"Schnauze voll":
NPD nimmt Kieler Landtag ins Visier
Im Wahlkampf in Schleswig-Holstein
sind die Bombenangriffe vor 60 Jahren für die NPD bisher kein großes
Thema. Sie setzt auf den sozialen Frust - und auf ihren Pakt mit den
Kameradschaften. Besonders bei Jungwählern kommt diese Mischung an.
Von Andreas Speit
Das Landgasthaus in der schleswig-holsteinischen
Gemeinde Heilshoop bei Lübeck ist gut besucht. An der Theke holen
sich junge Gäste Bier. Auf ihren T-Shirts prangt "Nationaler
Widerstand" oder "NPD - Die Nationalen". Im hinteren Teil des Lokals
sitzen etliche ältere Besucher. Aus den Lautsprechern tönen Lieder
über die "verlorene Heimat im Osten". "Bitte hinsetzen", ruft Peter
von der Born durch den Saal. Es sind die einzigen Worte, die der
NPD-Landtagskandidat bei der Eröffnung des Wahlkampfabends
herausbringt, ohne sich zu verhaspeln.
Aber der 27-Jährige wegen Körperverletzung vorbestrafte Neonazi ist
auch nicht der Hauptredner an diesem Abend. NPD-Chef Udo Voigt ist
persönlich angereist und hat Kameradschaftsführer Thomas Wulff
mitgebracht. Ganz im Sinne des NPD-Slogans "Wahlen
Schleswig-Holstein - eine Bewegung werden" treten beide erstmals
gemeinsam im Wahlkampf auf. "Wir ziehen jetzt an einem Strang",
verkündet Wulff. Die "Geschlossenheit der Volksfront" solle den
Einzug ins Parlament ermöglichen.
Von solcher "Geschlossenheit" konnte in Schleswig-Holstein lange
keine Rede sein. Kameradschaften und NPD waren zerstritten, denn die
Partei erschien den Kameraden zu verfassungstreu. Seit Jahren schon
bauen die Kameradschaften in Schleswig-Holstein ein fast
flächendeckendes Netzwerk einzelner Gruppen aus, unterhalten in
Neumünster den "Club 88 - The very last resort" und verlegen seit
Neuestem das Magazin Durchblick. Die Ermittlungen wegen des
"Verdachts auf Bildung einer politisch motivierten kriminellen
Vereinigung" gegen Kader der Kameradschaften störten die Szene nicht
nachhaltig. Der eigenen Stärke gewiss, versuchten die Neonazis auch
in der Partei radikalere Positionen durchzusetzen. "Das ist vorbei",
beteuert Voigt bei der Veranstaltung: "Miteinander ist angesagt."
Zwar sind Kameradschaften und NPD auch schon anlässlich des
Jahrestags der Bombardierungen norddeutscher Städte aufmarschiert.
Ein Wahlkampfthema sind die Bombenangriffe aber bisher nicht.
Stattdessen setzen die Rechtsextremen auf den sozialen Frust. NPD
und Kameradschaften führen ihre Kampagne gemeinsam mit den Parolen:
"Schnauze Voll", "Quittung für Hartz IV" und "Gute Heimreise". "Das
ist die Basis des Wahlerfolgs", verkündet NPD-Landeschef Uwe
Schäfer.
Laut Wahlkampfleiter Ingo Stawitz will die Partei 1,2 Millionen
Exemplare der NPD-Zeitung Deutsche Stimme verteilen und etwa 28.000
Plakate aufstellen. Außer Wahlkampfflyern solle zudem - wie im
Sachsenwahlkampf - auch eine kostenlose CD an Jugendliche und junge
Erwachsene ausgegeben werden. Unter dem Motto "Gegen Multikulti &
Hartz IV - das Volk sind wir" wollen NPD und Kameradschaften am 29.
Januar in Kiel aufmarschieren. Auch Gegenaktionen sind bereits
geplant. Wahlkampfleiter Stawitz gibt sich siegesgewiss: "Wegen
Hartz IV" werde der Sprung ins Parlament glücken.
Wahlforscher bezweifeln dies. Bei der jüngsten Infratest-Umfrage
gaben 2,5 Prozent der Wähler an, für die NPD stimmen zu wollen.
Insgesamt schätze man das Potenzial der Rechtsextremen auf vier
Prozent, sagt Jürgen Hofrichter von Infratest. Wie viele Befragte
ihre Sympathien für die NPD verheimlicht hätten, lasse sich zwar
schwer schätzen. Es gebe aber bislang "keine Anzeichen" für ähnliche
Resultate wie in Ostdeutschland. Über Nachwuchsmangel muss sich die
NPD indes auch in Schleswig-Holstein nicht sorgen: Zehn Prozent der
18- bis 24-Jährigen erwägen laut der Umfrage, der Partei ihre Stimme
zu geben. Abdruck mit
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31-01-2005 |