Katholischer Fundamentalismus:
Gegen Toleranz und Gewissensfreiheit
Von Max Brym
Im Stella Maris-Verlag erschien ein Buch von Walter
Lang unter dem Titel "Der Modernismus als Gefährdung des christlichen
Glaubens". Walter Lang ist erzbischöflicher geistiger Rat und Priester der
Erzdiözese München und Freising. Der Autor war 30 Jahre lang als
Religionslehrer an Münchner Gymnasien tätig und arbeitet gegenwärtig in der
Seelsorge der Pfarrei Sankt Franziskus München. Herr Lang ist Mitarbeiter
der Zeitschriften "Theologisches" und "Kirchliche Umschau".
Die Streitschrift des katholischen Theologen ist eine einzige Anklage gegen
den Modernismus, die französische Revolution und den Geist der Aufklärung.
Er lehnt im Buch die Toleranz und den interreligiösen Dialog entschieden ab.
Er beklagt den Einbruch der "banalen Moderne in den Innenraum der Kirche".
Lange blickt im Zorn auf das 2. Vatikanum aus dem Jahr 1965 zurück.
Bekanntlich entschuldigte sich das 2. Vatikanische Konzil bei den Juden für
den unsäglichen traditionellen "christlichen Antijudaismus". Das scheint
Herrn Lang besonders zu stören, obwohl er auf diese Tatsache nicht näher
eingeht.
Er verdammt das 2. Vatikanische Konzil in Grund und Boden
und damit auch die offiziell erfolgte Absage an den christlichen
Antijudaismus als Wegbereiter des "modernen" rassenbiologischen
Antisemitismus. Der Autor bejammert, dass es im Christentum eine Strömung
gebe, welche die "reine Lehre" in einen "unverbindlichen Humanismus
beschränkt sehen will". Prinzipiell attackiert der katholische
Fundamentalist Positivismus, Materialismus, Liberalismus, Existentialismus,
Sozialismus und Neo-Marxismus. Langs Hauptgegner ist der "teuflische"
Modernismus.
"Antimodernisteneid"
Lang und breit wird in dem Buch das "segensreiche Wirken"
von Papst Pius X. beschrieben. Besonders fährt Lang hier auf den
"Antimodernisteneid", den Papst Pius X. erließ, ab. Er beklagt wortgewaltig,
dass durch Toleranz und Dialog "die Tradition und der Glaube eine
dramatische Abwertung erfuhren". Herr Lang will ins
dogmatisch-christlich-katholische Mittelalter zurück und sein Beitrag zur so
genannten "Leitkulturdebatte" schießt besonders scharf gegen die
gleichgeschlechtliche Liebe. Herr Lang bezeichnet Homosexualität als
"Unzucht" und nennt sie eine der "5 Sünden, die zum Himmel nach Rache
schreien" (Katechismus der katholischen Kirche Nr. 1876).
Eine schwere Attacke reitet der Münchner Theologe gegen
den päpstlichen Nuntius von Madrid. Jener nannte homosexuelle Verbindungen
"eine andere Lebensform" und plädierte dafür, "diese staatlich
anzuerkennen". Die Erregung darüber ist in dem Büchlein ausgesprochen groß.
Herr Lang nennt Homosexualität "eine Todsünde" und beklagt deren
Uminterpretation. Offensichtlich will Herr Lang zurück zur katholischen
Inquisition und zur Hexenverbrennung ohne das wörtlich auf das Papier zu
schmettern. Fanatisch beharrt er auf "Tradition und Glauben" und stellt sie
in seinem Werk in schroffen Gegensatz zu "Toleranz und Gewissensfreiheit".
Walter Lang ist kein Einzelfall
Während hierzulande eine rassistisch unterlegte Debatte
über den islamischen Fundamentalismus geführt wird, erfolgt eine
vollständige Ignoranz gegenüber dem stärker werdenden christlichen
Fundamentalismus. Dies bestätigt sich beispielsweise dadurch, dass der Film
"Die Passion" von Mel Gibson in Deutschland ein Kinohit war. Mel Gibson
zeigte bekanntlich in der Tradition des christlichen Antijudaismus die Juden
als "kollektive Gottesmörder". Die katholische Sekte, der Gibson und sein
Vater angehört, verdammt genau wie Herr Lang besonders das 2. Vatikanische
Konzil. Gibsons Vater nannte das 2. Vatikanische Konzil eine "Verschwörung
von Juden und Freimaurern". Die Dinge wurden also schon im Sinne Langs beim
Namen genannt und filmisch gezeigt, er braucht das Papier seines Buches
nicht mehr mit solchen Aussagen strapazieren, denn die "Gegenaufklärung"
sowie der Antisemitismus sind gängige Zeiterscheinungen.
Martin Mosebachs Buch über die "Häresie der Formlosigkeit"
(Wien-Leipzig 2004, 4. Aufl.) war ein unerwarteter Erfolg. Auch der
"katholische Romancier" und Schriftsteller Mosebach beklagt den Einbruch
einer "banalen Moderne in den Innenraum der Kirche nach dem 2. Vatikanischen
Konzil". Gegenwärtig läuft in diversesten katholischen Blättern eine
ideologische Offensive mit dem Ziel, den katholischen Fundamentalismus zu
verbreitern. Es gibt nicht nur den "reaktionären Bibelgürtel" in den USA und
reaktionäre islamistische Gebilde wie Saudi-Arabien, sondern offensichtlich
wollen christliche Fundamentalisten die Gunst der Stunde (wirtschaftliche
Krise, Leitkulturdebatte) auch im deutschsprachigen Raum nutzen, um
repressiven reaktionären Müll fester zu installieren. Dabei gilt es zu
bilanzieren, es gibt eine Kombination aus rechtsextremistischen Laizismus
und "bräunlich Gläubigen", die für ihre Sauce "den lieben Gott mißbrauchen".
hagalil.com
15-12-2004 |