Tagung der Hans-Böckler-Stiftung:
Antisemitismus in der deutschen Linken
26.-28.11.2004,
Tagungsort: Berlin Pichelsee
Es
ist seit geraumer Zeit kein Geheimnis mehr, dass Judenfeindschaft zumal in
Deutschland nicht nur in der politischen Rechten zu finden ist. Jean Améry
etwa hatte nach dem Sechs-Tage-Krieg mehrfach auf den in der Neuen Linken
grassierenden 'ehrbaren Antisemitismus' hingewiesen, der sich nur schlecht
kaschiert als Kritik am Zionismus ausgab.
Obwohl, wie Noberto Bobbio herausgestellt hat, Gleichheit ein grundlegendes
Prinzip linker Weltanschauung ist, wird in den Argumentationen der
Linken um Israel und das Judentum interessanterweise insbesondere in den
letzten Jahrzehnten zunehmend ein politisches Instrument verwandt,
welches ursprünglich ein wesentliches Merkmal rechter Ideologie ist, nämlich
die Exklusion, in diesem Zusammenhang die ethnische Exklusion. Schon einigen
Denkern des deutschen Idealismus und der frühen Arbeiterbewegung wurden
antisemitische Ressentiments und Judenhass nachgewiesen. Das Verhältnis der
Linken zum Antisemitismus hat sich zwar vielfach transformiert, kaum aber
geklärt.
Die gegenwärtigen Diskussionen über die weltweit zunehmenden Konflikte und
Kriege insbesondere in Nah- und Mittelost und über die amerikanischen
Politik, sind in den gesellschaftlichen Strömungen, welche ihrem
Selbstverständnis nach innerhalb der politischen Linken zu verorten sind,
von erbitterten internen Debatten über das Verhältnis von Antisemitismus,
Antizionismus und Antiamerikanismus geprägt. Auf der Tagung soll die
Bedeutung antisemitischer Topoi in der deutschen Linken in Geschichte und
Gegenwart dargestellt und diskutieren werden: Ist Antisemitismus eine
Randerscheinung oder struktureller bzw. kohärenter Bestandteil linker
Ideologie? Wo liegen seine Wurzeln? Wie gestaltet sich das Wechselverhältnis
von Antisemitismus, kritischer Reflexion der nationalsozialistischen
Vergangenheit, Antizionismus, Antiamerikanismus und die in diesem Kontext
häufig zu beobachtende für die politische Linke eigentümliche Tendenz zur
Exklusion?
Inhaltlich wird sich die Veranstaltung an der Schnittstelle und im
Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik bewegen. Mit der Präsentation von
Initiativen, Filmen, mit Podiumsdiskussionen und wissenschaftlichen
Referaten möchten wir diesem Umstand Rechnung tragen und zugleich der
internationalen Dimension dieser Debatte gerecht werden.
Programm
Freitag, 26.11.2004
17:00-17:30 Uhr
Einführung in das
Anliegen der Tagung: Norman Geissler, Michael Elm, Oliver von Wrochem,
Brigitta Simbürger
17:30-19:00 Uhr
Nahost-Konflikt und
deutsche Linke
Gerhard Scheit (Wien),
Elfriede Müller (Berlin) Moderation: Brigitta Simbürger
20-22 Uhr
Spielfilm: Schatten
der Engel
(nach Fassbinders "Die
Stadt, der Müll und der Tod", Regie: Daniel Schmid, CH 1976, O.m.engl.U.,
105 Min.)
Einleitung und
Moderation: Michael Elm
Samstag, 27.11.2004
9:00-10:45 Uhr
Antisemitismus und die
organisierte deutsche Linke seit 1918
Moderation: Matthias
Brosch
Olaf Kistenmacher
(Hamburg):
Antisemitische Denkformen in der Kommunistischen Partei Deutschlands der
Weimarer Republik, 1918-1933 (mit Ausblick 1933-1945)
Mario Kessler
(Potsdam):
Antisemitismus in Gewerkschaften und SPD von der Jahrhundertwende bis in die
1950er Jahre
15 min. Pause
11:00-13:00 Uhr
Verhältnis von
politisch verfolgten Deutschen und Juden 1933-1945
Vorstellung: Oliver v.
Wrochem
Vortrag: Linde Apel
(Hamburg)
Spielfilm: Ein Tag
– Bericht aus einem deutschen Konzentrationslager 1939
(Regie: Egon Monk, BRD
1965, 85 Min.)
13:00 – 15:00 Uhr
Mittag
15:00-16:45 Uhr
Antisemitismus und
nationale Identität
Moderation: Norman
Geissler
Ilka Quindeau
(Frankfurt a.M.):
Schuldabwehr und nationale Identität
Lars Rensmann (Berlin):
Sekundärer Antisemitismus in der deutschen Linken
Viola Georg (Berlin): Einwanderungsgesellschaft und nationale
Erinnerungskultur
15 min. Pause
17:00-19:00 Uhr
Positionen zu Israel und Amerika in der DDR und der westdeutschen Neuen
Linken
Moderation: Oliver v.
Wrochem
Thomas Haury (Freiburg
i.Br.):
Antizionismus und Antisemitismus in der DDR
Knud Andresen
(Hamburg):
Antizionismus in der westdeutschen Neuen Linken seit 1960
Christian Schwaabe
(München):
Antiamerikanismus in der deutschen Linken
19:00 Abendbrot
20:00-22:00 Uhr
Spielfilm: Dr.
Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben
(Regie: Stanley
Kubrick, GB/USA 1963-64, 95 min.)
Einleitung und
Moderation: Michael Elm
Sonntag, 27.11.2004
9:00-10:30 Uhr
Vorstellung von
Initiativen gegen Antisemitismus
Moderation: Norman
Geissler
kiga
deutsch israelische
Politologenvereinigung
Sebastian Wertmüller
(DGB)
11:00 – 13:00
Nahostkonflikt, Europa
und die deutsche Linke
– aktuelle Fragen und Perspektiven
Moderation: Matthias
Brosch
Juliane Wetzel
(Berlin):
Antisemitismus in Europa/Schwerpunktsetzung auf Nahostkonflikt
Moshe Zuckermann (Tel-Aviv):
Deutsche Linke und Nahostkonflikt aus israelischer Perspektive
Mirjam Gläser (Berlin):
Nahost- und Erinnerungspolitik der deutschen Linken aus arabischer
Perspektive
12:00 – 13:00 Uhr
Abschluss und Mittag
Bei inhaltlichen Fragen wenden Sie sich an:
normangeissler@web.de
oder:
matthias.brosch@gmx.de
Tagungsgebühren werden keine erhoben.
Unterkunft und Verpflegung für Hospitanten, die von außerhalb anreisen,
übernimmt die Hans Böckler Stiftung.
Weitere Informationen:
http://boeckler.de/
Anmeldungen sind zu richten an:
Ralf
Guthoff
Hans-Böckler-Stiftung
Abteilung Verwaltung
Referat Organisation
Hans-Böckler-Straße 39
40476 Düsseldorf
oder Email an:
ralf-guthoff@boeckler.de
Anmeldung bis 15. November!
hagalil.com
28-10-2004 |