Von Schimschi Zahubi, Haifa
Die Ereignisse überschlagen sich. Wir verlieren die Übersicht. Zuerst
also der Sieg von Bush über Kerry, dann der Sieg vom Tod über Arafat und
jetzt die Spekulationen, was sich wohl als nächstes ereignen könnte.
Der Rückzug aus Gaza trifft auf die Nachfolge von Arafat. Eventuell wäre
es klug gewesen, mit dieser Entscheidung etwas zu warten, auch wenn die
Umsetzung nicht vor 2005 geplant wäre. Wie kommen die Nachfolger mit ihren
Selbstsprengungspäderasten zurecht? Haben sie die Absicht jene
zurückzupfeiffen, und, wenn ja, lassen sich jene dies gefallen?
Könnte der "neue" Bush darauf drängen, den Gazaauszug umzusetzen, um
gleichzeitig daraus einen Kampf gegen der Terrorismus zu formulieren? Die
Formel ist nicht unbekannt, wonach der Terror von Unterdrückungen gespeist
wird. Weniger Besatzung, also weniger Druck, also weniger Grund, gegen den
vermeintlichen Besatzer Terror auszuüben. Nun liegt die Sache jedoch nicht
ganz so einfach. Die Besetzung von Gaza war eine Reaktion auf die dort
aufgebaute Terrorszene. Nimmt man den Druck weg, könnte sich ein neuer
Aufbau von "Kampfgruppen" in Gaza ungestört umsetzen. Das Rezept von Bush
war gerade nach dem 11.9.01, den Herd des Terrors großflächig auszuräuchern.
Nach diesem Rezept wäre also die Besetzung von Gaza eher zu verstärken.
Allerdings gilt ein Gesetz aus der Physik auch in diesem Bereich: man
reduziere den Druck und schon vermindert sich ebenso der Gegendruck.
Sollte man abwarten, was Arafats Nachfolger unternehmen? Vielleicht
schaffen sie es doch zu erkennen, daß eine Zusammenarbeit mit Israel zum
Vorteil aller Beteiligten gereichen würde? In diesem Fall wäre eine
Reduzierung des israelischen Militärs im Machtbereich der Palästinenser,
also auch in der Westbank, angeraten. Andererseits könnte dies falsch
verstanden werden- als Reaktion auf den Terror.
So bleibt nur die derzeitige Vorgehensweise übrig. Stück für Stück etwas
Gasgeben, und etwas bremsen, und sehen, wie das Vehikel -Israel- durch das
sumpfige Gelände kommt. Am Lenkrad hockt Scharon, vor der Kühlerhaube
rennen, wild gestikulierend Palästinenser und israelische Nationalisten auf
und ab. Völlig unklar bleibt, ob sie den Fahrer auf ein Hindernis aufmerksam
machen wollen, oder ob sie versuchen, die Fahrt zu unterbrechen, um den
Fahrer aus der Kabine herauszuzerren. Das vorsichtige Vorwärtsbewegen soll
vermeiden, daß jemand unter die Räder gerät, aber auch, daß man im Sumpf
stecken bleibt.
Langfristig ist eine Befriedung der Region geplant, und die Errichtung
eines Palästinensischen Staates. Kaum jemand erkennt, daß Israelis in den
"Gebieten" genau das gleiche Recht haben zu leben, wie Araber im Galil. Ein
funktionsfähiger Staat kann sich ein Aussperren von Ausländern auf die Dauer
nicht leisten. Ist jedoch genau dieses geplant, so darf man die Errichtung
eines "palästinensischen Staates" nicht weiter zulassen. Es gäbe ein, nur
kurzzeitig lebensfähiges Gebilde, in dem sich Extremisten einrichten würden,
mit der Absicht das gesamte Umfeld in ihre Gewalt zu bekommen. Eine
Bedrohung dieser Art kennt man bereits aus Gaza und aus den "Gebieten". Der
militärische Rückzug wird aufmerksam beobachtet, um gegebenenfalls
unverzüglich gestoppt zu werden.
So gesehen mag es von Vorteil sein, daß die "Weltpolizei" USA weiterhin
vom selben Mann angeführt wird. Man meint, seine Vorgehensweise bereits
abschätzen zu können. Der Kampf gegen den Terror läuft ähnlich weiter wie
bisher, auch wenn jetzt ein unberechenbarer "Kampfhund" aus dem Verkehr
gezogen wurde. Die Einstufung der neuen Leitbullen wird erst im Laufe der
Zeit möglich sein.