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Rückfällig:
Dieudonné, der gar nicht lustige Komiker

Dieudonné M'bala M'bala spricht vom Gedenken an die Shoah als "Erinnerungs-Pronographie" ­ Sturm der Entrüstung in Frankreich

Von Bernard Schmid, Paris

Dieudonné M'bala M'bala ist erneut "rückfällig" geworden, muss nun aber höchstwahrscheinlich mit juristischen Konsequenzen rechnen. Sein jüngster Auftritt vom Mittwoch vergangener Woche, bei dem er u.a. vom Gedenken an die Shoah (oder, wie er meint, dem Wachhalten dieses Gedenkens aus politischem Interesse) als "Pornographie der Erinnerung" sprach, wurde in der französischen Politik mit breitem Abscheu registriert. Seine seitdem nachfolgenden Rechtfertigungsversuche und seine Pressekonferenz am vergangenen Samstag Nachmittag haben seine Position dabei nicht verbessert.

Der Justizminister der konservativen Regierung, Dominique Perben, hat die Einleitung eines Strafverfahrens wegen des Straftatbestands der Leugnung oder Verharmlosung von Verbrechen gegen die Menschheit veranlasst. Alle drei antirassistischen Organisationen von Bedeutung haben jeweils von ihrer Seite her angekündigt, juristische Schritte gegen Dieudonné zu prüfen: SOS Racisme (der französischen Sozialdemokratie nahe stehend), der MRAP ("Bewegung gegen Rassismus und für Völkerfreundschaft", vor allem in der arabischen Community verankert, ehemals KP-nahe) und die LICRA ("Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus", vorwiegend in der jüdischen Community verankert und eher liberal). Auch die Union jüdischer Studenten UEJF prüft ebenfalls die Einleitung strafrechtlicher Schritte.

Doch zunächst noch kurz zur Vorgeschichte, bevor es um die aktuellen Geschehnisse gehen soll.

Die Vorgeschichte: Eskalation eines kommunitaristischen (Hass-)Diskurses

Vor einem Jahr hatte der, in Frankreich früher populäre Schauspieler und Komiker (halb kamerunischer Herkunft) im Mittelpunkt eines Skandals gestanden. Damals hatte er zunächst in einem Fernsehsketch den Gruß "Isra-Heil" gezeigt, was er selbst als Kritik an der israelischen Politik verstanden wissen wollte. Infolge der daraufhin laut werdenden massiven Kritik, die auch mit einigen unglücklichen Lynchdrohungen einher ging, begann Dieudonné sich in zunehmender aggressiver Weise in gehässige Äußerungen und Kolonialismus-Vorwürfe gegen Vertreter der französischen Juden hinein zu steigern. Diese Eskalation in Dieudonnés Diskurs hat sich in den vergangenen Monaten radikalisiert und zugespitzt.

In den letzten (ungefähr) sechs Monaten präsentierte Dieudonné in Frankreich sein Spektakel "Mes excuses" (Meine Entschuldigung). Doch statt einer Entschuldigung für mögliche Entgleisungen, bei denen er ­ und sei es unabsichtigt ­ zu weit gegangen wäre, präsentierte Dieudonné dabei eine mal ironische, mal aggressive "Vorwärtsverteidigung": Er ging gegen vorgebliche "zionistische Lobbys" in Frankreich in die Offensive, die er des Kolonialismus und Rassismus zichtigte. Nun gibt es koloniales und postkoloniales Denken, rassistische Diskriminierungen und Ähnliches in Frankreich, und zwar nicht zu knapp. Dieudonné aber spitzte diese Anklage immer mehr in Richtung der jüdischen Community zu, und verließ immer mehr den Weg einer (allgemeinen und politisch-rational vorgetragenen) Kritik an der französischen Gesellschaft.

Zu den Höhepunkten seines Spektakels zählt eine Szene, in der er einen vorgeblichen jüdischen Intellektuellen namens "Goldenkraut" (bevorzugt "Golden-krott" ausgesprochen, wobei "crotte" allerhand unschöne Dinge von Kruste bis zu Hundescheiße bedeutet) zu Wort kommen lässt. Diesem wird die ironisch-höhnische Aussage in den Mund gelegt, die afrikanischen Völker seien "dem auserwählten Volk gegenüber nicht dankbar genug". Wo dieses auserwählte Volk ihnen doch die Zivilisation gebracht und solche Denker wie Voltaire und Montesqieu ("die natürlich zu 90 Prozent Juden waren", wie ironisch versichert wird) hervor gebracht habe. Die karikaturhafte Figur beruft sich ferner ironisch darauf, dass sie "100.000, ach was sage ich, 200.000 Jahren an Verfolgung und Pogromen undund hinter mir" habe.

Dieudonnés Bruch mit der Palästina-Solidaritätsszene: Der Komiker wird vermehrt als zweifelhafte Figur eingestuft

Im Spätherbst 2004 gaben die Führungsfiguren der vor den letzten Europaparlamentswahlen im Juni 04 gebildeten Liste "Euro-Palestine" ihren Bruch mit Dieudonné bekannt. Bereits in der Vergangenheit war die Liste Vorwürfen ausgesetzt, dem Antisemitismus gegenüber mindestens mangelnde Sensibilität an den Tag zu legen. Dabei spielte auch die Verwendung von Dieudonné als einer der Spitzenkandidaten bei den EP-Wahlen eine Rolle: Dieudonné hatte damals bei einem Abschlussmeeting am 8. Juni 04 die Namen führender pro-israelischer Persönlichkeiten in Frankreich auspfeifen lassen, wobei er mindestens in einem Falle (dem des sozialliberalen Ex-Wirtschaftsministers Dominique Strauss-Kahn, dessen Name er bewusst als "Strauss-Cohen" aussprach) deren jüdische Wurzeln extrem betonte.

Das Listenprojekt war in der französischen Internationalismus- und Pro-Palästina-Szene heftig umstritten. Und prominente Figuren dieses Milieus wie der linke jüdische Historiker Maurice Rajfus (ein dezidierter Antikolonialist, aber auch Autor zahlreicher Bücher über die Shoah in Frankreich, das Lager von Drancy als Durchgangslage zu den Todeslagern und über das Vichy-Regime) sprangen ab, als sie erkannten, mit was für Leuten und was für einem inhaltlichen Profil sie es zu tun hatten. Diese Solidaritäts-Szene ist in Frankreich nicht durch und durch völkisch geprägt, sondern viele linke französische Juden sind in ihr aktiv, und der gemeinsame Ansatzpunkt vieler Initiativen besteht aus einem internationalistisches Prinzip und einer politischen Kritik an der israelischen Besatzungspolitik in den palästinensischen Territorien. Doch zugleich hat sich in der jüngeren Immigrationspolitik ein gewisses Publikum für pro-palästinensische Äußerungen (und oftmals Phrasen) heraus gebildet, das sich nicht um die Feinheiten solcher rationaler Kritik kümmert. Während es den politisch strukturierten Linken eher darum geht, ein (anders als heute aussehendes) "Zusammenleben" der israelischen und der palästinensischen Bevölkerung zu fördern, geht es manchen jungen Franzosen migrantischer Herkunft eher um die simple Gleichung: "Araber = Opfer (wie wir hier in Frankreich) = gut, Juden = Täter". Die Rezeption des Nahostkonflikts seit 2000 in Frankreich bildete dafür nur einen, geeigneten und daher willkommenen, Katalysator.

Das Anwachsen dieser diffusen Strömung, die in einem Teil der Gesellschaft gut verankert ist, jedoch nicht immer explizit politischen Ausdruck findet, steht selbstverständlich mit der Erstarkung des Kommunitarismus und der Krise der französischen Trabantenstädte (als sozialen Brennpunkten) im Zusammenhang. Dabei findet ein Diskurs auch unter Minderheiten (parallel zum grassierenden Rassismus in einem Teil der Mehrheitsbevölkerung) vermehrt Anklang, der im Kern daraus besteht zu sagen: "Wir und unsere Gruppe sind die wahren Opfer der sozialen Missstände, deswegen haben unsere Interessen jetzt erst einmal Vorrang zu haben".

Genau das betreibt auch Dieudonné mit seinem Insistieren auf der Opfergeschichte der Schwarzen mit der Sklaverei. Diese wird von ihm nicht nur beständig beschworen (darauf zu bestehen, dass sie als Verbrechen gegen die Menschheit anerkannt werden muss, wäre ja noch nicht falsch) - sondern in eine zunehmend aggressive "Opferkonkurrenz" gegen den vermeintlich durch die Juden monopolisierten Opferstatus aufgrund der Shoah eingebracht. Ähnliches kannte man bereits aus den USA mit dem aggressiv antisemitischen, und ferner auch auf spezifische Weise rassistischen sowie extrem frauenfeindlichen, Auftreten des "Schwarzenführers" Luis Farakan als "Schwarzenführer" der Bewegung Nation of Islam (die freilich an Einfluss verloren hat). Dieudonné ist allerdings keine politische Führungsfigur wie Farrakan, sondern lediglich ein missglückter Bühnenredner. Doch er hatte eine gewisse Funktion, weshalb er als einer der Spitzenkandidaten auf die Liste zu den EP-Wahlen aufgenommen wurde.

Die Liste trat schließlich nur in der Ile-de-France (Region rund um Paris) zu den Europaparlamentswahlen an. Dort erhielt sie 1,83 Prozent der Stimmen, doch dieser Durchschnittswert für den gesamten Großraum Paris darf nicht darüber hinweg täuschen, dass ihre Stimmergebnisse in einzelnen Hochburgen deutlich höher ausfielen. Ihren höchsten stadtweiten Anteil erhielt sie in der Trabantenstadt Garges-lès-Gonnesse (einem besonderen "sozialen Brennpunkt" circa 10 Kilometer nördlich von Paris) mit knapp 11 Prozent. In einigen Hochhaussiedlungen überschritt die Liste die 20-Prozent-Marke. Ihr Abschneiden kann zweifelsohne als Spiegelbild für das Anwachsen des Kommunitarismus, im Kontext von sozialer Krise und Segregationstendenzen (die sich vom Zentrum aus auf die Peripherie der Großstädte fortschreiben), gewertet werden.

Im Sommer 2004 beschlossen die Führungsfiguren der Liste, auch nach den EP-Wahlen weiterzumachen, um eine kommunitaristische Kleinpartei "des diskriminierten, farbigen usw. Frankreich" zu konstituieren. Im Juli des vorigen Jahres machte die Liste vor allem durch eine Kundgebung vor der Fernsehstation TF1 auf sich aufmerksam, die sich gegen "Medienmanipulation" richten sollte. Hintergrund war damals die "affaire du RER", d.h. die Affäre um einen behaupteten, antisemitisch motivierten Überfall im pariser Vorortzug RER Anfang Juli 04, die sich jedoch als pure Erfindung einer psychisch kranken und nicht-jüdischen jungen Französin (Marie Leblanc) herausstellte. In dem entsprechenden Aufruf der Liste oder Kleinpartei "Euro-Palestine" wurde jedoch der Eindruck erweckt, dass nicht nur diese (tatsächlich fingierte) Aggression, sondern gleich das gesamte Phänomen der antijüdischen Gewalttaten in Frankreich insgesamt eine Medienerfindung und ­manipulation darstellten. Das ging aus dem Aufruf implizit, aber deutlich hervor.

Ab dem Herbst 2004 begann die Liste jedoch, allmählich auseinander zu fallen. Einerseits war sie in zunehmendem Maße von der übrigen Palastinä-Solidaritätsszene isoliert, aufgrund ihres tendenziell anrüchigen, der Frage des Antisemitismus gegenüber mindestens blinden Auftretens. Auch in den eigenen Reihen nahm deswegen die Kritik zu: Im Herbst 2004 gab einer der Mitbegründer, Robert Kissous, dem grünen-nahen Wochenmagazin "Politis" ein Interview, in dem er nicht mit scharfer Kritik an seiner ehemaligen Liste/Partei sparte. Diese habe "zweifelhafte Personen" wie den Berufsprovokateur Alain Soral (zu ihm gleich mehr) und den Erfinder des kommunitaristischen Konsumprodukts "Mecca Cola", Tawfik Matholuti, angezogen. Im Übrigen habe "Euro-Palestine" seit dem Vorfeld der EP-Wahlen die ehemals explizite Position zugunsten der Zwei-Staaten-Lösung aufgegeben bzw. aus dem Programm genommen, so dass sich keine positive Aussage mehr über die politische Zukunft des jüdisch-israelischen Volkes mehr finde. Drei Wochen später legte der israelische linke Aktivist Michel Warschawski, ebenfalls in "Politis", in Form eines Offenen Briefes nach. Ihm machten sich "rassistische und geschichtsrevionistische Kleingruppen" in einem Flügel der Palästina-Solidarität breit, wofür er Euro-Palestine verantwortlich machte.

Andererseits vollzog nunmehr "Euro-Palestine", selbst unter Druck geraten und erheblich geschwächt, einen Bruch mit Dieudonné. Denn dieser war am 21. September zusammen mit dem Berufsprovokateur und Schriftsteller Alain Soral im französischen Fernsehen aufgetreten. Dabei hatte Soral u.a. abgelassen, es sei doch kein Zufall, wenn die Juden "seit über 2.500 Jahren überall gehasst werden, wo sie hinkommen", und das könne "doch nicht immer der Fehler der Anderen" sein. Dieudonné blieb daneben sitzen und schwieg. (Soral war mit ihm auf der Tribüne bei der Abschlusskundgebung von "Euro-Palestine" im Juni gesessen.) Daraufhin begann man, ihn bei "Euro-Palestine" zu kritisieren und wegen seiner "wenig respektablen Kontakte" unter Druck zu setzen ­ und sei aus Gründen der Schadensbegrenzung. Am 29. Oktober 2004 gab Dieudonné seinerseits seinen Abschied von "Euro-Palestine" bekannt, möglicherweise um einem Ausschluss zuvorzukommen.

Dieudonné in Algier

In den folgenden Monaten ging Dieudonné mit seinem oben beschriebenen Spektakel "Mes excuses" auf Tour, dessen französische Abschlussveranstaltung Mitte Januar 2005 vor mindestens 3.000 Personen in der Pariser Konzerthalle Le Zénith stattfand.

Am vorigen Mittwoch nun wollte Dieudonné sein Spektakel erstmals außerhalb von Frankreich vorführen, und zwar beginnend in der Hauptstadt Algeriens. Neben seinem Auftritt in einem Saal in Algier gab er dort auch eine Pressekonferenz und Interviews in mehreren algerischen Zeitungen. Dabei sprach er bei seiner Saalverstaltung von der "Pornographie der Erinnerung (pronographie mémorielle)" in Bezug auf die Shoah und fügte hinzu: "eine Überdosis", für die eine zionistische Lobbygruppe in den französischen Medien verantwortlich sei. Dies sorgte sogleich nach Bekanntwerden dieser Äußerung in Frankreich, am Donnerstag, dort für einen Aufschrei. Der wurde allerdings noch dadurch verstärkt, dass der Infodienst proche-orient.indo ("Nahost Info") die Äußerung zunächst verzerrt wieder gab. Die allererste Publikation von Dieudonnés Auslassungen auf der zitierten Homepage erweckte noch den Eindruck, Dieudonné habe die Shoah an sich oder die Tatsache ihrer Erwähnung überhaupt als "Pornographie" bezeichnet. Das stimmte so nicht ganz, und gab Dieudonné zunächst nochmals Gelegenheit zur Verteidigung bzw. zur Anklage einer gegen ihn gerichteten "Manipulation". (Da der genannte Infodienst auf oftmals propagandistische und sehr einseitige Weise die israelische Regierungspolitik verteidigt und deswegen einen mitunter zweifelhaften journalistischen Ruf hat, erweckte dieser Streit um die von Dieudonné behauptete Manipulation zunächst in breiteren Kreisen noch Misstrauen. Tonbandaufnahmen belegten jedoch, dass zumindest die Worte "pornographie mémorielle" real gefallen sind, auch wenn Dieudonné ihnen einen anderen Sinn verleihen wollte: Er sprach nicht von der Shoah an sich, sondern von einer bestimmten Art ihrer politischen Instrumentalisierung, von der Dieudonné behauptet, sie werde von französischen Medien, aber "unter zionistischem Druck" vorgenommen. Das ist immer noch kritisier- und angreifbar genug, und ist ziemlich nahe an der These von der "jüdischen Beherrschung der Medien". Deshalb hätte man sich diesen Konflikt durch sauberes Zitieren auch gleich sparen können, anstatt Dieudonné dadurch zunächst noch Gelegenheit zur Rechtfertigung bzw. zum Abstreiten zu verleihen.)

Auf seiner Pressekonferenz in Algier, bei der jedoch kaum französische Medien voir Ort vertreten waren, wiederholte Dieudonné die Formulierung von der "Erinnerungs-Pornographie". Dabei zitierte er jedoch angeblich eine israelische Historikerin (Idith Zertal, die zu den verschiedenen politischen Diskursen über den Holocaust in Israel schrieb), hinter deren vorgeblichen Aussagen - die er freilich sehr verzerrt wiedergab - er sich verschanzte.

Hinzu kam das von ihm bereits aus wiederholten Anlässen beschworene Schweigen über "400 Jahre Sklaverei", und er forderte bei diesem Anlass, eine Geldsammlung für einen Film über dieses Thema zu lancieren. Er habe, so behauptete Dieudonné, bereits früher einen Film zu diesem Thema (der französischen Geschichte des Sklavenhandels) drehen wollen, doch man habe ihm in der französischen Kinowelt immer wieder geantwortet: "Das ist kein Thema für einen Film." Es ist natürlich gut möglich, dass Dieudonné mit einem solchen Projekt gegen eine Mauer gelaufen ist. Seinerseits absolut übel wird Dieudonné jedoch, wenn er dies (auf seiner Pressekonferenz in Algier) angeblichen "zionistischen Autoritäten" anlastet, die im französischen Kino das Sagen hatten. An dieser Stelle bricht wieder ein irrationaler Verschwörungsdiskurs durch, der sich gegen eine Community im Besonderen richtet, anstatt die französische Gesellschaft mit ihren Tabus über bestimmte Kolonialepochen als solche rational zu kritisieren.

Bei seinem algerischen Publikum versuchte Dieudonné ferner, durch einen Appel an die Gemeinsamkeit (nach dem Motto "Wir Opfer des Kolonialismus") und an "Uns Afrikaner" Sympathien zu erwecken. Das dürfte ihm zumindest teilweise auch gelungen sein, jedenfalls unter den Anwesenden. Die algerische Presse berichtete teilweise Dieudonné-apologetisch (so die bürgerlich-nationalistische Tageszeitung "El Waten") und teilweise eher neutral, unter Erwähnung der in Frankreich laut werdenden Vorwürfe (so die Tageszeitung "Liberté", die dem berberischen Milliardär Ibrahim Rabrab gehört).

Noch vor seiner Rückkehr nach Frankreich war dort ein Proteststurm quer durch die Parteien laut geworden, nachdem Premierminister Jean-Pierre Raffarin bereits am Wochenende zuvor (ohne Namen zu nennen, aber mittels einer deutlichen Anspielung) die "Künstler, die den Hass zur Geschäftsgrundlage genommen haben und damit Säale aufheizen" verurteilt hatte. Auch Dieudonnés ehemaliger Freund, der behinderte Schauspieler (maghrebinischer Herkunft) Djamal Debbouze, hatte sich kurz vor Dieudonnés Algerien-Reise öffentlich von ihm distanziert, da Dieudonné in einem Fernsehauftritt zumindest angedeutet hatte, die Krankheit AIDS werde in Afrika möglicherweise unter Mitschuld der Israelis verbreitet (sic!). Nach Bekanntwerden der Auslassungen Dieudonnés in Algier hatte der französische Regierungssprecher Jean-François Copé erklärt, Dieudonné habe "endgültig die Ebene des Komischen verlassen und sich auf jene der Unwürdigkeit begeben".

Zu seiner Rechtfertigung berief Dieudonné am Samstag nachmittag in das ihm gehörende Theater im 11. Pariser Bezirk die Presse ein. Dabei bestritt er, von "Pornographie der Erinnerung" gesprochen zu haben. Im Laufe der Veranstaltung präsentierte er ein akustisch kaum verständliches Tonband, auf dem jedoch die umstrittenen Worte klar und deutlich zu hören sind...

Elemente einer Bewertung

Nicht bestritten hat Dieudonné ferner seine Worte, mit denen er versucht hatte darzulegen, dass er nicht von den Juden allgemein, sondern von der israelischen Politik spreche. In diesem Sinne hatte Dieudonné geäußert: "Der Zionismus ist das AIDS des Judentums" (laut seinem Interview in der algerischen Tageszeitung "L'Expression", die einem Flügel innerhalb der mächtigen Armee des Landes nahe steht, vom 19. Februar). Was immer man ansonsten über zionistische und nicht-zionistische Politik denken mag: Solche biologisierende Krankheitsmetaphern waren bisher, in den letzten Jahrzehnten, allein der extremen Rechten vorbehalten gewesen. Im Dezember 1986 hatte der rechtsextreme Schriftsteller und Mystiker Louis Pauwels die Formulierung vom "geistigen AIDS" als angebliches Syndrom streikender und demonstrierender StudentInnen erfunden. Später hatte Jean-Marie Le Pen diese Formulierung wiederholt begierig aufgegriffen, dem zufolge beispielsweise "die Altparteien am politischen AIDS erkrankt" waren.

Der französische bourgeoise "Neue Philosoph" Bernard-Henri Lévy ("BHL") hat Dieudonné wegen seiner Ausführungen im Pariser Zénith-Saal, kurz vor seinem jüngsten Algerientrip, als "Sohn von Jean-Marie Le Pen" bezeichnet. Das ist in bestimmter Hinsicht falsch: Dieudonné ist Antisemit im Sinne eines antijüdischen Kommunitarismus, weil er glaubt, dass der Opferstatus der Juden in Konkurrenz oder Rivalität zu jenem der (angeblich von ihm vertretenen...) Opfer des Kolonialismus und der sonstigen rassistischen Diskriminierung stehe. Le Pen dagegen ist sowohl Kolonialrassist als auch unzweideutiger Antisemit. Das macht die Auslassungen von Dieudonné und das ideologische Delirium, in das er in jüngerer Zeit einzutreten scheint (etwa mit seinen wilden "Theorien" über AIDS) keinesfalls besser, und seine ideologischen Metaphern über Krankheit usw. bleiben manchen Denkmustern der extremen Rechten mindestens ähnlich.

Dieudonné riskiert ein bis fünf Jahre Gefängnis als Höchststrafe. In der Vergangenheit war er mehrmals Verurteilungen wegen seiner Äußerungen entgangen, da er sich hart am Rande der Legalität gehalten hatte und sich immer noch darauf hinausreden konnte, in letzter Instanz kritisiere er eine Politik und nicht eine Bevölkerungsgruppe. Dabei dürfte er dieses Mal aber Schwierigkeiten haben. Da er nicht vorbestraft scheint, dürfte die zu erwartende Strafe wahrscheinlich zur Bewährung ausgesetzt werden.

Wesentlich wichtiger aber ist die politische Verurteilung. Ein ermutigendes Signal ist, dass die von der Tageszeitung "Le Parisien" (Samstagsausgabe) über die Dieudonné-Affäre befragten Franzosen afrikanischer oder arabischer Herkunft sich ausnahmslos von ihm distanzierten. Das Restrisiko ist, dass in manchen besonders marginalisierten Bevölkerungsgruppen (etwa in den Trabantenstädten) Dieudonné seinen Ruf als "Benachteiligter und Rächer der Diskriminierten" vielleicht sogar noch stärken kann, nachdem er nunmehr unter massivem Druck steht. Dagegen wird auf Dauer nur eine Stärkung gesamtgesellschaftlicher Solidarität und Vernunft, und ein Zurückdrehen des eskalierenden Kommunitarismus helfen.

hagalil.com 21-02-2005

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