antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

  

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Bücher / Morascha
Musik

Koscher leben...
Tourismus

Aktiv gegen Nazi-Propaganda!
Jüdische Weisheit
 

 

"Peres-Gesetz":
Demokratie auf dem Prüfstein

Von Andrea Livnat

Eine Lehrstunde Demokratie ist es nicht gerade, was Israel auf dem Weg zur neuen Regierung Scharon vorführt. Im Gegenteil, Postengeschacher, Gesetzesänderungen und öffentliches gegenseitiges Beschimpfen erinnern eher an ein Polit-Kabarett als an Koalitionsverhandlungen. Entscheidend ist jedoch das Ergebnis, und das kann sich sehen lassen: Ministerpräsident Scharon wird einer neuen Regierung vorstehen, die ihm stabile Arbeitsbedingungen ermöglicht und dabei hilft, sein derzeitiges schwerstes Gefecht zu gewinnen, die Umsetzung des Rückzugs aus dem Gazastreifen.

Nachdem sich die Likudzentrale in einer Abstimmung für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Arbeitspartei ausgesprochen hatte, schien der Weg zur großen Koalition geebnet. Man werde sich schnell einigen, hieß es, Verhandlungen waren ja bereits seit August geführt worden, alle strittigen Punkte seien bereits geklärt.

Aber da war ja noch Schimon Peres. Peres hätte statt dem Nobelpreis besser einen Sonderpreis für das hartnäckigste Stehaufmännchen bekommen sollen. Mit seinen 81 Jahren hat Peres schon so gut wie jeden möglichen Posten in einer Regierung besetzt. Er war Ministerpräsident, Außenminister, Innenminister, Finanzminister, Verteidigungsminister, stellvertretender Verteidigungsminister, Minister für religiöse Angelegenheiten, Minister für Einwanderung und noch viel mehr. Wie sich nun zeigt, möchte er auch die "unmöglichen" Posten besetzen. Auf jeden Fall muss es irgendein Posten sein, soviel ist klar.

Nachdem er um des Koalitionsfriedens willens schon auf das Außenministerium verzichtet habe, so Peres, sei es nur legitim, dass er Scharons Vertreter sein wolle. Doch auch diese Forderung hat einen Haken, der Posten des stellvertretenden Ministerpräsidenten ist ebenfalls bereits besetzt, von Ehud Olmert, der natürlich nicht daran denkt, seinen Stuhl für Peres zu räumen und den Scharon nicht einfach abservieren kann, will er sich den Frieden in der eigenen Partei erhalten.

Also kam den Verhandlungsführern die tolle Idee, Peres zum zweiten stellvertretenden Ministerpräsidenten zu machen. Auch wenn es diesen Posten nicht gibt und er durch eine Gesetzesänderung erst geschaffen werden muss. Diese Gesetzesänderung wird als "Peres-Gesetz" bezeichnet. Was Peres übrigens gar nicht gut findet, "es gibt kein sog. Peres-Gesetz" echauffierte er sich.

Wie man es auch bezeichnen mag, die Gesetzesänderung wurde mittlerweile von der Knesseth angenommen. In der Debatte im Plenum gab es einen derben Schlagabtausch. Der Schinui-Vorsitzende Tommi Lapid, dessen Partei vor zwei Wochen aus der Koalition geflogen ist, warf Peres vor, er habe die Stimmen der ultraorthodoxen Partei SchaS gekauft: "Sagen Sie der Knesset doch, wieviel Sie für jede Stimme bar gezahlt haben? Was für ein schmutziges Geschäft!" Peres schoss scharf zurück und spielte auf die Tatsache an, dass Schinui nun, kaum zurück in den Oppositionsbänken, wieder gegen die religiösen Parteien propagiert: "Sie leisten sich wohl jede Frechheit? Wovon sprechen Sie denn überhaupt? Suchen Sie sich einen Spiegel und schauen Sie sich ganz gut an…Sie behaupten, säkular zu sein? Und wie kommt das zum Ausdruck? Dass Sie mit der Nationalreligiösen Partei und mit Avigdor Liebermann zusammensitzen und auf ihre Forderung hin 200 Millionen Schekel für die Siedlungen bewilligen? Welchen Beitrag haben Sie denn überhaupt geleistet, mit Ihrem Frommenhass?"

Noch amüsanter wurden die Meinungsverschiedenheiten am Dienstag. Bei einer Debatte der Verfassungskommission über die Gesetzesänderung, gerieten der Vorsitzende der Kommission Rony Bar-On (Likud) und Knessetabgeordneten Reshef Chen (Shinui) aneinander. Bar-On fegte Chen an: "Du bist abscheulich, klein und abscheulich", Chen darauf: "DU bist abscheulich." Bar-On: "Du bist ein jämmerlicher Heuchler." Hen: "Du bist ein Wurm." Unter dem Lachen der Kommissionsmitglieder fügte Bar-On noch hinzu: "Und eine Amöbe." Beide Politiker baten später darum, die Worte aus dem Protokoll zu streichen. Zum Glück hatten Kameras das Ganze aufgezeichnet und so konnte man sich später bei den Abendnachrichten über die Volksvertreter erfreuen.

Ein anderen lustiges Demokratie-Spiel findet heute in Tel Aviv statt. Die Arbeitspartei wählt die Minister für die neue Regierung. 13 Kandidaten gibt es, sieben Posten können besetzt werden. Die Parteizentrale beschloss, dass die Minister nach der "Hitparade-Methode" gewählt werden. Jedes Mitglied wählt fünf der 13 Kandidaten. Der Kandidat mit den meisten Stimmen kann sich als erster sein Ministerium aussuchen, derjenige mit den zweit meisten Stimmen wählt als nächster, der siebte muss nehmen, was übrig bleibt und die anderen haben Pech gehabt.

Fachliche Qualifikation und Posten stehen also nicht in unbedingter Korrelation. Schade, einige Kandidaten haben klare Präferenzen, die sehr zu begrüßen sind. So brennen beispielsweise Ofir Pines und Itzhak Herzog beide darauf, das Stiefkind Umweltministerium zu bekommen. Das Hitparaden-System könnte jedoch auch dafür sorgen, dass sie beide keinen Posten erhalten und die Umwelt wiederum in die Hände von jemandem gelegt wird, der eigentlich nach etwas Prestige-trächtigerem auf der Suche war und dem das Thema eigentlich egal ist. Gerade der Umweltbereich wurde in der Vergangenheit sträflich vernachlässigt, bis Scharon mit Jehudit Naot von Schinui eine engagierte und kompetente Politikerin mit dem Posten der Umweltministerin betraute. Naot erkrankte jedoch an Kehlkopfkrebs und konnte ihre Arbeit nicht fortsetzen. Sie verstarb vor einer Woche.

Die Arbeitspartei kann mit ihrem lustigen Wahlverfahren folgende Posten besetzen: Inneres, Nationale Infrastruktur, Wohnen, Kommunikation, Umwelt, sowie zwei Minister ohne Portfolio. Die Vereidigung könnte bereits in zwei Wochen stattfinden. Für Peres könnte sein extra geschaffener Posten die letzte Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung werden, auch wenn er mit seinen 81 Jahren noch sehr rüstig ist. Das schon zwanghaft wirkende Hineindrängen in die Regierung bringt Peres in Israel viel Kritik ein. "Es tut weh zu sehen, wie Shimon Peres, ein Mann mit enormen Erfolgen und hohem internationalen Ansehen, immer wieder darauf besteht, sich zu blamieren und sein doppeltes Gesicht zu zeigen", urteilte ein Kommentator in der Tageszeitung Maariv.

In der Welt ist Schimon Peres als großer Staatsmann angesehen, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Zu Hause sieht es ganz anders aus. Seit Jahrzehnten steht er in der Kritik, wird angegriffen, ins Lächerliche gezogen, auch innerhalb der eigenen Partei. Aber dennoch ist es immer wieder Peres, der die Partei neu zusammenkittet, der in einer Stunde der Not in die Bresche springt, der wieder Vorsitzender ist, der wieder Verhandlungen führt. Es scheint nicht ohne ihn zu gehen. Peres ist ein Visionär, aber aus vielen seiner Visionen wurde nichts. Seine Vorstellung von einem "Neuen Nahen Osten" ist sehr schön, praktisch jedoch in weiter Ferne. Aber Peres sieht sich selbst in der Tradition von Theodor Herzl, und dessen Vision wurde ja auch erst nach 50 Jahren verwirklicht. Ein bisschen länger kann Peres an seiner Vision in der neuen Regierung arbeiten.

hagalil.com 23-12-2004

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

 

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved