antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

 

Thema Rechtsextremismus:
Die Netzwerke der rechten Szene

Von Stephan Braun
Deutsche Polizei, Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei, 1/2005

Das Thema Rechtsextremismus hat wieder Konjunktur. Leider. Hatte sich das Interesse der Medien nach der hitzigen Diskussion um die Rede des ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann rasch anderen Missständen zugewandt, wird nun wieder über rechte Gruppierungen und die Gefahren diskutiert, die von ihren Vordenkern und Hintermännern ausgehen. Viel Aufgeregtheit und publizistischer Rummel um Nichts? Oder haben sich die Koordinaten der politischen Landkarte in Deutschland tatsächlich nachhaltig verschoben? Es gibt Indizien, die für einen Rechtsruck sprechen.

Ein deutliches Zeichen sind die Wahlerfolge von NPD und DVU in Brandenburg und Sachsen. Wo man sich im rechten Lager vormals gegenseitig zerfleischte, strebt man nun eine Zusammenarbeit gemäß dem Motto "getrennt marschieren, vereint schlagen" an. Gegenwärtig träumen beide Parteien von einer "Volksfront von rechts" und sehen offenbar keinen Grund mehr, mit ihren verfassungsfeindlichen Grundeinstellungen hinterm Berg zu halten. So bekannte NPD Parteichef Voigt in einem Interview offenherzig: "Es ist unser Ziel, die BRD ebenso abzuwickeln, wie das Volk vor fünfzehn Jahren die DDR abgewickelt hat. Dies geht offensichtlich auch über die Wahlurne".

Kampf um Köpfe, Straße und Parlamente

Mit der Öffnung der Partei und ihres Bundesvorstands für gewaltbereite Neonazis aus dem Umfeld der so genannten "freien Kameradschaften" hat sich die NPD zu einem Auffangbecken für vorbestrafte Extremisten wie Thorsten Heise entwickelt. Auch Norman Bordin, Gründer des "Aktionsbüro Süd" hat hier eine neue politische Heimat gefunden. Zu seiner – später in "Kameradschaft Süd" umbenannten – Gruppe gehörte auch der mutmaßliche Rechtsterrorist Martin Wiese, der im vergangenen Jahr einen Sprengstoffanschlag auf die Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindezentrums in München geplant haben soll.

Damit hat der Rechtsextremismus in Deutschland auch politisch eine neue Qualitätsstufe erreicht. Mit dem erfolgreichen Einzug in die ostdeutschen Landtage Brandenburg und Sachsen scheint eine wichtige Hürde im angekündigten Kampf um die Köpfe, um die Straße und die Parlamente genommen zu sein. Ergänzt wird diese 3-Säulen-Strategie seit den jüngsten Erfolgen um den "Kampf um den organisierten Willen", der auf eine koordinierte Zusammenarbeit der unterschiedlichen nationalistischen Gruppierungen unter Federführung der NPD abzielt.

Auch abseits der politischen Bühne kann die Rechte auf bedenkliche Erfolge verweisen. Tatsächlich ist es im Osten gelungen, so genannte "national befreite" Zonen zu schaffen, in denen Rechtsextremismus zur dominierenden Alltagskultur aufgestiegen ist. Man brüstet sich damit "ausländerfrei" zu sein. Wer seinem Aussehen nach nicht dem rechten Mainstream entspricht, muss im Alltag mit Beleidigungen, Drohungen und Übergriffen rechnen. Die Rechte nutzt dabei jede Möglichkeit, das mit dem Zusammenbruch des Sozialismus und dem Ende der DDR entstandene Identitätsvakuum mit ausländerfeindlicher Polemik und nationalistischen Parolen auszufüllen: Dort wo Jugendzentren, Vereine und andere Anlaufstationen den Sparzwängen zum Opfer fallen, sind die Rechten zur Stelle und bieten sich als Helfer in der Not an. Freilich nicht ohne Hintergedanken: Nachbarschafts- und Hausaufgabenhilfe, Propaganda- und Parteischulung greifen ineinander und vermischen sich zu einem gefährlichen Ideologiecocktail – vor allem in den Köpfen der jungen Menschen. Die Sozialarbeit von rechts greift und beginnt, dem Gedankengut der rechten Szene auch einen Weg in die bürgerliche Mitte hinein zu bahnen.

Rechts hat nicht nur in Ostdeutschland Boden gewonnen

Die Nationaldemokratische Partei (NPD):

• im Herbst 1964 von Funktionären der ehemaligen "Deutschen Reichspartei" gegründet,
• zwischen 1966 und 1968 Einzug in sieben Länderparlamente,
• Scheitern bei der Bundestagswahl 1969 mit 4,3 Prozent der Stimmen,
• Landtagswahl in Sachsen 2004 mit 9,2 Prozent erstmals seit 1968 wieder Einzug in ein Länderparlament,
• derzeit rund 5.000 Mitglieder.

Programmatik: Die NPD strebt die "Wiederherstellung
des Deutschen Reiches" an. Der Verfassungsschutz sieht eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus. Die NPD verharmlose das NS-System.

Diese wachsende Akzeptanz für rechtspopulistisches, rechtsradikales und rechtsextremes Gedankengut ist keineswegs auf Ostdeutschland beschränkt. Zudem ist das Phänomen nicht so neu, wie man es angesichts seiner aktuellen Allgegenwart in den Medien vermuten könnte. "Der Zeitgeist weht wieder rechts, und Deutschland driftet", schrieb Friedbert Pflüger, CDUBundestagsabgeordneter und Pressesprecher des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, seiner Partei bereits vor über zehn Jahren ins Stammbuch. Seine Absicht war es, seine Partei gegen die Ideen der "Konservativen Revolution" zu immunisieren, deren Anhänger auch innerhalb der Union auf eine schleichende Erosion der Abgrenzung zwischen konservativem und rechtextremem Denken hinarbeiteten.

Das Gefahrenpotential hinter solchen Entwicklungen ist nicht zu unterschätzen. Nach wie vor gibt es in Deutschland einen stabil zweistelligen Prozentsatz von Menschen, die fremdenfeindlichen und antisemitischen Klischees anhängen und geneigt sind, sich Einstellungen rechtspopulistischer, -radikaler und -extremistischer Wortführer zu Eigen zu machen. Die Angst vor Arbeitslosigkeit, aufkeimender Sozialneid und die vorherrschende Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien spielen den rechten Provokateuren in die Hände. Nicht umsonst warnte Hans Jürgen Doll, Vizechef des baden-württembergischen Landesamtes für Verfassungsschutz im September vergangenen Jahres, aus der politischen Großwetterlage sei "ein gefährlicher Nährboden" für die Stimmungsmache rechtspopulistischer Vordenker erwachsen.

Die "Neue Rechte"

Solche Vordenker gibt es in Deutschland seit Jahren. Nur in wenigen Fällen sind sie in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Sie bilden auch das Rückgrat der so genannten Neuen Rechten, einer rechten Strömung, die nicht durch Gewalt, nationalsozialistische Symbole oder mediengerechte Aufmärsche in Erscheinung tritt, die aber dem Rechtsextremismus durchaus als Stichwortgeber dient und als Ideenschmiede. Sie nimmt eine "Scharnierfunktion" wahr, indem sie das rechtsextremistische Lager mit dem demokratischen Spektrum verbindet und rechte Ideen in die Diskurse der politischen Mitte einspeist. Der Hamburger Politikwissenschaftler Wolfgang Gessenharter weist darauf seit Jahren hin.

Rechtsextremismus im Überblick

• In Deutschland gibt es 169 rechtsextremistische Organisationen und Personenzusammenschlüsse mit insgesamt rund 41.500 Mitgliedern und nichtorganisierten Sympathisanten. Die Zahl der Neonazis ist mit 3.000 (2002: 2.600) um rund 15 % gestiegen.
• Wachsende Neonazi-Szene:
95 Gruppierungen (2002: 72) mit Mindestmaß an organisatorischen Strukturen. Dazu zählte auch ein beträchtlicher Teil der rund 160 "Kameradschaften".
• In den rechtsextremistischen Parteien sind rund 24.500 (2002: 28.100) Personen organisiert.
• Neonazis knüpfen an die Ideologie des Nationalsozialismus an und streben einen autoritären Führerstaat auf rassistischer Grundlage an.
• Das Internet ist das bedeutendste Kommunikationsmedium
für Rechtsextremisten. Sie nutzen es zur Selbstdarstellung nach außen sowie zur szeneinternen Verständigung.

Wenngleich es innerhalb der Neuen Rechten keine einheitliche ideologische Linie gibt, lassen sich aus dem wirren Geflecht der propagierten Ideen, Weltbilder und Programme dennoch gewisse Gemeinsamkeiten ziehen, die Aufschluss über gemeinsame Ideen, Strategien und Taktiken
geben. Vorstellungen und Werte der Neuen Rechten kreisen im Wesentlichen um das Leitbild einer Konservativen Revolution, die in der Weimarer Republik auf die Abschaffung der freiheitlichen Demokratie hinwirkte und als Steigbügelhalter des Nationalsozialismus auftrat. Vor allem die Ideen des Staatsrechtlers Carl Schmitt dienen den heutigen Vertretern der intellektuellen Rechten als Anknüpfungspunkt ihrer theoretischen Ausführungen. Schmitts Positionen widersprechen allerdings den Ideen und dem Geist des Grundgesetzes fundamental.

Während das Grundgesetz eindeutig den Rechten des einzelnen Menschen Vorrang vor dem staatlichen Kollektiv einräumt, verhält es sich bei Carl Schmitt genau umgekehrt. Schmitts rigoros gegen jede Form von (Meinungs-)Vielfalt gerichtetes Demokratieverständnis spricht eine deutliche Sprache: "Zur Demokratie gehört notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen. Die politische Kraft einer Demokratie zeigt sich darin, dass sie das Fremde und Ungleiche, die Homogenität Bedrohende zu beseitigen oder fernzuhalten weiß". Wie die Herstellung gesellschaftlicher Homogenität durch einen staatlichen Machtapparat aussieht, hat die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft auf das schrecklichste demonstriert.

Wenn also der Jungen Freiheit, dem Leitmedium der Neuen Rechten, – fast verniedlichend – ein "verbreiteter Schmittismus" attestiert wird, heißt das im Klartext: Hier wird auf dezidiert antiliberales, antiparlamentarisches und antidemokratisches Denken Bezug genommen. Mit Schmitt wird von Seiten der intellektuellen Rechten einem Staatsrechtler hofiert, der Menschenrechte als "unveräußerliche Eselsrechte" verunglimpft und die ethnisch und politisch homogene (Volks-)Gemeinschaft zur einzig wahren Grundlage des Staates verklärt.

Anschluss an die konservativen Eliten

Mit diesen Rückgriffen auf die Weimarer Zeit ist auch die Programmatik umrissen, mit der die Neue Rechte den strategischen Anschluss an die etablierten konservativen Eliten sucht. Ihre langfristige Zielvorstellung ist es, durch Einfluss auf die Kultur und die führenden Köpfe eines Landes langfristig die politische Vorherrschaft zu erringen.

Es ist fast schon ironisch, dass sie damit an Antonio Gramsci anknüpft, der als politischer Philosoph in der Tradition des italienischen Marxismus steht. Er sah die "kulturelle Hegemonie" als unabdingbare Voraussetzung für die spätere politische Machtergreifung der Kommunisten in Italien. Dahinter stand seine Überzeugung, dass alle großen Revolutionen lediglich die punktuelle Verwirklichung eines Sinneswandels waren, der sich zuvor schon unterschwellig im politischen Denken der Bevölkerung vollzogen hatte.

Um das notwendige Meinungsklima zu schaffen, versuchen die Anhänger einer solchen "Kulturrevolution von rechts" aktuelle öffentliche Diskurse zu beeinflussen und gezielt die Grenzen des Sagbaren auszutesten. Vor allem so genannte Meinungsführer, Multiplikatoren und politische Entscheidungsträger stehen dabei im Mittelpunkt ihrer Bemühungen. Karlheinz Weißmann, ein bekannter Vordenker der Neuen Rechten, hat das in der Jungen Freiheit so formuliert: "Uns geht es um geistigen Einfluss, nicht die intellektuelle Lufthoheit über Stammtischen, sondern über Hörsälen und Seminarräumen interessiert uns, es geht um Einfluss auf die Köpfe, und wenn die Köpfe auf den Schultern von Macht- und Mandatsträgern sitzen, umso besser".

Von ihm stammt auch die taktische Ausrichtung der Bewegung am Leitmotiv der Anpassungs- und Verstellungskunst. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, trotz der offensichtlichen Unvereinbarkeit neurechter Ideen mit dem Grundgesetz, die drohenden Sanktionen der "streitbaren Demokratie" zu vermeiden. So sei es bei der Beurteilung einer politischen Situation wichtig zu lernen, "ob hier der offene Angriff oder die politische Mimikry gefordert ist". Das ist so neu nicht. Schon 1973 hatte Wilfred von Oven, der ehemalige persönliche Referent von Goebbels, seinen rechtsextremen Freunden geraten: "Wir müssen unsere Aussagen so gestalten, dass sie nicht mehr ins Klischee der 'Ewig-Gestrigen' passen... Der Sinn unserer Aussagen muss freilich der gleiche bleiben."

In einem Interview in der Wochenzeitung "Junge Freiheit" ("JF" vom 23.September 2004) äußerte sich der Parteivorsitzende der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD), Udo Voigt, nach den jüngsten Wahlerfolgen u. a. zur künftigen Linie seiner Partei.
Es sei notwendig, dass sich die Wähler auch künftig entscheiden, ob sie den "Untergang Deutschlands in einer multikulturellen Gesellschaft" oder die Besinnung auf eine "nationale Wende" wünschten. Ziel der NPD sei es, die "BRD ebenso abzuwickeln, wie das Volk vor fünfzehn Jahren die DDR abgewickelt hat", was offenbar "auch über die Wahlurne" funktioniere. Diesen Umsturz der bestehenden Verhältnisse will Voigt "durch revolutionäre Veränderung" erreichen.
"Solange sie (Anm.: die Bundesrepublik Deutschland) de facto existiert, werden wir ihre Gesetze befolgen", betont Voigt, dem "eine demokratische Erhebung (...) durch ein revolutionär verändertes Wahlrecht" vorschwebt. Bei der angestrebten neuen Ordnung soll es sich um "eine Volksgemeinschaft" handeln, in der den Traditionen der deutschen Einheitsbewegung Rechnung getragen werde.
Voigt bezeichnet Hitler als "einen großen deutschen Staatsmann", dem er allerdings "die Verantwortung für die Niederlage Deutschlands" anlastet. Folgerichtig bemühe sich die NPD heute darum, "die nationalsozialistische Strömung zu integrieren".
Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin hat ein Ermittlungsverfahren (Az. 81Js 3323/04) gegen Voigt wegen dessen Äußerungen in der "JF" eingeleitet. Die Prüfung der strafrechtlichen Relevanz der gesamten Äußerungen Voigts
durch die Staatsanwaltschaft – insbesondere die Festlegung der verwirklichten Straftatbestände – ist
derzeit noch nicht abgeschlossen.

Rechte Netzwerke sind aktiv

Mit Weißmann und der Jungen Freiheit sind bereits zwei feste Größen der deutschen Rechten benannt. Ihre Anhänger bewegen sich in einem verzweigten Geflecht aus Kontakten, die sie mit Gleichgesinnten in diversen Studienkreisen, Bildungseinrichtungen, Verlagen, Parteien und Kameradschaften pflegen. Diese rechten Netzwerke arbeiten expansiv und sind bestrebt, sich mittelfristig als feste Größe der öffentlichen Meinungsbildung zu etablieren. Dabei suchen sie auch die Nähe zu den Parteien des demokratischen Spektrums und ihren Repräsentanten.

Ein Beispiel hierfür ist Albrecht Jebens. Er gilt seit rund 20 Jahren als einer der führenden Köpfe in der Grauzone zwischen Rechtsextremismus und Rechtskonservativismus. Wo das ehemalige CDU-Mitglied im politischen Spektrum anzusiedeln ist, macht bereits ein flüchtiger Blick in Jebens publizistisches Oeuvre deutlich: "Wer Deutschland aber den Deutschen durch fortschreitende Überfremdung fortnimmt, betätigt sich als wahrhaft geistiger Brandstifter des Bürgerkriegs und ist allemal gefährlicher als ein einzelner, geistloser junger Mann mit einer Brandflasche in der Hand" ("1813-1989-1993: Preußische Perspektiven heute").

Jebens baute etwa 15 Jahre lang das von Filbinger 1979 gegründete, in Hohenlohe-Franken liegende Studienzentrum Weikersheim mit auf, das sich rasch zu einer Denkfabrik für konservative Kreise, alte und Neue Rechte entwickelt hat. Zu Filbingers 80. Geburtstag gründete er zusammen mit dem Pressechef von Hitlers Außenministerium, dem Obersturmbandführer Paul Schmidt-Carrell, Gerhard Mayer-Vorfelder und anderen 1993 die Hans Filbinger-Stiftung. Diese hat seither unter anderem das Ziel, das Weikersheimer Studienzentrum in seiner Arbeit zu unterstützen.

Das Zentrum lädt ein zu Seminaren und Veranstaltungen, beispielsweise Hochschulwochen. Die Teilnehmer und Referenten kommen dabei aus dem gesamten Spektrum von demokratisch bis hin zum äußersten rechten Rand. Jebens wurde 2002 in den Vorstand gewählt und ist gern gesehener Referent der Gesellschaft für freie Publizistik (GfP) mit Sitz in Oberboihingen bei Göppingen in Baden-Württemberg. Die von ehemaligen SS-Offizieren und NS-Funktionären gegründete Gesellschaft fehlt in keinem Verfassungsschutzbericht und gilt als größtes überparteiliches Sammelbecken von rechtsextremen Verlegern, Redakteuren, Schriftstellern und Buchhändlern. Sie hat das Ziel, die angeblich verzerrte Darstellung der Zeitgeschichte zu korrigieren. In dieser "feinen Gesellschaft" trifft Jebens auf Vorstandskollegen wie Rolf Kosiek, den ehemaligen Chefideologen der NPD, und auf Peter Dehoust, den Chefredakteur und Herausgeber von Nation und Europa (Deutsche Monatshefte). Bei dieser im bayerischen Coburg erscheinenden Publikation handelt es sich um die älteste rechtsextreme Zeitschrift der Bundesrepublik, die gleichzeitig als das bedeutendste Strategie- und Theorieorgan der Szene gehandelt wird. Das Blatt wird herausgegeben vom Nation Europa-Verlag, der überwiegend Neuausgaben älterer militärhistorisch-revisionistischer Werke, etwa über die Waffen-SS-Einheiten "Leibstandarte" oder "Das Reich" veröffentlicht.

Aber auch Jürgen Schützinger aus Villingen-Schwenningen gehört dem Vorstand der Gesellschaft für freie Publizistik an. Dieser ehemals hochrangige NPD-Funktionär musste wegen rechtsextremistischer Umtriebe aus dem Polizeidienst entfernt werden und ist heute Bundesvorsitzender der Deutschen Liga für Volk und Heimat (DLVH), die nach Auffassung des nordrheinwestfälischen Verfassungsschutzes mit militanten Neofaschisten kooperiert. Regional arbeiteten Mitglieder mit Aktivisten verbotener Organisationen zusammen, wie etwa der Wiking-Jugend, der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) und der "Nationalistischen Front".

Da verwundert es kaum noch, dass alle drei – Jebens, Kosiek und Schützinger – auch Autoren in der rechtsextremistischen Verlagsgruppe Grabert/Hohenrain mit Sitz in Tübingen sind. Die beiden Verlagshäuser decken mit ihren Programmen alle Themenfelder ab, die für den Rechtsextremismus von ideologisch politischer Bedeutung sind. Grabert gilt als Standard-Verlag der Holocaustleugner und derer, die die Geschichte der NS-Zeit umschreiben möchten. Publikationen wie der "Auschwitz-Mythos" bedürfen keiner weiteren Erläuterung.

In der Verlagsgruppe Grabert/ Hohenrain publiziert auch Alain de Benoist, den viele auch als ständigen Autor der Jungen Freiheit kennen. De Benoist gilt seinerseits als Vordenker der GRECE, der so genannten Forschungs- und Studiengruppe für europäische Zivilisation. Sie ist die Speerspitze der Nouvelle droite, der Sammelbewegung der französischen Neuen Rechten. Beide, die französische und die deutsche Neue Rechte arbeiten eng zusammen. De Benoist bildet so etwas wie die Schnittstelle zwischen beiden. Die eben beschriebene Beziehung – GFP, Verlagsgruppe Grabert/Hohenrain, Junge Freiheit, Alain de Benoist – markiert eine Verbindung zwischen der "alten" und der "Neuen Rechten". Beide verbindet in der Tat mehr, als man auf den ersten Blick glauben mag. Vor allem mehr, als manche Vertreter der Neuen Rechten glauben machen wollen.

Für die weitere Verbreitung des Rechtsextremismus in Deutschland besitzen solche Netzwerke eine zentrale Rolle. Sie nehmen Einfluss auf die Themen der öffentlichen Diskussion, um letztlich Akzeptanz für verfassungsfeindliche Thesen und Positionen schaffen. Das Düsseldorfer Institut für Sprach- und Sozialforschung weist dies an Hand von Diskursanalysen an mehreren Beispielen nach. Insofern ist es gerechtfertigt und notwendig, diesen gefährlichen Balanceakt zwischen Legalität und Volksverhetzung genau im Auge zu behalten.

Finanzquellen der rechten Szene

Die Quellen, aus denen rechte Netzwerke ihre Gelder beziehen sind so heterogen wie die Szene selbst.
Ein wesentlicher Teil der Gelder stammt aus dem Steuersäckel. Denn auch die rechtsextremen Parteien profitieren von der staatlichen Parteienfinanzierung. So haben Parteien Anspruch auf staatliche Mittel, wenn sie bei Bundestags- und Europawahlen mindestens 0,5 Prozent der Stimmen, bei einer Landtagswahl mindestens ein Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können. Nach den Wahlerfolgen in Sachsen und Brandenburg könnte die DVU rein theoretisch rund 60.000 Euro beanspruchen, der NPD stünden mehr als 162.000 Euro zu. Die Gelder kämen ihnen frühestens 2005 zugute. 2003 hatten beide Parteien auf diesem Wege mehr als 565.000 Euro erhalten.
Daneben sind rechtsextremistische Parteien und die sie umgebenden Netzwerke auf Spenden angewiesen. Im Falle der NPD lagen die im Rechenschaftsbericht ausgewiesenen Zuwendungen im Jahre 2000 bei immerhin 2.827.277 DM, zwei Jahre zuvor bei mehr als drei Mio. DM. Besonders Erbschaften und Zuwendungen aus "nationalkonservativen" Unternehmerkreisen lassen die Kassen klingeln. Die dahinter stehenden Firmen bedienen oft den szeneinternen Markt mit Musik, Fan-Artikeln und Devotionalien, so dass von einer Art "Binnenfinanzierung" gesprochen werden kann. Ihre Eigentümer treten häufig auch als Sponsoren für rechtsextreme Zeitschriften, Bücher, Medienprojekte oder Hilfsfonds auf. Gerade die rechtsextremistische Presse ist hierauf angewiesen, da sie vom Anzeigengeschäft und den Abonnementgebühren allein nicht lebensfähig wäre.

Gegenstrategie

Eine Erfolg versprechende Gegenstrategie muss an drei Punkten ansetzen:

1. Zunächst müssen die vorhandenen Mittel des Rechtsstaates in aller Konsequenz zum Einsatz kommen. Polizei, Justiz und Verfassungsschutzbehörden leisten auf diesem Gebiet immer wieder gute Arbeit. Die Erfolge stoßen aber auch an Grenzen: Per Beschlagnahmebeschluss konnte ein Großprojekt der rechten Szene aufgehalten werden, das unter dem Namen "Aktion Schulhof" bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte. Ein Netzwerk – bestehend aus 56 neonazistischen Kameradschaften, Bands, Einzelpersonen und Labels – hatte geplant, durch die Verteilung von 250.000 CDs mit rechtsextremistischer Musik Szene-Nachwuchs an deutschen Schulen zu ködern.

Demokratie lernen mit CIVICS
Ziel des Modell-Projekts CIVICS ist es, ein zusammenhängendes und modular aufeinander aufbauendes Curriculum "Demokratiekompetenz" von der modellhaften Erprobung über den innerschulischen Transfer bis zu einer Verankerung in Schulpraxis, Schulcurriculum und Schulprogramm zu entwickeln.
Das Fächer übergreifende Modell besteht aus zwei Säulen:
Demokratisches Sprechen und Verantwortung Lernen. Zu den einzelnen Modulen zählen u. a.: Kooperatives Lernen, Meditation und Streitschlichtung, Debatte und Deliberation im Unterricht,
Klassendienste, schulinterne Serviceprojekte und Verantwortung Lernen in der Gemeinde.

2. Ähnliche problematisch sind Tendenzen innerhalb der rechten Szene, sich durch internationale Vernetzung einer effektiven Strafverfolgung zu entziehen. Einerseits darf man sie als Beweis für die Erfolge der deutschen Behörden werten. Gleichzeitig verweist die Entwicklung jedoch auf das Problem, wie dem Rechtsextremismus in einem Europa der offenen Grenzen oder grenzenlosen Informationswelten wie dem Internet zu begegnen ist. Gerade im Umgang mit rechtsextremistischen Inhalten im World Wide Web wird deutlich, dass Strafverfolgung nur ein Teil der Lösung sein kann.

3. Schließlich ist eine Demokratie immer nur so stark, wie die Zivilgesellschaft, die sie trägt. Es wird Zeit, dass sich die Bildungspolitik, die Schulen und die außerschulische Bildungsarbeit systematisch den Herausforderungen der Einwanderungsgesellschaft stellen. Notwendig sind pädagogische Initiativen, die sicherstellen, dass wir nicht nur Demokratie lehren, sondern viel mehr Räume bieten, sie zu erleben und zu erlernen. Darin liegt in gleichem Maße eine Herausforderung für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit.

Modellprogramme wie das CIVICS-Projekt der Bund-Länder-Kommission stellen wertvolle Anregungen zur Verfügung, wie Demokratiekompetenz bereits in den Schulen vermittelt werden kann, um Schülerinnen und Schüler gegen extremistische Einstellungsmuster jeder Art zu wappnen. Denn nur wenn der rechte Spuk rechtzeitig in den Köpfen und auf der Straße konsequent bekämpft wird, ist ihm auch ein Scheitern in den Parlamenten sicher.

Der Autor:

Stephan Braun, geb. 1959, Journalist. Seit 1996 Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg, Sprecher der SPD-Fraktion für Fragen des Verfassungsschutzes und des Extremismus; Vorsitzender des Gremiums nach Art. 10 Grundgesetz (parlamentarische Kontrollgremium des Verfassungsschutzes); Herausgeber des Buches "Der Jugend eine Chance. Perspektiven, Forderungen, Modelle", Stuttgart 1999; zusammen mit Daniel Hörsch Herausgeber des Buches "Rechte Netzwerke – eine Gefahr", Wiesbaden 2004.

hagalil.com 17-02-2005

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved