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Arabischer Nationalismus und NS:
War da was?

Von Thomas Uwer

Bagdad war wohl niemals eine Stadt, die zu verträumten Betrachtungen einlädt. "Heute ist die Stadt zu Recht nur wegen einer einzigen Sache berühmt", klagte Robert Byron bereits 1933: "einer Art Wallung, die nach neun Monaten abklingt und eine Narbe hinterläßt." Das war boshafter gemeint, als es nun erscheinen mag, wo Ausländer, die mit ein paar Monaten Fieber und einer Narbe davon kommen, von einem glücklichen Ausgang sprechen. Denn auch damals bereits waren es nicht Fleckfieber und Hitze alleine, die der Stadt zu zweifelhaftem Ruhm verhalfen, sondern Extremismus und politische Gewalt.

Zu Beginn der 30er Jahre war Bagdad zum geistigen Zentrum des arabischen Nationalismus avanciert. Im "Muthanna-Club", wo neben Regierungsbeamten auch exilierte Gefolgsleute des Mufti von Jerusalem, Hadj Amin al Husseini, verkehrten, entdeckte man den europäischen Faschismus für sich und Briten wie Byron waren nicht immer wohlgelitten. "Es war schick anti-britisch zu sein", beschrieb Freya Stark, die in Bagdad lebte, die herrschende Stimmung. "Es garantierte Erfolg, egal ob man Anwalt, Politiker oder Journalist war. Man profitierte persönlich davon und war zugleich ein aufopfernder Patriot - which is as near as one can get in politics to eating ones cake and having it…".

Praktisch alle relevanten politischen Fraktionen waren nationalistisch und das Bewußtsein, lediglich in einem von Außen aufgezwungenen Regime zu leben, wurde bis hinein in die Staatsklasse von einer großen Mehrheit geteilt. Zwischen 1933 und 1941 erlebte das Land 15 verschiedene nationalistische Regierungen, wobei die meisten per Staatsstreich zur Macht gelangten und wieder stürzten. Die Schuld für die anhaltende Staatskrise wurde indes bald schon nicht mehr nur Vertretern der ehemaligen Mandatsmacht Großbritannien, sondern, einhergehend mit der zunehmenden Begeisterung radikaler Panarabisten für den Nationalsozialismus, den nichtarabischen Volksgruppen und zuvorderst den irakischen Juden gegeben. Den Auftakt dieser Episode nationalistischer Unruhe bildete nicht zufällig 1933 der sog. "assyrische Zwischenfall", ein Pogrom an im Nordirak ansässigen Assyrern, die als "britische Spione" in Dörfern und Städten zusammengetrieben und totgeschlagen oder erschossen wurden. Ihren Höhepunkt fand sie 1941 im Putsch einer pro-deutschen Falange unter der Führung Rashid Ali Al-Gaylanis, der nach wenigen Monaten von britischen Truppen niedergeschlagen wurde und in dem ersten organisierten Pogrom an den Bagdader Juden, dem Farhud, endete.

Bereits Mitte der Achtziger Jahre erschien die Studie "Iraq Between the Two World Wars – The Militarist Origins of Tyranny" der amerikanischen Historikerin Reeva Spector Simon; in einer Zeit also, als sich weder in den USA noch in Europa ein größeres Publikum fand, das sich ernsthaft für die historische Nähe des arabischen Nationalismus zum deutschen Nationalsozialismus interessierte. Daß neben den "Kriegstagebüchern" der Nahost-Korrespondenten und Abhandlungen über die "Kriegslügen" Amerikas nunmehr auch Reeva Simons Buch in überarbeiteter Fassung neu aufgelegt wurde, muß als sekundärer Kriegsgewinn gesehen werden, den sich nicht entgehen lassen sollte, wer neben den berühmten Massenvernichtungswaffen noch andere Gefahren im gestürzten Ba'thstaat erkannte. Die Geschichte, die Simon erzählt, "handelt von der Entstehung einer Ideologie, davon, wie sie die politischen Vorstellungen im Irak prägte und wie der Versuch, ihre Ziele 1941 in Realität umzusetzen, zum Vorspiel einer kontinuierlichen Entwicklung wurde, die zur Diktatur Saddam Husseins führte."

Der Putsch Rashid Ali Al Gaylanis und die tagelang anhaltenden Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung stellen für Simon weder einen Unfall, noch eine Ausnahme innerhalb der irakischen Geschichte dar, sondern werden als logische Folge einer Entwicklung analysiert, innerhalb derer Regierungen wie Opposition gleichermaßen auf einen völkisch gefärbten arabischen Nationalismus setzten, in einem Land, das selbst nur zum Teil arabisch war. Simon beschreibt die Bildung faschistischer Jugendorganisationen, wie die Futuwwa oder die Kata'ib al-Shabbab, die der Hitlerjugend nacheiferten und eine wesentlichen Anteil am Terror unter der Gaylani Regierung hatten. Ihr Kampf galt zuvorderst den "Feinden im Inneren". Noch als britische Truppen bereits kurz vor Bagdad standen, richtete die Regierung eine Anfrage an Deutschland und bat darum, "einen Experten im Aufspüren von Infiltranten und 'fünften Kolonnen' zu senden, um diese 'auszurotten'." Yunis al Sabbawi, Führer der Kata'ib al-Shabab, der in den 1930ern Hitlers Mein Kampf übersetzt hatte, erkannte diesen Feind in den irakischen Juden. Am 30. April 1941 verhängte er eine Ausgangssperre über die jüdische Bevölkerung und forderte ihre Vernichtung. Sabbawi, der noch vor der Verwirklichung seiner Pläne - und vor dem Eintreffen britischer Truppen - über die sichere Grenze in den Iran gebracht wurde, sollte ein erklärtes Vorbild des späteren Präsidenten Saddam Hussein werden.

Sabbawi taucht daher nicht ganz zufällig auch in jenem Band über "arabische Begegnungen mit dem Nationalsozialismus" auf, den das Zentrum Moderner Orient jüngst unter dem Titel "Blind für die Geschichte?" veröffentlicht hat. Bereits der Begriff der "Begegnung" legt nahe, daß es den Autoren nicht um "den Mythos der 'profaschistischen Araber'" geht, sondern darum, mit einem "Narrativ" zu brechen, demzufolge "mit Hinweis auf einen dämonisierten 'Großmufti'" arabische Kriegsanstrengungen und "palästinensische Kommandoaktionen... in die Nähe der nationalsozialistischen Judenverfolgung gerückt" würden. Der israelischen und "zionistischen Holocaust-Instrumentalisierung, oder auch -Fetischisierung", so die Herausgeber, sei die "Primärerfahrung" gegenüberzustellen, daß beiden Völkern jeweils eine "Ur-Katastrophe" zugrunde liege: "Shoa und Nakba".

Das klingt, als müßten die Autoren sich erst einmal ordentlich Mut anreden. Der beklagte wissenschaftliche "Narrativ" jedenfalls über die arabische Kollaboration mit den Nazis muß, zumal angesichts der spärlichen Literatur, als reine Behelfskonstruktion erscheinen, um zwanghaft und immer wieder zum eigentlichen Thema vorzustoßen: Den "blinden Fleck", die "Gefährdung der Erinnerung" durch "eine Geschichts- und Erinnerungspolitik, deren Protagonisten versuchen, ihren Status als Opfer zu monopolisieren". So rebellisch die Herausgeber sich dabei empfinden, so sehr bewegen sie sich doch innerhalb des gängigen "Narrativs" der Berliner Republik, regen sich vorauseilend über die zu erwartende Kritik an Gerhard Höpps Text zu den "arabischen Opfern des Nationalsozialismus" auf und merken zugleich nicht, daß diese weit moderater ausfiele, würden die Schikanen, denen sich Araber im nationalsozialistischen Deutschland ausgesetzt sahen, nicht beständig gegen die Vernichtung der europäischen Juden aufgewogen. So nonkonformistisch, wie sie sich wähnen, sind die Herausgeber dabei nicht.

Die Darstellung folgt einer Nahost-Geschichtsschreibung, wie sie in der DDR über Jahrzehnte gang und gäbe war und die – wie das Standardwerk "Deutsche Araberpolitik im Zweiten Weltkrieg" von Heinz Tillmanns - die Affinität arabischer Nationalisten zum Nationalsozialismus lediglich als Kollaboration korrupter Regierungen mit dem "deutschen Imperialismus" und gegen die Interessen des Volkes wahrnahm. In Peter Wiens Aufsatz über den irakischen Coup von 1941 werden die Protagonisten, wie der bereits erwähnte Yunis al Sabbawi, als junge, am Aufstieg behinderte Modernisierer dargestellt. Sabbawi, so Wien, "ging es um die Übernahme eines westlichen Modernisierungsprojektes, und dieses konnte auch ein totalitäres sein. 1941 revoltierte die Generation der jungen Effendiyya ...gegen das alte Establishment und seine Großbritannienhörigkeit. Es ist einer der Unglücksfälle der irakischen Geschichte, daß dies im Umfeld des Zweiten Weltkriegs geschah." In einem anderen Umfeld hätten Sabbawi und seine Freunde wohl genauso gut auch Umweltaktivisten werden und Froschzäune bauen können, anstatt Juden umzubringen. Mit Saddam Husseins Wunsch, Israel zu vernichten, mit seinen Giftgaseinsätzen gegen Kurden und der paranoiden Gewalt, mit der arabisch-nationalistische Regimes in der Folge ihre gesamte Intelligenz umbrachten oder ins Exil trieben, hat diese Geschichte scheinbar nichts zu tun. Mit der "Gewaltpolitik Israels" und seiner "monopolisierten Opferrolle" aber angeblich sehr viel.

Erschienen in Konkret 12/ 2004

(1) Reeva Spector Simon: Iraq between the two world wars, The militarist Origins of Tyranny – How the German-based military education of an Iraqi elite led to the regime of Saddam Hussein, Columbia University Press, New York 2004.
(2) Gerhard Höpp, Peter Wien, René Wildangel (Hrsg.): Blind für die Geschichte? Arabische Begegnungen mit dem Nationalsozialismus, ZMO-Studien Band 19, Klaus Schwarz Verlag, Berlin 2004.

hagalil.com 19-12-2004

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