
Fußball, Lieder, Demos:
In Vorpommern greift der rechte Mainstream
Von Heike Kleffner
Ein verwinkelter Garagenkomplex im
Plattenbauviertel am Rande von Ueckermünde in Vorpommern: Neonazis
haben es sich hier bequem gemacht mit Sofas, selbst gebautem Tresen,
Schlafmöglichkeiten und Musikanlage. An lauen Sommerabenden dröhnen
hier die Lieder der Naziband "Landser". Über allem weht die
schwarz-weiß-rote Fahne mit dem Reichsadler.
Anwohner lassen keine Berührungsängste erkennen.
Neben den Garagen der "Aryan Warriors" werkeln am Wochenende
Familienväter an ihren Mittelklassewagen. Ob sie die Präsenz der
Rechten stört? "Seitdem die hier sind, werden keine Autos mehr
geklaut", sagt eine Anwohnerin. Auch von offizieller Seite
betrachtet man die rechte Idylle in der "schönsten Stadt" am
Stettiner Haff resigniert: Einige der Garagen seien von den
"arischen Kriegern" gekauft worden, rausschmeißen könne man die nun
nicht mehr.
Die Stadt verlassen in diesen Tagen andere: Knapp 150
Flüchtlinge hätten aus einer abgelegenen ehemaligen Kaserne mitten
im Wald umziehen sollen ins Stadtzentrum von Ueckermünde. Damit
wollte der Landkreis Uecker-Randow den so genannten
Dschungelheim-Erlass der Landesregierung umsetzen. Der sieht vor,
Flüchtlingsunterkünfte zu schließen, die fernab jedes Supermarkts
und jeder Schule in ehemaligen NVA-Kasernen und Baracken
untergebracht sind. Doch in den Landkreisen Uecker-Randow und
Ostvorpommern hat die extreme Rechte erfolgreich gegen neue
Heimstandorte mobilisiert. Zuletzt in Ueckermünde, wo eine
"Bürgerinitiative schöner und sicherer wohnen in Ueckermünde" im
Frühsommer knapp 2.000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren unter
dem Motto "Nein zum Asylantenheim" sammelte. Hinter der Initiative
standen die vier neonazistischen Kameradschaften der Kleinstadt.
Überregional gilt Ueckermünde seit dem erfolgreichen Schulterschluss
zwischen Bürgern und Neonazis als Modell für die extreme Rechte.
Einzige Kritik: Die Ueckermünder Kameraden hätten bei so viel
Zustimmung aus der Bevölkerung gleich auch noch zu den
Kommunalwahlen antreten sollen.
"Viele Bürger haben erklärt, dass sie nicht
unterschrieben hätten, wenn sie gewusst hätten, dass Neonazis
dahinter standen", sagt Pfarrer Hans Lücke (54). Der Seelsorger will
der "Atmosphäre der Einschüchterung" entgegentreten und gründete
gemeinsam mit Ärzten, Lehrern und Kirchenleuten das überparteiliche
Bündnis "Bürger für Integration, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie"
(Bird). Schockiert hat ihn, dass es den Neonazis mit der Frage des
Flüchtlingsheimumzugs erneut gelungen ist, "gesellschaftliche und
kommunale Themen zu bestimmen".
Nachdem der Stadtrat das "Bürgerbegehren" gegen das
neue Heim mit formalen Gründen ablehnte, gingen die Rechten Anfang
Juli erstmals auf die Straße. Und freuten sich über Dutzende
Ueckermünder, die hinter ihrem Transparent "Wehe dem, wer Volkes
Stimme nicht hört" mitliefen. Zwei Tage vor dem nächsten
Neonazi-Aufmarsch Anfang September ließ das zuständige Landratsamt
dann verlauten, es werde kein Flüchtlingsheim in Ueckermünde geben.
Der Umbau der gewählten Immobilie sei zu teuer.
250 Rechte marschierten trotzdem, feierten ihren
"Sieg" und nutzten die Gelegenheit, rassistische Botschaften und
Protest gegen "Hartz IV" unter einen Hut zu bringen. In den ersten
Reihen: ein vorbestrafter Neonazi aus Berlin, der seit einem Jahr
von Greifswald aus den Aufbau der rechten Strukturen betreut. Und
der Stralsunder NPD-Kreisvorsitzende Dirk Arend, der auch schon mal
öffentlich den Aufbau eines "nationalsozialistischen Deutschlands"
fordert. An den Seiten und hinten die "Aryan Warriors" mit
Rockerbärten, schwarzen Sonnenbrillen und den T-Shirts mit weißem
Keltenkreuz - Mittzwanziger bis -dreißiger fürs Grobe, Männer, deren
Oberarmmuskeln und Bierbäuche die T-Shirts spannen lassen. Das
genaue Gegenteil sind die Mittzwanziger der Nationalgermanischen
Bruderschaft: ordentliche Seitenscheitel, karierte Hemden und bis
zum Rand abgefüllt mit nationalsozialistischen Ideologiefragmenten.
In der Region mangele es vielen an einem
"angemessenen Problembewusstsein", sagt Kai Bolick von Lobbi e.V.
Die Organisation unterstützt auch zwei junge Punks, die im
Frühsommer des Jahres 2002 in Ueckermünde unweit des rechten
Garagenidylls von vier jungen Männern zu Boden geschlagen und
getreten worden waren - weil sie mit ihren bunt gefärbten Haaren
offensichtlich nicht ins rechte Weltbild passten. Der Polizei gelang
es damals schnell, die mutmaßlichen Täter zu ermitteln. Doch
seitdem, sagt Nebenklageanwalt Jost von Glasenapp, sei seitens der
Justiz wenig passiert. Mehr als ein Jahr brauchte die
Staatsanwaltschaft, um eine Anklage zu fertigen. Seit einem weiteren
Jahr wartet der Anwalt auf einen Prozesstermin.
Jugendliche, die sich in Ueckermünde nicht dem
rechten Mainstream anpassen wollen, ziehen weg - wenn sie können.
Wenn nicht, färben sie zumindest ihre Haare nicht mehr bunt. Einen
eigenen Raum haben sie nicht mehr, seit ein rechtes Rollkommando vor
zwei Jahren ihren Treffpunkt überfiel.
An niedrigschwelligen Angeboten von rechtsaußen
dagegen mangelt es nicht. Mit dem "Kulturkreis Hans Mallon", benannt
nach einem SA-Mann, geben Jungmädel in Altersheimen und bei
Dorfumzügen "nationales Liedgut" zum Besten. In der Stimme der
Heimat erhalten Jugendliche Tipps zu Liebeskummer und
Körperertüchtigung. Und der Heimatbund Pommern lädt derweil auch
gleich besorgte Väter und Mütter zu Elternabenden ein. Um
"Missverständnisse" auszuräumen.
Ein "nationales Fußballturnier" mit 17 Teams aus der
Region, aber auch Berlin und Neubrandenburg, versammelte im Juli
rund 200 Rechte auf dem Platz eines örtlichen Sportvereins. Die
Siegermannschaft posierte am Ende mit den T-Shirts der
Anti-Wehrmachtsausstellung und der rechten Botschaft "Opa war in
Ordnung" fürs Gruppenfoto. Eine Woche zuvor konnten die "Aryan
Warriors" mit 200 rechten Gästen und lautstarkem Rechtsrock in ihren
Garagen ebenso ungestört ihr dreijähriges Bestehen feiern.
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10-11-2004 |