Immer schön locker bleiben:
UEFA lehnte Verschiebung um einen Tag ab
Maccabi Tel Aviv und Bayern München spielen
am Erew Rosch haSchanah
Das
in Tel Aviv am Erew Rosch haSchanah 5765 stattfindende
Champions-League-Spiel Maccabi Tel Aviv / Bayern München hat schon im
Vorfeld die Gemüter erhitzt.
Ein Fußballspiel genau
zum Beginn der "Jamim noraim"*)
war bisher kaum vorstellbar. Dass internationale Gremien und Verbände - auch
für jüdische Gefühle - den notwendigen Respekt aufbringen würden, wurde
einfach vorausgesetzt, zumal Israel sowieso nur mit - mehr oder weniger -
befreundeten Organisationen im internationalen Austausch steht.
Vermutlich ging man dabei aber nur davon aus, dass nicht sein kann, was
nicht sein darf. In der Realität war der Respekt vor jüdischem Leben und
Glauben nämlich schon immer erstaunlich gering. Erstaunlich deshalb, weil
derartiges nicht unbedingt auf der Hand liegt, in einer Welt, die toten
Juden Denkmäler und Museen baut, sie in Holz schnitzt und an
Marionettenschnüren wieder zum Leben zu erwecken versucht.
Die Art, wie man mit den lebenden Juden umspringt, wenn die nicht so wollen
wie man sich das vorgestellt hat, steht dazu in so extremem Kontrast, dass
es ein Ding der Unmöglichkeit ist, dies den von ihrem positiven Engagement
nur noch begeisterten "Anständigen" verständlich zu machen.
Selbst christlich-jüdische Versöhnungsveranstaltungen werden regelmäßig auf
den Schabat gelegt. Die Haltung von Juden, die an solchen Veranstaltungen
deshalb nicht teilnehmen können oder wollen, wird oft genug als kleinlich,
verkrampft und intolerant abgetan. Wer auf die missglückte Terminwahl
hinweist, wird oft genug als Spielverderber ausgegrenzt und möglichst nie
wieder zum Ringelpietz der Anständigen eingeladen.
Vor diesem Hintergrund haben die Jerusalemer Richter recht, wenn sie eine
Einmischung zu Gunsten eines alternativen Termins ablehnen und dies unter
anderem damit begründen, dass ein Bestehen auf eine Verlegung bzw. eine
Absage zum festgelegten Termin dem gesamten israelischen Sport schaden
würde. Maccabi Tel Aviv wolle man nicht zumuten, die Begegnung nicht zu
bestreiten.
Prinzipiell muss eine Trennung von Sport und Religion nicht verkehrt sein,
und die Entscheidung, ob man in die Synagoge oder ins Stadion geht, ist
letztlich eine individuelle. Nur müsste dies dann auch für christliche
Befindlichkeiten gelten.
Deshalb fragte sich Zentralratspräsident Paul Spiegel im Gespräch mit der
"WELT", welchen Aufschrei es gäbe, würde die UEFA beschließen, ein solches
Spiel für den Heiligen Abend anzusetzen. Er sei "entsetzt und empört" und
habe kein Verständnis dafür, dass die UEFA aus prinzipiellen Gründen dem
Wunsch beider Mannschaften nach Verschiebung nicht Rechnung tragen will.
"Das ist eine Missachtung religiöser Gefühle", so Spiegel, er rechne mit
einer gespenstischen Begegnung vor leeren Rängen.
Sollte dies tatsächlich so sein, dann wäre dies im fußballbegeisterten
Israel eine Überraschung. Weniger überraschend ist dagegen, dass Spiegels
Haltung vom deutschen Nachrichtensender n-tv prompt als "verkrampft"
dargestellt wird. Die Jerusalemer Richter lobt n-tv, weil sie den "Zwist
weniger verkrampft" sehen und "Anträge religiöser Gruppen auf ein Verbot des
Fußballspiels" ablehnten.
*) "haJamim hanoraim",
wörtlich "die schrecklichen Tage". Weniger Ehrfurcht gebietend spricht man
auch von den "Hohen Feiertagen" und meint die ersten zehn Tage des neuen
Jahres, zwischen Rosch haSchanah und Jom Kipur.
dg /
hagalil.com
14-09-2004 |