Kurden in der Türkei:
Der Ehebruch und die Europäische Union
Von Haydar Isik
Seit den 80'er Jahren verleugnet die Türkei ihre
Kurden. Sie dürfen ihre Muttersprache nicht ausüben, lernen, schreiben,
publizieren. Man muss sich das etwa so vorstellen: Die Türkei lässt ein
Drittel ihrer Bürger- die Kurden- rechtlos, führt einen Krieg gegen sie,
lässt die Wälder in Kurdistan in Brand stecken, zerstört die
Siedlungsgebiete, tötet innerhalb von 15 Jahren 40.000 Kurden.
Die Türkei ist seit den 50'er Jahren Mitglied der NATO und
seit den 60'er Jahren hat sie eine Assoziation mit der Europäischen Union
(EU). Bis jetzt haben weder NATO Partner noch EU-Behörden der Türkei
energisch vorgeworfen, dass sie die Rechte der Kurden derart missachtet. Die
Kurden appellieren seit Jahren an das Gewissen der EU-Behörden, damit sie
die Situation der Kurden zu mindest richtig betrachten sollen. Leider haben
wir vergeblich darauf gewartet, dass die EU der Türkei vorschreibt:
a) den Krieg gegen Kurden zu beenden,
b) den Kurden ihr Geburtsrecht auf Erlernung der Muttersprache in den
staatlichen Schulen zuzulassen,
c) die kurdische Identität anzuerkennen,
d) die kurdischen Gebiete wirtschaftlich aufzubauen.
e) eine Generalamnestie für politisch verfolgte Kurden zu beschließen.
Die EU, NATO und sogar auch die Friedensbewegung,
-demokratische Kräfte in Europa- haben gegenüber der Kurdenproblematik die
"drei Affen" gespielt. Als Herr Erdogan sehr aggressiv: "Hier ist die Türkei
und wir sind die Türken" sagte, hat man ihn nicht verstanden. Er wollte
damit sagen: "Wir können den Kurden ihre Rechte vorenthalten, sie foltern
und töten. Kein Mensch kann sich in unsere innere Anliegen einmischen. Wir
sind die Türken."
Die EU war immer schlapp, wenn es um die Türkei ging. Ich
habe niemals gesehen, dass die EU Behörden sich für die Rechte der Kurden
absolut klar ausdrücken. Aber ich muss zugeben, dass die EU sich für die
Straffreiheit des Ehebruchs in der Türkei sehr stark gemacht hat. Herr
Erdogan reiste sofort nach Brüssel und per Telefon erledigte er die
Forderung der EU. Also, dann ist die Welt heil. Die Türkei hat die
politischen Kriterien von Kopenhagen erfüllt.
Wie sollen wir uns mit dieser EU identifizieren, die für
den Ehebruch außergewöhnliche Wortlaute gefunden hat, aber für das Recht der
20 Millionen Kurden in der Türkei still und tatenlos blieb? Ist dieses
Verhalten moralisch vertretbar, bei dem der Streit um den Ehebruch einen
höheren Stellenwert hat als das Völkerrecht der Kurden?
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27-09-2004 |