Rumänien:
Der Traum vom guten Christenmenschen
Bei der Präsidentenwahl in
Rumänien tritt rund ein Dutzend Kandidaten an. Geworben wird mit
Bibelzitaten und leicht abgewandelten Sprüchen aus der Zeit des
Faschismus. Auch die Diffamierung der politischen Gegner hat
Hochkonjunktur.
Von William Totok
"Ich schwöre vor Gott und allen Rumänen, dass ich
aus diesem Land eine wie die Sonne am Himmel strahlende Landschaft
machen werde", verkündete Gigi Becali. Er ist einer der - nicht
gerade aussichtsreichsten - Kandidaten, die sich am 28. November für
das Präsidentenamt zur Wahl stellen. Der ehemalige Schafhirte und
jetzige Vorsitzende des Bukarester Fußballclubs "Steaua" ist einer
der schillerndsten Sterne, die in den letzten Jahren am rumänischen
Politikerhimmel aufgegangen sind. Seine öffentlichen Auftritte
erregten schon früher die Aufmerksamkeit der Presse, die genüsslich
seine peinlichen Sprüche und grammatisch holprigen Erklärungen
zitierte.
Als Becali im letzten Sommer zum Chef einer aus dem
Nichts entstandenen Organisation, der "Partei der Neuen Generation"
(PNG), gewählt wurde, erfuhr die erstaunte Wählerschaft auch einige
Details aus der Biografie und der weltanschaulichen Küche des neuen
Politstars. Becalis Wahlspruch ist nichts anderes als ein
abgekupferter Vers aus der Hymne der rumänischen Faschisten. Diese
traten zwischen den Weltkriegen unter dem Namen "Legion des
Erzengels Michael" auf, organisierten antisemitische Pogrome und
verübten politische Attentate. Böse Zungen behaupten sogar, Becali
sei ein heimlicher Geldgeber einer legionaristischen
Nachfolgeorganisation gewesen, die nach 1989 aufgetaucht war.
Trotz seiner Beteuerungen, ein strammer
Christdemokrat zu sein und, falls er die Wahl gewänne, in Rumänien
eine "christliche Revolution" zu entfesseln, löste seine
Ankündigung, die christlichen Kirchen aller Landesbezirke mit je 2
Milliarden Lei (rund 50.000 Euro) zu unterstützen, Befremden aus.
Grund ist der Hinweis, Synagogen seien von dieser Hilfsmaßnahme
ausgeschlossen. Die Juden, erklärte der Vizevorsitzende der
Becali-Partei, brauchten keine Unterstützung. Sie seien "aufgeweckte
Leute, die alles infiltrieren". Die Vorwürfe des Antisemitismus wies
die Partei allerdings zu- rück.
Nachdem Corneliu Vadim Tudor, Chef der rechtsextremen
Großrumänien-Partei sich in einer spektakulären Kehrtwende vom
Antisemitismus losgesagt hatte, scheint nun Becali als ideologischer
Lückenfüller die großrumänischen Themen zu seinen Gunsten
ausschlachten zu wollen. Tudor, der sich in den Umfragen auf der
Beliebtheitsskala unter den rund einem Dutzend Kandidaten den
dritten Platz (9,67 Prozent) gesichert hat, verzichtete auf seinen
forschen antisemitischen Diskurs und geriert sich als tiefgläubiger
Christ. Es gibt kaum eine Rede, in die er nicht Bibelzitate oder
Hinweise auf Jesus Christus einbaut. Inwiefern diese Kehrtwende eine
Folge der Einflüsterungen seines israelischen Wahlmanagers ist, sei
dahingestellt.
Trotz alledem hat das politische Chamäleon Tudor
seine wahre Gesinnung nicht immer unter Kontrolle. Als der
Verwaltungsrat der ehemaligen Securitate-Archive ihm bescheinigte,
kein Mitarbeiter der Geheimpolizei gewesen zu sein, weigerten sich
drei Mitglieder des Gremiums, dem Rechtsextremisten einen
Persilschein auszustellen. Sie begründeten ihren Entschluss damit,
dass sich aus den Securitate-Unterlagen sehr wohl eine
Zusammenarbeit Tudors mit dem gefürchteten Geheimdienst belegen
ließe. Die unnachgiebige Haltung der drei veranlasste Tudor sie als
"furzende Zigeuner" zu beschimpfen.
Verbale Entgleisungen dieser Art gehörten immer schon
zum politischen Arsenal des großrumänischen Führers, um seine Gegner
zu diffamieren. Es gibt kaum eine Ausgabe seines Blattes, in dem der
derzeitige sozialdemokratische Premier und chancenreichste
Präsidentschaftskandidat Ilie Nastase, für den laut Umfragen 37,39
Prozent stimmen wollen, nicht mit dem Spitznamen "Bombonel"
angesprochen wird. "Bombonel" ist eine Anspielung auf die dem
verheirateten Familienvater unterstellte Homosexualität.
Auch der Oberbürgermeister von Bukarest und Kandidat
der liberaldemokratischen Wahlallianz "Recht und Wahrheit", der
Exoffizier Traian Basescu - den 33,07 Prozent wählen würden - nimmt
den Spitznamen seines Widersachers in den Mund. Der Populist Basescu
setzt auf Disziplin und Ordnung und verspricht wie alle anderen
Kandidaten, Steuererleichterungen, Bekämpfung der Korruption und
Vetternwirtschaft sowie Verbesserungen der Sozialsysteme.
All das wünscht sich auch das seit der Wende immer
wieder von großen Versprechungen enttäuschte Wahlvolk. Der künftige
Präsident sollte - gemäß eines von Gallup Rumänien aufgrund einer
Umfrage erstellten Roboterporträts des idealen Staatsführers - 13
Eigenschaften mitbringen, um als "guter Christenmensch" die
Korruption zu bekämpfen, für "Ordnung und Disziplin" zu sorgen und
"ein guter Rumäne" zu sein.
Ob Nastase, Basescu oder Tudor am ehesten diesem
Idealbild entspricht, entscheidet sich am 28. November.
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03-11-2004 |