Faschistisches Fußballhighlight:
Roms braune Ultras
Von Max Brym
Die Sportart Fußball fasziniert Millionen Menschen. Auch der
Schreiber dieser Zeilen unterliegt seit Kindesbeinen dieser Faszination.
England gilt historisch als das Mutterland des Fußballs. Die italienische
Liga, die Serie A, verfügt über eine ausreichende Zahl an Tifosi. Der
fußballbegeisterte Italiener ist im europäischen Rahmen betrachtet nichts
besonderes, es wird ihm nur meist ein außergewöhnliches Temperament
attestiert. Diese Behauptung ist nicht ganz falsch.
Wer einmal in seinem Leben ein Spiel, meinetwegen das
Lokalderby zwischen Inter und dem AC Milan verfolgen durfte, kann einiges
über die Atmosphäre in italienischen Stadien erzählen. Obwohl es ein
schwacher 0:0 Kick war, brannten bengalische Feuer und bei jeder
erfolgreichen Grätsche an der Außenlinie brachen Begeisterungsstürme los.
Das Phänomen Fußballbegeisterung kann wirklich hervorragend in der
italienischen Liga beobachtet werden. Dagegen ist die Atmosphäre selbst in
deutschen Fußballhochburgen wie Dortmund oder auf Schalke nur ein laues
Lüftchen. Die Stimmung bei den Münchner Bayern hat eh den Charme eines
Eisblocks.
Jedoch ist es dem aufmerksamen Beobachter nicht entgangen, dass
in der europäischen und deutschen Fußballszene Rassismus und Antisemitismus
zum guten Ton gehören. Schwarze Spieler werden mit Uhh-Uhh-Rufen angegriffen
und dem gegnerischen Fanblock wird per Sprechchor "eine Reise nach
Auschwitz" angeboten. Die meisten Zuschauer in den Stadien halten zu solchen
Dingen einen gewissen Abstand. Allerdings wird Rassismus und Antisemitismus
im Stadion von vielen stillschweigend toleriert. Aber es gibt auch
antirassistische Fanclubs und Stadien, in denen Faschisten mit
Widerstand rechnen müssen.
Dennoch sind Fußballstadien Rekrutierungsfelder für die
europäische faschistische Szene. Nach schweren rassistischen Tumulten in
einigen Stadien Spaniens vor einigen Monaten sorgte am vergangenen Samstag,
den 8. Januar, die neofaschistische Ultraszene von Lazio Rom neuerlich für
ein "braunes Fußballhighlight". Die Ausschreitungen während des Lokalderbys
zwischen dem AS-Rom und Lazio Rom hatten eine besondere "Qualität".
Faschistischer Gruß an die Ultras
Unter rein sportlichen Gesichtspunkten ist die Geschichte des Spiels kurz
erzählt. Lazio Rom gewann in einem schwachen und zerfahrenen Spiel mit 3:1.
Lazio-Kapitän Paolo Di Canio schoß das 1:0 und stürmte dann jubelnd in die
Fan-Kurve. Er riß sich das Trikot vom Leib und grüßte seine Fans mit dem
faschistischen Gruß und auf seinem Oberarm konnte die große lateinische
Tätowierung Dux betrachtet werden. Dieses lateinische Wort Dux steht für
Duce und man weiß, wer gemeint ist. Di Canio ist ein erklärter Bewunderer
Mussolinis. Der Stürmer von Lazio Rom ist nicht nur ein geistig leicht
unterbelichteter Fußballer, sondern der Held seines rechtsradikalen Anhangs.
Alessandra Mussolini, die Enkelin des "Duce", zeigte sich vom Verhalten
ihres Stürmers und Gesinnungsbruders sichtlich bewegt. Die Vorsitzende der
rechtsradikalen Kleinpartei "Alternativa Sociale" erklärte: "Wie schön,
dieser Gruß hat mich sehr bewegt." Der faschistoide Stürmer Di Canio machte
nach dem Spiel einen taktisch politischen Rückzieher, er sagte: "Meine
Freude über den Sieg hat nichts mit Politik zu tun." Ein Schelm der böses
dabei denkt. Di Canio will eine Sperre durch den italienischen Verband
vermeiden, denn auch in Italien ist die Verherrlichung des Faschismus ein
Straftatbestand.
Auch der Lazio-Sportdirektor Gabriele Martino versuchte die Dinge herunter
zu spielen. Er versuchte den Eindruck zu erwecken, dass das Ausfahren des
rechten Armes auf dem auch noch Dux steht, noch lange nichts mit Politik zu
tun hat. Das finden auch lokale Politiker, die in ihrer Jugend selbst einmal
die Hand gen Himmel erhoben haben und heute "respektable Vertreter der
Regierungspartei Nationale Allianz" sind. "Wenn Di Canio sagt, da ist nichts
mit Politik, glaube ich das", sagt Francesco Storace, der Präsident der
Region Latium. Italiens Kommunikationsminister Mauritio Gasparri mäkelte
leicht: "Ich verstehe Di Canios Jubelarie, der ist als Laziale eben das
Siegen nicht gewöhnt." Gasparris Parteizeitung "Secolo d'Italia" schreibt:
"Di Canios instinktives Verhalten erweckt Sympathie bei denjenigen
Italienern, die keine Joints rauchen und nicht an Anti-Berlusconi-Demos
teilnehmen." Lapidar bemerkt das Magazin: "Fußballfans sind nunmal rechts
und das ist ganz natürlich".
Braune Fans, braune Spieler und das Establishment
Die Fankurven des AS-Rom und von Lazio werden von Neofaschisten dirigiert,
die faschistoide Spruchbänder mit Keltenschrift entrollen, schwarze
Gegenspieler ausbuhen und Krawall mit Gegnern und Arbeitsemigranten suchen.
Lazio Rom wurde nach der Abschiedsvorstellung im Uefa-Cup wegen
rassistischen Fan-Gegröls mit Stadionsperre bedacht. Die Aufregung wegen der
faschistischen Geste Di-Cianos versteht die italienische Medienlandschaft
größtenteils nicht. Die Ausnahme bilden einige linksgerichtete
Oppositionspolitiker, ein paar Verbandsfunktionäre sowie einige
Fußballtrainer. Sie fordern eine Spielsperre für Di Canio. Dieses Vorhaben
findet keinerlei Unterstützung durch die Regierung Berlusconi. Berlusconi
selbst ist Präsident des Großvereins AC Milan.
Auch die meisten Sportsender und sportlichen Printmedien lehnen eine Sperre
von Di Ciano ab. Eigentümer der meisten Medien ist der italienischen
Regierungschef persönlich. Als Regierungspartner dient Berlusconi die
"Nationale Front" unter der Führung von Herrn Fini. Fini selbst erklärte
Mussolini noch vor wenigen Jahren "zum größten Staatsmann des Jahrhunderts".
Demzufolge kann sich Fini durch die faschistische Geste des Stürmers Di
Ciano nicht gestört fühlen. Sollte dennoch Di Ciano, der Held der braunen
Ultras gesperrt werden, drohen die Lazio Fans mit schweren Unruhen.
Ihren Mitkämpfer werden sie verteidigen, genauso wie sie ihre andere
spielerische Lichtgestalt, Sinisa Mihajlovic, verteidigten. Jener hatte
einst Ärger mit einem Lazio Präsidenten, weil er offen für die serbischen
Tschetniks und den Mörder Arkan eintrat. Seit dieser Zeit sieht man in der
Lazio Kurve Transparente mit dem Spruch: "Ehre dem Tiger Arkan". Prinzipiell
erregt die Lazio Kurve aufsehen mit Transparenten wie "Auschwitz ist eure
Heimat" oder "AS-Rom ist ein Immigranten Club".
Die Frage ob Di Ciano gesperrt wird, ist eine hochpolitische Frage. Es
stellt sich das Problem, inwieweit die Allianz aus braunem Mob und
bürgerlichem Nadelstreifen zurückgepfiffen werden kann. Sollte Di Canio
nicht gesperrt werden, ist das ein Sieg für die Reaktion und die Garantie
dafür, dass sowohl der Fußball wie die Gesellschaft eine noch stärkere
braune Tönung erhalten.
hagalil.com
12-01-2005 |