
NPD und "freie Kameradschaften":
Jetzt alle zusammen!
Die Zusammenarbeit der NPD mit den "freien
Kameradschaften" wird wieder enger. Drei bekannte Kameradschaftler traten
vor kurzem der Partei bei.
Von Jan Langehein
Jungle
World 42 v. 6.10.2004
Erst gab es Bratwurst und Bier, dann flogen Eier und
Flaschen. Rund 200 Rechtsextreme versammelten sich am 25. September vor dem
Neonaziladen "Backstreetnoise" und dem ihm angegliederten Plattenlabel
"PC-Records" in Chemnitz, um ihn gegen etwa 400 demonstrierende Antifas zu
verteidigen.
Von verurteilten Schlägern der Skinheads Sächsische Schweiz
über Kameradschaftler der Freien Kräfte Dresden bis zum Chemnitzer Stadtrat
der Republikaner, Martin Kohlmann, reichte das Spektrum der Rechtsextremen.
Sie traten ungewohnt offensiv auf. Nach Berichten von Augenzeugen nutzten
sie die Tatsache, dass die Polizei zunächst völlig unterbesetzt war, um die
Antifa-Demonstration immer wieder anzugreifen. Sie warfen Eier und Flaschen
und wurden auch handgreiflich. Die Antifas wehrten sich, denn die Polizei
war nicht in der Lage, die Angriffe der Rechtsextremen zu unterbinden.
Mit der Zusammenarbeit von Rechtsextremen verschiedener
Strömungen in Chemnitz setzt sich eine Entwicklung fort, die bereits seit
längerer Zeit zu beobachten ist. Waren die Gruppen der so genannten freien
Nationalisten auf der einen und der in Parteien, meist der NPD,
organisierten Neonazis auf der anderen Seite lange strikt getrennt und
teilweise heftig zerstritten, so lässt sich seit längerem eine gegenseitige
Annäherung feststellen. Die Kameradschaftler scheinen ihre Vorbehalte gegen
den "Legalismus" der NPD langsam aufzugeben, und die NPD selbst scheint
sich, nachdem das Verbotsverfahren gegen sie endgültig gescheitert ist, zur
Einbindung von Kameradschaftlern entschlossen zu haben.
Deutliche Zeichen für diese Entwicklung sind die
Parteieintritte der überregional bekannten Kameradschaftsfunktionäre Thomas
Wulff aus Hamburg, Thorsten Heise, ehemals Niedersachsen, jetzt Thüringen,
und Ralph Tegethoff aus Nordrhein-Westfalen. Sie hätten sich im Laufe des
Jahres mehrmals mit der Parteiführung der NPD zu "klärenden und
vertrauensbildenden Maßnahmen" getroffen, schreiben sie in ihrer "Erklärung
zum Beitritt in die NPD".
In diesen Gesprächen hätten ihnen Parteifunktionäre wie der
Vorsitzende der NPD, Udo Voigt, oder der sächsische Spitzenkandidat der
Partei, Holger Apfel, überzeugend und "in der gewünschten Deutlichkeit"
darlegen können, dass die "NPD zum nationalen Widerstand zu zählen ist". Man
sei jetzt an einer "zukunftsorientierten Zusammenarbeit in einer zu
schaffenden Bewegung der nationalen Opposition" interessiert. Offensichtlich
habe sich die Partei nach dem gescheiterten Verbotsverfahren im Sinne der
"freien Nationalisten" verändert. Die drei Neonazis kamen zu dem Schluss,
dass der Kampf um die Parlamente als "zurzeit eben so wichtig anzusehen" sei
wie der "parallel dazu verlaufende Kampf auf der Straße". Ihren Eintritt in
die Partei stellten sie unter das Motto: "Eine Bewegung werden".
Zumindest Heise hat seinen Entschluss früh gefasst. Bereits
bei den Landtagswahlen in Thüringen im Juni kandidierte er für die NPD. Als
Anführer der Kameradschaft Northeim Ende der neunziger Jahre hatte der
ehemalige niedersächsische Landesvorsitzende der verbotenen Freiheitlichen
Deutschen Arbeiterpartei (FAP) mit dem Göttinger NPD-Kreisverband
zusammengearbeitet. Dieser soll nach Erkenntnissen des niedersächsischen
Verfassungsschutzes mittlerweile nahezu identisch sein mit der Kameradschaft
Göttingen und stellt somit geradezu ein Modellprojekt für die neue
Zusammenarbeit der Kameradschaften mit der NPD dar, wenn auch ein bisher
recht erfolgloses.
In den Medien wurde der Beitritt von Heise, Wulff und
Tegethoff zur NPD vor allem als Reaktion auf den Wahlerfolg in Sachsen
dargestellt. Aber die Bemühungen um eine Zusammenarbeit sind durchaus
inhaltlich begründet und dauern, wie Heise zeigt, schon länger an. Trotzdem
dürfte die Aussicht auf einen Einzug der NPD ins sächsische Landesparlament,
die bereits spätestens seit den guten Ergebnissen der Partei bei der
Kommunalwahl im Juni dieses Jahres bestand, die Bemühungen der
Kameradschaften um eine Verständigung beflügelt haben. Der formelle Eintritt
wurde schon vor der Wahl vollzogen. Als Datum ihres Eintritts in die NPD
nennen die drei neuen Parteimitglieder den 11. September; an diesem Tag habe
die entscheidende Unterredung mit den Funktionären der NPD stattgefunden.
Der Führung der Partei scheinen die neuen Kameraden
willkommen zu sein. Die Beitrittserklärung von Wulff, Heise und Tegethoff
stellte sie in voller Länger auf ihre Homepage, und im rechtsextremen
Wochenblatt Junge Freiheit bekennt sich Udo Voigt dazu, die
"nationalsozialistische Strömung" in seine Partei integrieren zu wollen. Auf
das demokratische Mäntelchen im Parteinamen scheint ohnehin nicht mehr viel
Rücksicht genommen zu werden. Voigt erklärt, dass die Bundesrepublik ein
"illegitimes System" sei, Hitler hingegen "zweifellos ein großer deutscher
Staatsmann" gewesen sei. Diese Äußerungen brachten Voigt Ärger mit der
Berliner Staatsanwaltschaft ein. Sie ermittelt inzwischen gegen ihn wegen
des Verdachts auf Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger
Organisationen und der Verunglimpfung des Staates.
Offensichtlich sind nach dem Scheitern des Verbotsverfahrens
die Bedenken der NPD verschwunden, mit den freien Kameradschaften
zusammenzuarbeiten. Und das Gros der "freien Nationalisten" seinerseits
sieht seine Zukunftschancen am aussichtsreichsten an der Seite der NPD,
nicht mehr in der Konkurrenz zu ihr. Das habe sich durch den Wahlsieg in
Sachsen noch einmal verstärkt, meinen Verfassungsschützer, die NPD sei
derzeit im Aufwind.
Mehr Neonazis gibt es aufgrund der jüngsten Erfolge der NPD
zwar nicht. Es ist aber zu befürchten, dass die rechtsextreme Szene durch
die mögliche Beilegung interner Streitigkeiten zu einer effektiveren
Zusammenarbeit auch auf der Straße findet. Denn trotz einer 13köpfigen
NPD-Fraktion im sächsischen Landtag: Auf der Straße geht noch immer die
größere Gefahr von den Neonazis aus.
hagalil.com 11-10-2004 |