Kikar Zion:
Massenkundgebung gegen Scharons Abkopplungsplan
Die
Organisatoren sprachen von bis zu 120.000 Teilnehmern, nach Polizeiangaben
waren es 50.000 - 60.000 Menschen, die sich am Sonntagabend im Jerusalemer
Stadtzentrum, rund um den Kikar Zion, versammelten um gegen den
Abkopplungsplan von Ministerpräsident Ariel Sharon zu demonstrieren. Zu der
Demonstration hat der "Rat von Judäa, Samaria und Gaza", die Repräsentanz
der Siedler (Yesha-Council), aufgerufen. Die Organisatoren vereinbarten,
dass keine Politiker auf der Demonstration sprechen sollten, sondern nur
Siedler, die vom Abkopplungsplan direkt betroffen sind. Das Motto der
Demonstration lautete: "Die Abkopplung spaltet die Nation".
Trotz der Befürchtung
von Ausschreitungen blieb die Demonstration friedlich. Die Siedlerbewegung
rief auch im Vorlauf zur Demonstration die Teilnehmer immer wieder zum
gewaltlosen Protest an. Sicherheitsbeauftragte des Yesha-Councils waren
bemüht, aufhetzende Plakate und Transparente gegen die Regierung zu
verhindern. Auf vielen Plakaten stand "Diktator Sharon", "Scharon pfeift auf
uns"... Plakate auf denen Scharon als "Verräter" oder "Hitler" angegriffen
wurde, wurden jedoch schnell entfernt. Auch Anspielungen auf "Todesurteile
gegen die Verräter" wurden nicht geduldet.
Die Demonstration
unterschied sich somit deutlich von jener Demonstration am Zionsplatz im
Jahre 1995, bei der der damalige Ministerpräsident Jizhak Rabin in
SS-Uniform gezeigt wurde. Scharon und Netanjahu standen winkend auf einem
Balkon über dem Platz. Der ebenfalls eingeladene David Levi verließ damals
schockiert und erschüttert diesen, wie er sagte, "Ort des Schreckens und der
Schande".
Im Jahre 2004 wandte
sich Sharon, jetzt selbst Ministerpräsident, entschieden gegen die
aufhetzenden Aufrufe einiger Führer der Siedlungsbewegung sowie einzelner
rechter Rabbiner, die sich gegen die Regierung, die Sicherheitsapparate und
die Armee richteten. Religiöse Nationalisten unter den Rabbinern hatten erst
in der vergangenen Woche angeregt, die Sicherheitskräfte aufzufordern,
Befehle zu verweigern, die die Räumung von Siedlungen vornehmen sollen. Die
Siedler sollen zudem zum Widerstand gegen die mögliche Räumung von
Siedlungen aufgerufen werden, falls Regierungschef Sharon seine Pläne
implementiert.
Sharon verurteilte derartige Aufwiegelung in der wöchentlichen
Kabinettssitzung ausdrücklich: "Wir wurden in den letzten Tagen Zeugen einer
Kampagne von Aufhetzungen, inklusive Andeutungen von Bürgerkrieg". Sharon
richtete seine Kritik nicht nur gegen entsprechende Siedlervertreter,
sondern auch gegen Regierungsmitglieder, die sich nicht eindeutig gegen die
Drohungen rechtsgerichteter Kreise der vergangenen Tage aussprachen. Sharon
schlug während der Debatte "auf den Tisch" und rief solche Äußerungen gegen
die Sicherheitskräfte seien grauenhaft, man könne verschiedener Meinung
sein, die Sicherheitsapparate sollten aber aus der Diskussion herausgehalten
werden: "Lasst die Armee aus der Debatte heraus, hetzt nicht gegen sie und
bedroht sie nicht!"
Vor einigen Wochen hatte Sharon sich betroffen gezeigt, dass nun er selbst,
nachdem er jahrelang sich für die Sicherheit eingesetzt habe, geschützt
werden müsse, vor den Morddrohungen religiöser Nationalisten.
Netanjahu fordert
Bürgerentscheid zum Abkopplungsplan
Die
Widerstandsdrohungen einiger Siedler haben inzwischen den Ruf nach einem
Volksentscheid laut werden lassen. Zwar ist die Bevölkerungsmehrheit für die
Räumung des Gazastreifens. Für ein Referendum wäre aber eine
Verfassungsänderung erforderlich, so dass ein Abzug Anfang 2005 laut Scharon
nicht umgesetzt werden könnte.
Am Montag überraschte Finanzminister Netanjahu mit dem Vorschlag, ein
landesweites Referendum bezüglich des Abkopplungsplans solle abgehalten
werden. Netanjahu, der ein Gegner des Abkopplungsplans von Ministerpräsident
Sharon ist, machte diesen Vorschlag auf einer Rosh Hashana Zeremonie des
Finanzministeriums. "Ich bin sehr besorgt über all die Dinge, die wir in
letzter Zeit sehen und erfahren mussten – die verbalen Entgleisungen und die
Emotionen im Vorlauf zu der Entscheidung bezüglich des Abkopplungsplans."
Deshalb schlägt Netanjahu eine landesweite Volksabstimmung vor, die die
Frage beinhalten soll, ob man "für oder gegen" den Abkoppelungsplan ist.
Laut Netanjahu könnte ein Bürgerreferendum "die Einheit des Volkes
absichern" und in "beschleunigter Form" innerhalb von sechs Wochen
abgehalten werden.
"Die wahre Intention ist doch nur eine Verzögerung des Abzugs", kommentierte
Scharon in der Zeitung "Jediot Ahronot". Ministerpräsident Ariel Scharon
will den geplanten Rückzug aus dem Gazastreifen nicht durch ein Referendum
verzögern und lehnt dementsprechend die Forderung seines parteiinternen
Rivalen Netanjahu ab. Der vom Kabinett bestätigte Zeitrahmen dürfe "um
keinen Tag" geändert werden.
Ein Manifest, das die Auflösung von Siedlungen im Gazastreifen als
"Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnete, war sowohl vom Vater als
auch vom Bruder Bibi (Binjamin) Netanjahus unterzeichnet worden. Der
Abkopplungsplan sei "Ausdruck von Tyrannei, Bosheit und Willkür". Offiziere
und Soldaten wurden aufgerufen, sich an dieser "ethnischen Säuberung" nicht
zu beteiligen.
Auch politische Analysten betrachten den Vorschlag von Netanjahu als
Versuch, Zeit zu kaufen, da die gesetzliche Basis für ein solches Referendum
als komplex bezeichnet wird und mehr als die vom Finanzminister
angesprochenen sechs Wochen benötigen würde. Aus Benjamin Netanjahus Sicht
könnte ein Referendum die Spannungen innerhalb der israelischen Bevölkerung
verringern und für mehr Verständnis sorgen. Er sagte dazu: "Es wird sehr
schwer zu argumentieren sein, dass solch eine Entscheidung
(Abkopplungsplan), gebilligt von der Mehrheit der israelischen
Öffentlichkeit, illegitim sei." Laut Haaretz wird der Vorschlag Netanjahus
allgemein als indirekte Unterstützung für die rechten Gegner des
Abkopplungsplans verstanden.
Das Sicherheitskabinett stimmte am Dienstag dafür, die Siedler schon vor dem
Abzug mit Bargeld zu entschädigen. Wie aus Kabinettskreisen verlautete, war
nur Wohlfahrtsminister Sewulun Orlew von der Nationalreligiösen Partei
dagegen. Die Entscheidung zeigt die grundsätzliche Unterstützung der
Minister für Scharons Plan. Insgesamt soll jede Siedlerfamilie mit ca.
300.000 bis 400.000 Euro für die Aufgabe ihres Eigentums entschädigt werden.
Die Hetzer machen mobil:
Im
Namen G'ttes
...das Auflösen von Siedlungen im Gazastreifen - "ethnische Säuberung" und
ein "Verbrechen gegen die Menschlichkeit"...
Fronten in Gaza:
Siedler gegen Siedler
In den israelischen Siedlungen im Gazastreifen werden
Bewohner bedroht, die zum Rückzug bereit sind...
hagalil.com
12-09-2004 |