Streit um baufällige Gebetsstätten:
Israel befürchtet Unglück auf dem Tempelberg
Von Bettina Marx,
ARD-Hörfunkstudio Tel
AvivEs könnte ein Unglück passieren!
Tausende, wenn nicht Zehntausende von Muslimen könnten zu Schaden kommen!
Das ist die Befürchtung israelischer Fachleute und Politiker, wenige Wochen
vor Beginn des Ramadan-Monats.
Doch die Warnungen beziehen sich nicht auf den aktuellen
Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, der den Nahen Osten seit vier
Jahren in einen Strudel aus Gewalt und Gegengewalt gerissen hat. Es geht um
die Sicherheit der Betenden auf dem Harem Al-Sharif, jenem Areal in der
Altstadt Jerusalems, den die Israelis Tempelberg nennen. Hier steht die
berühmte Al-Aksa-Moschee, das drittbedeutendste Heiligtum im Islam. Und hier
steht der Felsendom mit seiner goldenen Kuppel, das Wahrzeichen Jerusalems.
Unterirdische Moschee für mehrere tausend Gläubige
Und hier hat der muslimische Wakf, die Behörde, die für
die religiösen muslimischen Stätten in Jerusalem zuständig ist, vor acht
Jahren damit begonnen, eine unterirdische Moschee zu bauen, die Tausende von
Menschen aufnehmen kann. Sie befindet sich in den sogenannten salomonischen
Ställen an der süd-östlichen Ecke des heiligen Bezirks. In diesem Bauwerk,
das mit dem jüdischen König Salomon nichts zu tun hat, sondern aus viel
späteren Epochen stammt, wurden in der letzten Zeit umfangreiche
Baumaßnahmen durchgeführt. Nach Angaben israelischer Fachleute seien die
Außenmauern und die tragenden Säulen dadurch so geschwächt worden, dass sie
drohten, einzustürzen. Der ehemalige Bürgermeister von Jerusalem, der
stellvertretende israelische Regierungschef Ehud Olmert erklärt: "Es gibt
zwei Gründe für die Gefahren: erstens die Ausgrabungen an der Stelle und
zweitens offenbar auch das Erdbeben, das wir vor einigen Wochen hatten.
Experten, auch von der Technischen Hochschule, haben das untersucht und sie
kamen zu der Überzeugung, dass es wirklich gefährlich ist. Wenn
Hunderttausende im Ramadan auf den Tempelberg kommen, dann ist die Enge und
das Gedränge groß und die Gefahr ist sehr real, dass das Gebäude
zusammenstürzt und davor müssen wir warnen."
Illegale Ausgrabungen?
Die Archäologin Eilat Mazar wirft den muslimischen Behörden
vor, illegale Ausgrabungen auf dem Tempelberg zu machen und damit nicht nur
die Statik des Komplexes zu gefährden, sondern auch die antike Stätte zu
zerstören: "Es sind illegale Ausgrabungsarbeiten, die dort seit Jahren
gemacht werden und die dieses antike Bauwerk ohne jede staatliche
Überwachung in eine Moschee verwandelt haben, in die größte Moschee des
Landes Israel. Gleichzeitig wurde ein riesiger Graben ausgehoben, in den all
die Trümmer hineingeworfen wurden. Dabei sind unwiederbringliche Schätze
verloren gegangen. Dieses ganze 2000 Jahre alte Gebäude, das wir im Zentrum
Jerusalems haben, wird völlig verändert und bringt Menschenleben in Gefahr."
Behörde schwächt Gefahr ab
Der Wakf weist diese Vorwürfe zurück. Geschäftsführer
Adnan Husseini, selbst Bauingenieur, bestritt im israelischen Radio, dass
eine Gefahr für die Betenden bestehe, die im Ramadan die Moscheen auf dem
Haram al Sharif besuchten. Husseini schwächt ab: "Ich glaube, das ist
wirklich nicht fair. Die israelische Polizei sollte mit dieser
Propaganda-Show aufhören. Es gibt keine Gefahr. Der letzte Ramadan ist
friedlich vergangen und auch der kommende Ramadan wird friedlich
verstreichen und es wird keine Probleme geben."
Für Polizeiminister Gideon Ezra sind diese Versicherungen nicht genug. Wenn
das Problem nicht zufriedenstellend gelöst werde, werde er den Zugang der
muslimischen Gläubigen während des Fastenmonats Ramadan beschränken.
"Ställe Salomos":
Experten
befürchten Kollaps eines Teils des Tempelberges
In Israel wird befürchtet, dass der Bereich der "Ställe Salomos" auf dem
Jerusalemer Tempelberg unter dem Gewicht der Hunderttausende von betenden
Moslems, die man in etwa drei Wochen für die Zeit des Ramadan erwartet,
einbrechen wird...
hagalil.com
28-09-2004 |