Abschiebung:
Von Frankfurt über Belgrad nach Kosova
Von Max Brym
Der bundesdeutsche Staatsapparat schiebt rücksichtslos Flüchtlinge in
alle Gegenden der Welt ab. Das Grundrecht auf Asyl besteht nur noch auf dem
Papier. Menschen mit unsicherem Status müssen jederzeit mit einem gewaltsam
durchgeführten Transport zum nächsten freien Flugzeug rechnen. Endgültig
gelöst werden soll in diesen Tagen und Wochen, wie es im Behördendeutsch
heißt "die Albanerfrage".
Praktisch jede Nacht werden im Bundesgebiet zwischen 3 und 4 Uhr morgens
Kosovaalbaner aus den Betten gerissen. Seit neuestem werden Albaner und
Albanerinnen auch über den Flughafen Belgrad abgeschoben. Jede Abschiebung
ist prinzipiell abzulehnen, es lohnt sich aber dennoch, diese spezifische
Abschiebemaßnahme näher zu untersuchen.
"Es besteht kein Risiko in Belgrad"
Dies erklärten Vertreter bundesdeutscher Behörden in der Abschiebeverfügung
gegenüber Frau Servete Haliti in einem Schreiben. In dem Dokument ist zu
lesen: "Wir haben saubere Garantien aus Belgrad." Demzufolge wurde Frau
Haliti mit ihren beiden Kindern Mergim und Besmir vor einer Woche in ein
Flugzeug nach Belgrad verfrachtet. Gegen 2 Uhr nachts erschienen
Polizeibeamte am Wohnort von Frau Haliti und forderten sie auf, sich
umgehend fertig zu machen, "um außer Landes gebracht zu werden". An der
Tatsache dass Frau Haliti ihren kranken Mann zurücklassen mußte, störten
sich die Polizeibeamten nicht. Frau Haliti lebte 9 Jahre in Deutschland und
ihre beiden Kinder wurden in Deutschland geboren. Ein Kind ist 6 Jahre alt
und das andere 8 Jahre. Frau Haliti stammt aus Skenderaj im Norden Kosovas.
Das Gebiet leidet immer noch besonders unter den Folgen des Krieges. Im
Gebiet um Skenderaj haben real gerechnet über 80% der Bevölkerung kein
reguläres Beschäftigungsverhältnis. Frau Haliti legte seit Jahren Geld für
die Familie zurück. Sie kam aber in Kosova ohne Geld an.
Behandlung in Belgrad
Die Beamten am Flughafen in Belgrad brachten Frau Haliti kurz nach der
Landung in ein spezielles Vernehmungszimmer. Dort attackierten sie die Frau
mit rassistischen Sprüchen. Zudem wurde Frau Haliti geschlagen und ihre
Kinder geohrfeigt. Anschließend wurde ihr erläutert, dass "es 4000 Euro
kostet wenn Albaner in Belgrad landen". Frau Haliti gab den Beamten "nur
3000 Euro", die die Herren ohne Quittung einsteckten.
Nach ihrer Freilassung versuchte Frau Haliti mit einem Autobus nach Kosova
zu reisen. Obwohl es eine reguläre Busverbindung in den Norden Kosovas gibt,
gelang es ihr nicht mit den Kindern einen Bus zu besteigen. Sie wurde stets
als Albanerin identifiziert und aus jedem Bus hinausgeworfen. Die Reisegäste
verhielten sich rassistisch, "mit einer Skiptarski reisen wir nicht" war
eine gängige Beschimpfung. Als es ihr schließlich tatsächlich gelang, in
einen Bus zu kommen, holte sie ein "staatlicher Reisebegleiter" wieder
heraus und warf sie mitsamt den Kindern auf das Pflaster. Der Offizielle
erklärte ihr, sie dürfe "nur mit einem Taxi durch Serbien reisen". Es blieb
Frau Haliti nichts anderes, als an einem Taxistand ihr Glück zu versuchen.
Die Fahrer versuchten 1000 Euro aus der Frau herauszuschlagen. Einer fand
sich bereit sie für "nur" 500 Euro an die Grenze nach Kosova zu bringen.
Gegenüber der Zeitung Koha Ditore (12.11.04) beschrieb Frau Haliti die
Taxifahrt als Horrorfahrt. Ständig beleidigte der Fahrer die Frau und ihre
Kinder, zusätzlich wollte er doch noch mehr Geld als ursprünglich vereinbart
herausschlagen. Er drohte mit Vergewaltigung vor den Augen der Kinder,
letztendlich ließ er es aber bei verbalen Drohungen und gab sich mit 500
Euro zufrieden. Vorher hatte er Frau Haliti noch damit bedroht ihr die
Kinder wegzunehmen mit der Begründung: " Ihr habt eh zu viele Kinder".
Frau Haliti in Kosova
Ausgeraubt und gedemütigt befindet sich Frau Haliti jetzt in ihrem
Heimatdorf nahe Skenderaj. Der bundesdeutsche Staat schiebt Menschen
rücksichtslos nach Kosova ab, ohne die dortige materielle Not zu
berücksichtigen. Kinder, die in Deutschland geboren wurden, haben aufgrund
ihrer "ethnischen" Abstammung zu verschwinden. Gegenwärtig reichen den
bundesdeutschen Behörden die Flugkapazitäten nach Prishtina offensichtlich
nicht mehr aus. Zu dem Schrecken der Abschiebung kommt noch eine zusätzliche
Unmenschlichkeit, nämlich einige Albaner via Belgrad aus Deutschland
abzuschieben.
hagalil.com
15-11-2004 |