell) gesicherten und
benutzbaren Archivbestand des Stadtarchivs, was – auch dank des erheblichen
Engagements des Altertumsvereins - der weiteren Erforschung der jüdischen
Gemeinde im Kontext der Wormser Stadtgeschichte neue Impulse verleihen
dürfte.