
Josef Goebbels:
Chronik einer Nazi-Karriere
Was wir schon immer über Hitlers
Propagandaminister wussten: Mit seinem "Goebbels Experiment"
(Panorama) scheitert Lutz Hachmeister an der Gefälligkeit seiner
Bilder - und an seinem falschen Tabubruch-Tremolo
Von Stefan Reinecke
Lutz Hachmeister wollte etwas Großes, Verstörendes
schaffen: ein Porträt von Josef Goebbels, nur aus Bildern von
Goebbels und dessen Tagebuchnotizen. Ohne moralische Distanzierung,
ohne Kommentar. Wir sollen dem Schrecken ins Auge sehen.
Dass diese Methode produktiv sein kann, hat Romuald Karmakar mit dem
"Himmler-Projekt" gezeigt. Dreieinhalb Stunden lang hörte man dort
eine Himmler-Rede von 1943, rezitiert von einem Schauspieler. Bei
Karmakar konnte man die Banalität, den Schrecken, die Logik des
NS-Regimes erfahren. Das Himmler-Projekt macht einen klüger - das
"Goebbels Experiment" nicht.
Irritierend ist bei Hachmeister nicht, dass wir einem Nazi auf
Augenhöhe begegnen. Ärgerlich, ja anstößig ist, dass diese Begegnung
so gefällig ist. Die Bilder sind in raschem Wechsel montiert, es
gibt kaum Pausen, im Hintergrund plätschert Musik, die für
Gefühlsrauschen sorgt und sich kaum von den Produktionen aus der
Knopp-Fabrik unterscheidet.
Solide wird ein Leben montiert, von der Geburt bis zum Tod im
Führerbunker. Die Chronik mag, zumal wenn man, wie Hachmeister,
Moralfragen lässig beiseite wischt, als verlässliches Gerüst
erscheinen. Ein Leben, ordentlich mit Bildern und Zitaten
illustriert. Aber mit welchem Interesse, mit welchem
Erkenntnisgewinn?
Goebbels liebte Hitler. Er bewunderte dessen Rhetorik. Er hasste
Juden. Er war ein Agitator, der sich auf Effekte versteht. Er war
ein moderner, medienbewusster Politiker. Er war, wie alle Nazis um
Hitler, neidisch auf die anderen, die um dessen Gunst konkurrierten.
So war es. Und?
In den Fokus rückt hier, bedingt durch die Form der Chronik, dass
Goebbels nicht als Nazi geboren wurde. Er war in seiner Jugend ein
verzweifelter, einsamer Mann. Die Erlösung von dieser Unglücksjugend
war gekoppelt an die Nazibewegung. Dort hatte er einen Platz, die
Bewegung stiftete Sinn und gab ihm Raum für Auftritte. So sah
Goebbels es, so zeigt es Hachmeister.
Doch zu der Frage, wie aus dem Bildungsbürgerkind ein Massenmörder
wurde, kommt der Film nicht. Hachmeister kann sie wegen seiner
Blickbeschränkung sauf Goebbels Perspektive, nicht stellen,
geschweige denn beantworten. So bleibt alles Oberfläche. Der
Verzicht auf einen Kommentar, von viel Tabubruch-Tremolo begleitet,
wirkt kokett. Er macht den Film nicht stärker. Im Gegenteil.
Am Ende sieht man den verbrannten Torso von Goebbels in der
Reichskanzlei. Dazu ertönt Musik, sehr sanfte, getragene Töne in
Moll. Sollen wir trauern? Oder ist das nur jene Gedankenlosigkeit,
die eine auf emotionale Effekte geeichte Dramaturgie mit sich
bringt: Musik muss halt sein, und Heiteres passt doch irgendwie
nicht zu Leichen?
Das "Goebbels-Experiment" zeigt, dass es nicht ausreicht, bei
NS-Bildern bloß die pädagogischen Stützräder abzuschrauben und
unterhaltsam sein zu wollen. Das "Goebbels-Experiment" hat dem
faschistischen Blick, den es zitiert, kaum etwas entgegenzusetzen.
"Das Goebbels-Experiment": 17. 2., 15.30 Uhr, Colosseum 1
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17-02-2005 |