Schizophrene Politik:
Die Türkei und ihre Nachbarn
Von Haydar Isik
In einem türkischen Spruch heißt es: "Jeder Mensch braucht die Hilfe
seiner Nachbarn." Aber die offizielle Politik der Türkei definiert ihre
Nachbarn als Feinde. Die Nachbarn Armenier wurden ausgerottet, die Griechen
vertrieben. Die Russen sind historische Feinde der Türken. Die Perser wurden
immer mit schiefen Augen betrachtet. Die Araber wurden als Verräter gesehen,
weil sie mit England gemeinsame Sache machten und dem Osmanischen Reich in
den Rücken fielen.
Der letzte Nachbar der Türken sind die Kurden. Um ihnen kein Recht zu geben,
führt die Türkei seit ihrer Gründung im Jahre 1923 bis heute einen
regellosen Krieg gegen Kurden, obwohl sie deren Hilfe bei der Gründung der
Republik in Anspruch genommen haben. Das heißt, die Türkei duldet ihre
Nachbarn bis man die Brücke überquert hat, dann betrachtet man sie als
Feinde.
Wer, in der Türkei in die Schule geht, lernt schon in den unteren Klassen
dass die Russen ein historischer Feind der Türken sind. Für die Türkei ist
einmal Feind immer Feind. Deshalb denke ich über den Hintergrund der letzten
Annäherung zu Russland nach. Hat die Türkei sich vielleicht geändert und
ihre Staatspolitik liberalisiert? Die Antwort dazu ist nein. Die Türkei hat
immense Probleme mit Kurden, Armeniern, Zyprioten, Persern, Arabern, Russen,
Bulgaren, Griechen.
Da Russland als Großmacht in jeder Beziehung gegenüber dem Westen und
besonders gegenüber den USA an Boden verlorenen hat, versucht es mit aller
Macht die Staaten um sich zu sammeln, die die USA kritisch sehen. Mal mit
China, mal mit sog. "Schurkenstaaten" wie Iran, Syrien, Nordkorea, aber auch
mit der Türkei, versucht Russland die Beute zu bekommen, welche der Löwe
(USA) übrig ließ.
In diesem Punkt queren sich die Wege der Türkei und Russland. Deshalb finden
die alt gehassten Nachbarn plötzlich eine Freundschaft, die in den letzten
Tausend Jahren nie möglich war. Außerdem ist die Türkei eigentlich der
strategische Partner der USA. Die USA haben Jahrzehnte lang stets das
diktatorisch und rassistische Regime in der Türkei hoch gepäppelt und in
jeder Hinsicht unterstützt.
Die frisch gebackene Außenministerin der USA sagt: "Unsere erste
Herausforderung wird es sein, (...) das amerikanische Volk und die Völker
aller freien Nationen dazu zu inspirieren, gemeinsam gemeinsame Probleme zu
lösen." Wir werden sehen, ob die verehrte Frau Rice tatsächlich die Völker
im Nahen Osten von diesen despotischen Staaten befreien und demokratisieren
kann. Ob das nur eine Worthülse ist, sehen wir bald. Bis dahin nehmen wir
sie beim Wort.
Obwohl wir immer wieder auf Seiten der USA hören und lesen, dass sie in
punkto Irak und Afghanistan auf die Hilfe der Türkei angewiesen sind, warum
hat sich die Türkei ihrem Erzfeind genähert?
Die USA definiert den Iran und Syrien als Schurken-Staaten, weil sie dem
Terror Nährboden geben und Terroristen unterstützen. Heutzutage hat sogar
der "taube Sultan" in Ägypten gehört, dass diese Länder nicht für die
Stabilisierung im Irak sind, sondern versuchen den Irak zu destabilisieren
und den Feind- hier die USA- im Irak zu treffen. Sowohl Syrien als auch Iran
haben erfolgreich die USA im Irak an der Demokratisierung behindert.
Nun ist auch die Türkei zu dieser Allianz gegangen. Zwar ist sie ein
souveräner Staat. Sie kann eine Allianz mit Russland oder den beiden Staaten
Iran und Syrien pflegen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber wenn sie sich
einerseits als strategischer Partner der USA sieht, andererseits mit ihren
Feinden tiefe Beziehungen anknüpft, dann fragt man sich was wurde in der
Türkei geändert?
Die Türkei würde vieles opfern um den Kurden ihre Rechte nicht zu geben. Da
die Kurden im Süden eine eventuelle sichere Lage durch die Hilfe der USA
erhalten haben und vielleicht eine demokratische Föderation wie in Belgien
aufbauen werden, sind sie ein Dorn im Auge der Türkei.
Die EU wird auch bald sehen, wie die Türkei mit Kurden umgeht. Im neuen
EU-konvertiblen Gesetzbuch wird z.B. festgehalten, dass ein kurdischer
Politiker, der eine Rede in seiner Muttersprache hält, mit 20 Jahren
Haftstrafe belegt wird.
Die Türkei ist bekannt mit "getürkten" Informationen die USA und jetzt die
EU zu täuschen. Die USA hatten sich gerne darauf eingelassen und jetzt folgt
die EU dem gleichen Weg. Kann ein Staat, der mit den Terrorstaaten Iran und
Syrien tiefe Beziehungen vorsieht, einen positiven Beitrag für die Region
beitragen? Der türkische Staat schlägt sich als Vermittler zwischen Israel
und Palästinensern vor, aber zu Hause unterdrückt er die Kurden. Ist diese
Politik nicht schizophren?
www.haydar-isik.com
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20-01-2005 |