
"Heisenhof"-Gelände:
Geschlossenheit nötig
"Was kommt auf uns zu?", fragen
sich die Menschen im niedersächsischen Dörverden, wo Neonazianwalt
Jürgen Rieger ein Gelände erwarb
Von Andreas Speit
Herren im Anzug neben Frauen im Alternativ-Chic,
bieder gekleidete Damen und autonom ausstaffierte Jugendliche. Manch
skeptischer Blick wird gewechselt bei der Bürgerversammlung am
Mittwoch in Dörverden-Barme. Der Saal im Forstenhof ist überfüllt,
die Trennwände zum Foyer hat man entfernen müssen. An die 300
Personen sind gekommen zur Veranstaltung "Heisenhof - Was kommt auf
uns zu?"
"Solch einen Andrang haben wir nicht erwartet", sagt
Michael Müller vom Veranstalter "Forum Zukunft e. V." Doch die Sorge
ist groß in der niedersächsischen Gemeinde, seit der Neonazianwalt
Jürgen Rieder das "Heisenhof"-Gelände gekauft hat. Mehrere Neonazis
wohnen inzwischen in den ehemaligen Bundeswehrgebäuden neben Bunkern
und Schießständen. Die rechte Szene in der Region beging derweil
vermehrt Übergriffe auf Jugendliche und Störaktionen gegen
Veranstaltungen.
Die Podiumsgäste wollen denn auch keine "falsche
Beruhigung" aufkommen lassen. "Es besteht die Gefahr", so Wilhelm
Wacker vom lokalen Staatschutz, "dass Herr Rieger hier das größte
rechte Zentrum in Europa aufbaut." Mehr jedoch warnt Wacker vor "der
Antifa". "Wir alle sind Antifa", erwidert prompt Andrea Müller vom
Bremer Lidice-Haus, und "junge Leute haben andere Aktionsformen".
Nur wenn "Geschlossenheit" gegen Rieger bewahrt
würde, ergänzt Pastor Hartmut Bartmuß, "können sie den hier wieder
wegbekommen". Jahrelang hat Bartmuß sich in Hetendorf gegen Riegers
dortiges Schulungszentrum eingesetzt, dass inzwischen geschlossen
ist. "Machen sie sich auf was gefasst", sagt er.
Im Saal schimpft derweil ein bekannter älterer
Rechtsextremist, im Foyer laufen gut 20 jüngere Kameraden auf.
Unbeirrt erläutert Gerd Bücker vom Landespräventionsrat, wie die
Rechten gezielt 14-Jährige umwerben. Eine dunkelhäutige Besucherin
merkt an, "mangelnde Toleranz" sei nicht alleine ein
"Jugendproblem". "Bei 80 Prozent der rechten Jugendlichen", sagt
auch Veranstalter Michael Müller, "haben Familienmitglieder ähnliche
Einstellungen." Die Auseinandersetzung müsse "kreativ" sein.
"Der Stadtrat könnte bei Rieger mal ante portas eine
Mahnwache durchführen", schlägt Bartmuß vor. Für den Volkstrauertag
ist erstmal ein "Sonntagsspaziergang" angemeldet. In Hetendorf gab
es regelmäßig Spaziergänge gegen Rechts. Nach fast zehn Jahren
schloss das Innenministerium 1998 das Zentrum. "Sie brauchen", sagt
Bartmuß den Menschen in Dörverden, "einen langen Atem."
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07-11-2004 |