Gegenwehr in Weimar:
Gewöhnung und Ermattung der "Anständigen" sind zu beobachten
Die Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus bei Radio Lotte Weimar hat
eine Dokumentation und Situationseinschätzung zur Entwicklung des
Rechtsextremismus in Weimar / Weimarer Land vorgelegt.
Pressemitteilung - Aus der Dokumentation, die gegen eine Schutzgebühr von
2,50 Euro in der Netzwerkstelle, Herderplatz 12, 99423 Weimar, erhältlich
ist, geht hervor, dass rechtsextreme Aktivitäten der beiden Weimarer
Kameradschaften und ihres Umfeldes im Jahr 2004 sprunghaft zugenommen haben
und an – im negativen Sinne – politischer Qualität gewonnen haben: gut
organisierte Flugblattaktionen, eine starke Präsenz im öffentlichen Raum,
„nationale Stadtrundgänge“, Versuche an gesellschaftlichen Ereignissen (z.B.
Fußballturnieren) teilzunehmen usw.
Die Versuche der Szene, sich im Sog der Wahlerfolge
rechtsextremer Parteien und gestärkt vom Schulterschluss sog. freier
Kameradschaften mit der NPD als seriöser und engagierter Ansprechpartner
anzubieten, zeitigte vor allem bei sehr jungen Menschen, aber auch bei von
sozialen Umbrüchen Verunsicherten und Betroffenen, durchaus Besorgnis
erregende Erfolge.
Allerdings
kontrastiert diese Betriebsamkeit im Sinne einer „braunen Zivilgesellschaft“
mit einer eindeutig neonazistischen Internetpräsenz, welche vor
Beleidigungen, Bedrohungen und Angriffen auf Persönlichkeiten des
Weimarer Stadtlebens nur so überquillt. T-Shirt-Slogans, Website-Links, z.T.
auch die Flugblätter und die im Rahmen einer Razzia zutage geförderten
Fotografien jedoch lassen keinen Zweifel daran zu, dass die Weimarer Szene
der militanten Neonazi-Szene Deutschlands zuzuordnen ist.
Hohn, Hass und Feindseligkeit gegen Juden, Spätausiedler und
Ausländer sowie gegen das „BRD-System“ und seine „Systemknechte“ (Polizei)
bestimmen die Äußerungen dieses auf rund 25 Personen zu schätzenden
organisierten Kerns der Weimarer Gruppierungen.
Das Jahr 2004 verzeichnet auch eine ganze Anzahl von tätlichen
Angriffen und Sachbeschädigungen, die sich recht eindeutig dem Umfeld dieser
Szene zuordnen lassen.
Im zurückliegenden Jahr war die zivilgesellschaftliche
Gegenwehr des demokratischen Weimar bisweilen von der rechtsextremen
Dauerpräsenz überfordert. Wo vor Jahren noch bis zu 1500 BürgerInnen gegen
Rechts auf die Straße gingen, ist vielfach ein Ermatten der Gegenwehr und
eine Art Gewöhnung zu beobachten.
Die Netzwerkstelle hatte bereits im Juni 2004 auf den „4. Thüringentag der
Nationalen Jugend“ am Samstag, 28.5.05, auf dem Theaterplatz hingewiesen und
ruft alle BürgerInnen der Stadt zur Teilnahme an vielfältigen und kreativen
Gegenaktionen auf. Da die Anmeldung durch einen Jenaer NPD-Kader vermutlich
gerichtsfest ist, sind viel Kreativität und klare Signale aus Stadtrat und
Stadtverwaltung gefragt.
Fritz Burschel, Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus
bei Radio "Lotte in Weimar",
weimar-gegen-rechts@web.de,
www.weimar-zeigt-sich.de
hagalil.com
28-02-2005 |