
Rechtsextreme Fantasien:
Weder ignorieren noch diskutieren
Von Stefan Reinecke
Die demokratischen Parteien tun sich schwer mit
der NPD. Sie wirken unsouverän, oft zu aufgeregt, manchmal hilflos.
Warum? Manche halten diese Schwäche für ein Problem der politischen
Klasse. Da ist etwas dran. Denn die NPD hat die Rolle des Outcasts
besetzt. Das verschaffte ihr gegenüber den Etablierten eine Art
dramaturgischen Vorteil, der Politiker verstört. Aber das Problem
ist viel komplexer. Denn auch der demokratischen Öffentlichkeit geht
es nicht viel besser. Auch sie schaute gestern ratlos und entsetzt
auf die 5.000 Jungnazis, die durch Dresden marschierten.
Die Rechtsextremen stellen aufgeklärte Zeitgenossen
vor eine paradoxe Situation. Selbstverständlich dürfen wir die NPD
nicht ignorieren. Die demokratische Öffentlichkeit muss sich mit ihr
befassen - aber schon da wird die Angelegenheit schwierig. Denn die
NPD ist kein satisfaktionsfähiger politischer Gegner. Wer ihre
Argumente widerlegt, läuft Gefahr, paranoiden Unfug mit dem Anschein
des Rationalen zu adeln. Über die Lüge, dass die Deutschen die
wahren Opfer des Zweiten Weltkriegs sind, kann man nicht
debattieren. Wer es tut, erweckt den Eindruck, dass es sich dabei um
ein Argument handelt - um ein falsches, ressentimentgetränktes, aber
doch eines, in dem sich eine diskutable Weltanschauung ausdrückt.
Doch was die NPD will, ist jenseits des Diskutablen.
Über den rassistischen Wunsch, alle Nichtdeutschen auszubürgern,
oder die Idee, die Grenzen zu schließen und Deutschland in eine Art
Herrenmensch-Nordkorea zu verwandeln, kann man sich nicht in Pro und
Contra streiten. Die NPD-Ideologie ist nichts als eine trübe
Mischung aus Angst, Reinheits- und Omnipotenzfantasien. Die einzige
intellektuell gebotene Antwort darauf ist im Grunde ein Zitat von
Karl Kraus: Es gibt Sachen, die sind so falsch, dass noch nicht mal
das Gegenteil richtig ist.
Umgehen kann man diese Paradoxien nicht, besser damit
klarkommen schon. Skandalisierungen jedenfalls nutzen nur der NPD.
In Schleswig-Holstein klettert die NPD, seit Stoiber mit ihr
Wahlkampf gegen Rot-Grün macht, in den Umfragen nach oben.
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15-02-2005 |