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Wahlen im Irak:
Blau ist die Hoffnung

Die Beteiligung an den Wahlen im Irak war unerwartet hoch. Der blau gefärbte Zeigefinger wurde zum Symbol der Demokratisierung.

Von Thomas von der Osten-Sacken, Suleymania
Jungle World 6 v. 09.02.2005

Es ist fraglich, ob Musab al-Zarqawi, der drei Tage vor der Wahl im Irak medienwirksam der Demokratie den Krieg erklärt und gedroht hatte, die Straßen des Irak in Blut zu waschen, je erfahren wird, wie der Wahltag in seinem ehemaligen Hauptquartier abgelaufen ist. In Biara, einer kurdischen Kleinstadt an der iranischen Grenze, erinnert man sich jedenfalls noch gut an die Zeiten, als Zarqawi hier mit seiner Armee des Islam ein Regime nach dem Modell der Taliban errichtet hatte, bis die US-Armee und kurdische Milizeinheiten im März 2003 die Gegend befreiten.

Anschläge im kurdischen Nordirak waren am ehesten hier zu befürchten. Dementsprechend übertrafen am Wahltag die Sicherheitsvorkehrungen in Biara noch die in anderen Teilen Kurdistans. Privatfahrzeuge waren aus dem Straßenverkehr verbannt, überall kontrollierten Sicherheitskräfte den Verkehr, Wahllokale, die in der Regel in Schulen eingerichtet waren, wurden weiträumig abgesperrt, um Selbstmordattentate zu verhindern. Wohl noch nie in der jüngeren Geschichte ist eine Wahl unter solchen Umständen vorbereitet und durchgeführt worden. Schließlich galt dem "irakischen Widerstand" jeder Wähler als Verräter und wurde mit dem Tod bedroht.

In Biara aber ließ sich von den martialischen Drohungen Zarqawis niemand abschrecken. Bereits gegen 14 Uhr, so vermeldete das lokale Wahlkomitee, hatten 87 Prozent der 2 300 Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Besonders hoch sei die Beteiligung von Frauen gewesen. Noch vor zwei Jahren durften sie nur völlig verschleiert und in Begleitung eines männlichen Familienmitglieds das Haus verlassen. Nun sind zwei der vier in Biara anwesenden lokalen Wahlbeobachter Frauen aus der Region.

Die Bilder glichen sich in allen kurdischen Städten. Schon kurz nach sieben Uhr bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen. Oft stundenlang harrten die Menschen aus, um dann, nach eingehender Kontrolle, zu den Urnen vorgelassen zu werden. Sie sei so aufgeregt, berichtet Amina Qaradaghi, dass sie die Nacht vorher nicht hätte schlafen können. Als Analphabetin hat sie sich auf einen Zettel schreiben lassen, wen sie wählen will: die Vereinigte Kurdische Liste für die Nationalversammlung in Bagdad, die gemeinsame Kurdische Liste für das Regionalparlament in Arbil und die Patriotische Union Kurdistans bei den Kommunalwahlen. Wie sie, so stellte sich später heraus, stimmte die überwältigende Mehrheit der Wähler und Wählerinnen.

Schon Tage vor dem Wahltag herrschte in Suleymania Festtagsstimmung, nachts fuhren Autokorsos durch die Stadt. "Wenn die Terroristen der Demokratie den Krieg erklären, dann gehe ich erst recht wählen", erklärte der Friseur Fuad Amin. Während im schiitischen Süden des Irak die Menschen seit langem auf diesen Tag gewartet hatten, schien den Kurden seine ganze Bedeutung erst in den Wochen vor der Wahl bewusst zu werden. Schließlich wurde in den kurdischen Autonomiegebieten und in der Stadt Kirkuk dann eine Wahlbeteiligung von über 80 Prozent verzeichnet.

Vor den Wahllokalen war die Situation in den anderen Landesteilen des Irak das Hauptgesprächsthema. Man war sich bewusst, dass nur eine landesweit hohe Wahlbeteiligung den Urnengang auch international legitimieren würde. Entsprechend groß war die Furcht, es könne den Terroristen gelingen, die Wahl im Chaos versinken zu lassen.

Auch wenn, unter anderem wegen der strengen Sicherheitsvorkehrungen, die irakische Sicherheitsdienste und Koalitionstruppen getroffen hatten, das angekündigte und von europäischen Medien fast herbeigesehnte Blutbad ausblieb, verliefen die Wahlen nicht überall so glatt wie in Suleymania. In einigen Städten des sunnitischen Dreiecks fanden sie erst gar nicht statt, 36 Menschen fielen am Wahltag Terroranschlägen zum Opfer.

Doch selbst im Zentralirak warfen weit mehr Menschen ihren Stimmzettel in die Urne als erwartet. In Saddams Geburtsstadt Tikrit sollen es knapp die Hälfte aller registrierten Wähler gewesen sein. Aus Baqubah meldeten irakische Journalisten, dass einerseits Wähler und Polizisten zusammen auf der Straße tanzten, andererseits vermummte "Widerständler" gezielt Jagd machten, um Menschen den blauen Zeigefinger wegzuschießen. Während sich in Najaf spontan Demonstranten zusammenfanden, um mit dem Slogan "Ja zur Demokratie. Nein zur Diktatur. Lang lebe die Freiheit" durch die Straßen zu ziehen, musste man andernorts extremen Mut beweisen, um den Weg zu den wie Festungen bewachten Wahllokalen zu wagen.

Nicht nur die wenigen internationalen Wahlbeobachter im Nordirak, sondern auch all die Wähler, die von Vertretern der Medien befragt wurden, waren mit dem Verlauf der Wahl zufrieden. Die Wahlhelfer, meist Lehrer, waren intensiv vorbereitet worden, in jedem Wahllokal hielten sich irakische Wahlbeobachter und Vertreter der verschiedenen Parteien auf, um den Wahlprozess zu überwachen. In einigen Orten beklagten sich Wahlbeobachter, islamistische Gruppierungen hätten versucht, auf analphabetische Wähler Einfluss zu nehmen, insgesamt aber war in der Provinz Suleymania wenig Kritik an den Wahlen zu vernehmen.

Auch in anderen Teilen des Irak scheint es nicht zu größeren Unregelmäßigkeiten gekommen zu sein. Eine Ausnahme ist möglicherweise Mosul. Vertreter der assyrischen Minderheit kritisierten, in ihrer Region seien die Wahlurnen nicht ausgeliefert worden, so dass 100 000 Assyrer an der Wahl nicht hätten teilnehmen können.

Schon am Nachmittag zeigten Menschen in den Straßen stolz ihre mit blauer Tinte markierten Zeigefinger. Als gegen 18 Uhr landesweit die Stimmenauszählung begann, war die Erleichterung und Freude überall zu spüren. Mohammad Salim, Verantwortlicher für das Wahlkomitee einer Schule in Suleymania, meinte: "Bevor wir wissen, wer diese Wahl gewonnen hat, wissen wir jetzt, wer sie verloren hat: die Terroristen und die arabischen Staaten, die sie unterstützen." Und stolz fügt er hinzu: "Wir haben der Welt bewiesen, dass wir Iraker, Kurden und Araber, sehr wohl in der Lage sind, demokratische Wahlen abzuhalten."

Zu den Verlierern gehören ebenfalls alle in Europa, die bis zur letzten Minute erklärt hatten, diese Wahlen würden in einem Desaster enden, ebenso wie all jene, die geglaubt oder sogar gehofft hatten, es gäbe einen populären "irakischen Widerstand", der diese Wahlen effektiv verhindern könnte.

Der blaue Finger sollte am nächsten Tag zum Symbol der ersten freien Wahlen im Irak werden. Die Reform Party of Syria meldete sogar, syrische Oppositionelle hätten sich zum Protest gegen die Diktatur Bashir al-Assads ihre Zeigefinger eingefärbt.

hagalil.com 10-02-2005

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